Foto: Monika Rittershaus
Komische Oper Berlin, Premiere 29. August 2021
von Peter Sommeregger
Gut 25 Jahre arbeitete der rumänische Allroundmusiker George Enescu an seiner Oper „Œdipe“, ehe das vieraktige Werk 1936 in Paris uraufgeführt wurde. Ein Repertoirestück ist die Oper nicht geworden, dazu ist sie zu anspruchsvoll für Ausführende und Publikum. Einig ist sich die Fachwelt allerdings in ihrer Einschätzung des Werkes als bedeutende Komposition.
Nach längerer Abstinenz von Berliner Bühnen stellt die Komische Oper das Werk eindrucksvoll auf die Bretter. Das Einheitsbühnenbild für die pausenlose Aufführung stellt einen abstrakten steinernen Saal da, in dessen Mitte sich ein großes Becken befindet. Die Aktionen der Darsteller finden hauptsächlich am Rand des Beckens statt. Der russische Regisseur Evgeny Titov entwickelt in diesem geometrischen, strengen Raum ein intensives Kammerspiel, wobei er die klaustrophobische Unentrinnbarkeit des Raumes geschickt nutzt.
Enescus Musik ist stilistisch schwer einzuordnen, anfangs verwendet der Komponist sogar Motive rumänischer Volksweisen, bleibt in der Tonsprache weitgehend tonal. Den Sängern verlangt Enescu viel ab, vor allem die Baritonpartie des Œdipe ist äußerst fordernd, findet aber an diesem Abend in Leigh Melrose einen großartigen Interpreten. Der britische Sänger, ausgewiesener Spezialist für Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, zieht alle Register seines Könnens und verleiht seiner Rolle ausdrucksvolle Intensität. Aber auch seine Partner können durchaus glänzen. Allen voran die Jocaste von Karolina Gumos, deren charaktervoller Mezzosopran wie geschaffen für diese Partie ist. Jens Larsen als Tirésias, Christoph Späth als Laïos und Katarina Bradić als Sphinx seien noch hervorgehoben, als kleines Manko muss man das auffallend unidiomatische Französisch des gesamten Ensembles verbuchen.
Generalmusikdirektor Ainārs Rubiķis realisiert die anspruchsvolle Partitur mit sicherer Hand. Besonders hervorheben muss man auch die Leistung des zurecht gerühmten Chores der Komischen Oper. Bedingt durch Corona-Auflagen wurde dieser auf den zweiten Rang verbannt, was seiner Exaktheit aber keinerlei Abbruch tat. Akustisch wirkte der Abstand von der Bühne sogar durchaus reizvoll, trotzdem wünscht man sich bald wieder „normale“ Verhältnisse an den Opernhäusern zurück. Dies auch der Tenor der launigen Ansprache des scheidenden Intendanten Barrie Kosky am Ende, welche die Premierenfeier ersetzen musste.
Das Publikum feierte am Ende das gesamte Team mit Standing Ovations, neben dem herausragenden Leigh Melrose wurde auch das Regieteam gebührend bejubelt. Ein Abend von großer künstlerischer Strahlkraft!
Œdipe Leigh Melrose
Jocaste Karolina Gumos
Laïos Christoph Späth
Tirésias Jens Larsen
La Sphinge Katarina Bradić
Musikalische Leitung Ainārs Rubiķis
Inszenierung Evgeny Titov
Peter Sommeregger, 29. August 2021,
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