In Ostfriesland wird wieder am Klavier improvisiert

Gezeitenkonzerte 2025  Dunum, Kirche, 16. Mai 2025

Nuron Mukumi © Mike Meyer; Artem Yasynskyy © privat

Im idyllisch ostfriesischen Dunum bringt das Festival Gezeitenkonzerte einen wunderbar originellen Klavierabend mit gleich drei Pianisten auf die Bühne! Vor allem die sehr innigen Improvisationen sorgte für ein einmaliges Konzerterlebnis.

Dunum, Kirche, 16. Mai 2025

Gezeitenkonzerte 2025

Piano Panorama
Hanni Liang, Nuron Mukumi & Artem Yasynskyy, Klavier

Werke von Isaac Albéniz, Sergei Rachmaninoff, Franz Liszt, Claude Debussy, Johann Sebastian Bach, Frédéric Chopin, Karol Szymanowski und Improvisationen

von Johannes Karl Fischer

Ein bisschen mühsam ist die Anreise ins ostfriesische Dunum schon. Natürlich kein Bahnhof, am Wochenende selbst mit dem Bus kaum zu erreichen. Naja, organisatorisch eine kleine Zeitreise in die Ära Liszts und Debussys. Dafür gibt’s hier wohltuende Landluft und ganz wie in den alten Zeiten der Wettbewerbe für Klavierderbykonzerte standen damals im Mittelpunkt des öffentlichen Konzertlebens gleich drei wunderbar spielende Pianisten auf der Kirchenbühne! Das Festival Gezeitenkonzerte hatte sich also etwas wahrlich besonderes einfallen lassen…

Zu den wohl eindrucksvollsten musikalischen Momenten des Abends zählten die hier sehr zahlreich vertretenen Exemplare der heute in der Klassik-Szene leider weitgehend vergessenen Improvisationskunst. Für Mozart und auch Clara Schumann war das spontane Klavierspiel Pflichtrepertoire und auch heute ist diese Art des Musizierens kaum weniger lebendig, originell oder genussvoll.

Vor allem Hanni Liang holte in ihrem Programm die Klänge fast gänzlich frisch erdacht aus den Tasten. Nur Debussys Rêverie und ein paar auf Kärtchen verschriftliche Träume des Publikums dienten dabei als Inspiration. Wunderbar seelisch ließ sie dabei die Steinway-Saiten singen, vereinte sich und das Publikum mit der Magie ihrer Musik. Als kämen diese zauberhaft glänzenden Noten von den frischen Nordseelüften herbeigeweht…

Hanni Liang © Esther Haase

Auch Artem Yasynskyy verzierte sein Programm mit einer reichlich originellen Darbietung der klassischen Musik. Mit einer meisterhaft luftigen, rein und klar klingenden Bach-Partita startete er sein Programm, die Sarabande ließ er singen, die barocke Gigue eifrig aus den Tasten tanzen. In den Variationen op. 3 von Karol Szymanowski spielte er dann den bunten, umschwärmenden wie kraftvollen Flügelklang komplett aus. Sein tiefgründiges, innerlich emotionales wie kontrastvolles Klavierspiel strahlte in diesem leider raren Klavierwerk durch die wunderbare Kirchenakustik und haute das Publikum völlig vom Hocker!

Umso spektakulär geriet auch seine diesmal knapp gehaltene Improvisation. „Rufen Sie bitte mal ein paar Töne rein“. Der Pianist auf musikalischer Themensuche beim Publikum. Völlig frei schwebten die Melodien aus den Tasten, er versetzte die ganze Kirche in eine ruhige musikalische Entspannungsstimmung und ließ die musikalische Seele baumeln.

Dann aber wagte er ein wohl einzigartiges Klassik-Experimente, als er zwei seiner eigenhändig bearbeiteten Chopin-Etüden zu Gehör brachte. Es sei ihm bei dem vielen Üben einfach langweilig geworden, da wollte er diese Werke mal etwas anders spielen. Funktioniert! Diese vor allem der technischen pianistischen Entwicklung dienenden Werke klangen kraftvoll, souverän berührend und wunderbar musikalisch wie kaum eine Etüde zuvor!

Als einziger der drei Pianisten setzte Nuron Mukumi ausschließlich auf vorkomponierte Musik. Dennoch lieferte auch er eine souveräne musikalische Meisterleistung und brachte das ganze Spektrum der romantischen Klavierkunst eindrucksvoll zum Klingen! Vor allem mit Rachmaninoffs Corelli-Variationen zeigten Flügel und Pianist ihr Können und stemmten die kraftvollen wie fein sensibel musizierten Klänge wohlresonierend in den Raum. Auch Liszts virtuose Rhapsodie espagnole sauste glanzvoll über die Klaviatur und beflügelte das Publikum im ostfriesischen Flachland mit den wunderbar durch die Luft schwebenden Melodien der Klavierromantik.

Kirche Dunum 2023 © Karlheinz Kramer

Am Ende dieses ganz besonderen Konzerts stand natürlich eine nicht weniger besondere Zugabe: Rachmaninows Walzer und Romanze für sechs Hände, an einem Klavier natürlich. Ein sehr stimmiger pianistischer Ausklang beendete diesen insgesamt dreifach spannenden Klavierabend!

Johannes Karl Fischer, 19. Mai 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Klavierabend Igor Levit Philharmonie Berlin, 28. Oktober 2024

Igor Levit, Klavierabend Die Glocke, Bremen, 4. September 2024

MATHIAS WEBER / KLAVIERABEND, Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn Bartholdy Elbphilharmonie, Kleiner Saal, 15. September 2024

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