Händels „Hercules“ an der Komischen Oper Berlin: Wenn Eifersucht tötet

Georg Friedrich Händel, Hercules  Komische Oper Berlin, Premiere am 3. März 2024

Georg Friedrich Händel, Hercules © Monika Rittershaus

Ganz großer Applaus auch für Barrie Kosky, der nicht nur in Berlin inzwischen Kultstatus besitzt. Mit dieser Regiearbeit zeigt er wieder einmal allen selbst ernannten Star-Regisseuren, was zum Wesen einer guten Regie gehört: ohne Ablenkung durch schrilles Ambiente plastische Figuren zu formen, und so den Kern des Werkes freizulegen und begreifbar zu machen. Chapeau!

Georg Friedrich Händel
Hercules

Hercules    Brandon Cedel
Dejanira    Paula Murrihy
Iole    Penny Sofroniadou
Hyllus    Caspar Singh
Lichas    Susan Zarrabi

Regie   Barrie Kosky
Dirigent   David Bates

Komische Oper Berlin, Premiere am 3. März 2024

von Peter Sommeregger

Mit dieser Premiere wendet sich die Komische Oper Berlin erneut ihrem einstigen Kernrepertoire, der Barockoper zu. Händels vergleichsweise selten gespieltes Oratorium „Hercules“ ist eine Studie über das bekannte Phänomen Eifersucht, das wohl jeder Mensch schon für sich erfahren hat. Im Fall der Gattin des Helden Hercules, Dejanira, steigert sich deren unbegründete Eifersucht aber ins Pathologische und führt indirekt zum Tod ihres Gatten.

Die Handlung bietet ausreichend Gelegenheit zu virtuosen, leidenschaftlichen Arien und wuchtigen Chören. Barrie Koskys Inszenierung, die bereits an der Frankfurter Oper zu sehen war, wirkt vor allem durch Reduktion der Optik. Auf praktisch leerer Bühne sind die Sänger auch als Schauspieler gefordert, was ausnahmslos beeindruckend funktioniert.

Georg Friedrich Händel, Hercules © Monika Rittershaus

Das Zentrum der Aufführung beherrscht Paula Murrihy als von Eifersucht zerfressene Dejanira, die auch schon einmal eine Kantilene zugunsten der Wahrhaftigkeit des Ausdrucks opfert, und mit Flüstern, Schreien und irrem Lachen das Spektrum der Interpretation voll ausschöpft. Leider findet sie in ihrem Gatten, dem Bassbariton Brandon Cedel, einen eher eindimensionalen Partner. Dieser besitzt durchaus optisch wie stimmlich das Volumen für einen Hercules, seine etwas spröde Stimme bleibt aber rau und für Händels Koloraturen nicht geschmeidig genug.

Sein Sohn Hyllus wird von Caspar Singh mit kräftigem Tenor und sicherer Stimmführung verkörpert und gibt der vom Stück her eher blassen Figur Format. Susan Zarrabi als Hercules’ Schwester Lichas und Penny Sofroniadou als Prinzessin Iole, an der sich Dejaniras Eifersucht entzündet, vervollständigen das eindrucksvolle Trio der Damen mit virtuosen Ausbrüchen.

Georg Friedrich Händel, Hercules © Monika Rittershaus

Das eigentliche Ereignis ist aber Koskys fulminante Zeichnung der Figuren. Man müsste vorher nichts über die Handlung wissen, und wüsste doch schnell darüber Bescheid, so plastisch und anschaulich fällt das Spiel der Singschauspieler auf der leeren Bühne aus. Die fabelhaften Chorsolisten der Komischen Oper sind auch in dieser Produktion wieder wesentlicher Bestandteil des Gelingens der Aufführung. In der vielleicht besten Szene des Abends bedrängt der Chor als personifizierte Eifersucht Dejanira, das ist einfach großes Theater!

Georg Friedrich Händel, Hercules © Monika Rittershaus

Das Orchester der Komischen Oper unter der umsichtigen Leitung von David Bates erweist sich einmal mehr als versiertes Barock-Ensemble. Das Ensemble, die Chorsolisten und der Dirigent werden am Ende minutenlang bejubelt.

Ganz großer Applaus auch für Barrie Kosky, der nicht nur in Berlin inzwischen Kultstatus besitzt. Mit dieser Regiearbeit zeigt er wieder einmal allen selbst ernannten Star-Regisseuren, was zum Wesen einer guten Regie gehört: ohne Ablenkung durch schrilles Ambiente plastische Figuren zu formen, und so den Kern des Werkes freizulegen und begreifbar zu machen. Chapeau!

Peter Sommeregger, 4. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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