Die Bühne mit den Tänzerinnen und Tänzern. Foto: privat
Szenisch reizvoll und sängerisch exzellent, so präsentierte sich Verdis “Otello” im Teatro La Fenice in Venedig.
Giuseppe Verdi
Otello
Libretto von Arrigo Boito
Regie: Fabio Ceresa
Bühne: Massimo Checchetto
Kostüme: Claudia Pernigotti
Choregraphie: Mattia Agatiello
Chor des Teatro La Fenice, Einstudierung: Alfonso Caiani
Piccoli Cantori Veneziani, Einstudierung: Diana D’Alessio
Orchester des Teatro La Fenice
Musikalische Leitung: Myun-Whun Chung
Teatro La Fenice, 1. Dezember 2024
von Dr. Rudi Frühwirth
In Verdis “Otello” wird die geplante Rückkehr des Titelhelden in die Republik Venedig bekanntlich durch missliche Umstände wie Mord und Selbstmord verhindert. Erfreulicherweise ist aber die Oper doch wieder einmal im Teatro La Fenice angekommen. Die Neuproduktion zur Saisoneröffnung ist optisch höchst reizvoll. Die prächtigen Kostüme von Claudia Pernigotti und das golden glänzende Bühnenbild von Massimo Checchetto beschwören freilich weniger das 16. Jahrhundert herauf als die byzantinisch und gotisch geprägte Kunst der Glanzzeit der Republik.
Die Inszenierung verzichtet auf jegliche fragwürdige Aktualisierung und vertraut ganz auf den hochdramatischen Text im Verein mit der genialen Musik Verdis. Eine Freiheit, die sich der Regisseur Fabio Ceresa herausnimmt, besteht in einer Gruppe von neun schwarz gekleideten Tänzerinnen und Tänzern, die die dunklen Gedanken Jagos schleimig kriechend auf der Bühne augenfällig machen und seine Opfer wie die Hydra umgarnen. Ein zehnter Tänzer stellt den Markuslöwen, das Symbol der Republik dar.
Der Star des Abends war zweifellos Luca Micheletti als Jago. Micheletti war stimmlich wie darstellerisch ungeheuer eindrucksvoll – er beherrscht alle Register vom Dämonischen bis zum Einschmeichelnden. Er ist als Jago die perfekte Verkörperung des Nihilisten par excellence, der Böses aus purer Lust am Bösen tut, des Meistermanipulators, der die “fake news” sanft aber eindringlich verbreitet, und der zum Schluss unangefochten triumphiert. Ich wundere mich nicht, dass mir während des blasphemischen “Credos” die Schauer über den Rücken gelaufen sind.
Francesco Meli als Otello wirkte neben Micheletti etwas blass. Seine Stimme war in den dramatischen Partien außerordentlich präsent, mit strahlender Höhe; in den lyrischen Partien fehlte es ihr aber mitunter an Schmelz. Darstellerisch konnte er den Wandel vom verehrten Seehelden zum von rasender Eifersucht Geblendeten nicht recht glaubhaft machen. Freilich ist in “Otello” der Bösewicht viel interessanter gestaltet als der Gute und Edle, wie so oft in der Oper; man denke nur an Don Giovanni und Don Ottavio.
Karah Son verkörperte Desdemona sehr überzeugend, stimmlich makellos, und unterstützt von einer blendenden Erscheinung. Das Lied vom Weidenbaum im letzten Akt mit seinen kühnen Sprüngen gelang ihr perfekt. Das anschließende, ergreifend gesungene Gebet trieb mir die Tränen in die Augen, was mir bei Verdi nur ganz selten passiert.
Die kleineren Rollen des Cassio, des Roderigo und der Emilia waren sehr zufriedenstellend besetzt und trugen zum sängerisch höchst respektablen Gesamteindruck bei.
Myun-Whun Chung trieb das Orchester temperamentvoll zu einer soliden, mitunter geradezu knalligen Leistung an. Besonders im letzten Akt brachten die Holzbläser allerdings nicht jenen Wohlklang hervor, den man in anderen Häusern erwarten kann. Der Chor war ausgezeichnet vorbereitet und machte den Gewittersturm zu Beginn der Oper zu einem aufregenden Erlebnis.
Das Publikum feierte die Mitwirkenden, allen voran Luca Micheletti, mit lautstarker Begeisterung.
Dr. Rudi Frühwirth, 2. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung
Otello: Francesco Meli
Jago: Luca Micheletti
Cassio: Francesco Marsiglia
Roderigo: Enrico Casari
Lodovico: Francesco Milanese
Montano: William Corrò
Desdemona: Karah Son
Emilia: Anna Malavasi
Giuseppe Verdi, La Traviata, Teatro La Fenice, Venedig, 10. September 2023
Pietro Mascagni, Cavalleria rusticana Gran Teatro La Fenice, 27. August 2023