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IDYLLE
2. SINFONIEKONZERT
Wolfgang Amadeus Mozart: Adagio und Fuge in c-Moll KV 546
Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzert Nr. 23 A-Dur KV 488
Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 «Pastorale»
Palais des Congrès Biel, 19. Oktober 2022
von Julian Führer
Das Sinfonie Orchester Biel Solothurn spielt an seinen beiden Spielstätten bei Opern im Orchestergraben, verfolgt aber auch eine vielfältige Konzertreihe. Das zweite Konzert dieser Spielzeit im Kongresshaus Biel war mit „Idylle“ überschrieben und brachte Werke von Mozart und Beethoven, eine sehr klassische Auswahl also (manche würden sie als konventionell bezeichnen).
Mozarts Adagio und Fuge c-Moll KV 546 würden viele bei einer musikalischen Blindprobe wohl eher einem anderen Komponisten zuschreiben, besonders die Fuge. Mozart hatte sie bereits 1783 für zwei Klaviere komponiert, bevor er sie 1788 mit einem neuen Adagio für Streichorchester überarbeitete. Eine damals intensive Auseinandersetzung Mozarts mit den Kompositionen von Bach und Händel schlug sich auch in seinem eigenen Schaffen nieder. Ungewöhnlich sind insbesondere die akzentuierten Basslinien und der die Fuge genrebedingt durchziehende Eindruck einer sehr formalen Strenge. So idyllisch, wie es der Titel des Konzerts vermuten ließe, ist dieses Einleitungsstück nicht. Mozart komponierte mehrfach in c-Moll, doch ist die Düsternis dieser Tonart auch nicht eben typisch für einen Künstler, der bei aller zwischendurch aufscheinenden Melancholie und Tiefsinnigkeit doch eher mit leichter, perlender Brillanz assoziiert wird.
Mozarts Klavierkonzert in A-Dur Nr. 23 KV 488 gehört viel eher zu diesem Genre. Die Motive sind anmutig, manche Einwürfe witzig. Am Klavier zeigte Oliver Schnyder große Meisterschaft: Die für Mozart stellenweise erstaunlich ausgearbeiteten Bassfiguren hielt er trotz des Steinway-Flügels elegant und schlank. Mit sehr klaren Läufen und filigranem Anschlag fand Schnyder zur klanglichen Brillanz, die für Mozart oft so charakteristisch ist. In der Kadenz verzierte Schnyder Mozarts Noten noch etwas, aber stets ohne in Manierismen zu verfallen. Das Adagio des Mittelsatzes hat eine bemerkenswert chromatische Introduktion (dem zeitnah komponierten Rondo a-Moll KV 511 nicht unähnlich) und kreist um das von Mozart selten genutzte fis-Moll. Schade, dass gegen Ende des Satzes Blaulichtsirenen von draußen zu hören waren! Geschlossen gelang der dritte Satz (Allegro assai), in dem Mozart das Klavier teilweise mit dem Orchester verschmilzt und dann wieder als Soloinstrument hervortreten lässt, in der Wiedergabe Oliver Schnyders deutlich kontrastiert. In der Mitte des Satzes um Takt 250 herum trübt sich die Stimmung noch einmal in Richtung fis-Moll, Mozart löst die Stimmung dann aber immer mehr zum Heiteren hin auf. Das Konzert bietet eine Kombination von Licht und Schatten, aber doch deutlich mehr Licht.
Nach der Pause war ein Stück zu hören, das man vielleicht als musikalische Idylle schlechthin assoziiert: Beethovens sechste Symphonie, die sogenannte „Pastorale“ in F-Dur Opus 68. Bei aller Bukolik sollte nicht vergessen werden, wie revolutionär Beethoven hier 1808 komponierte: Fünf Sätze in einer Symphonie, fast schon Programmmusik mit den jedem Satz (obendrein in deutscher Sprache) beigegebenen Titel, der direkte Übergang ins Gewitter des vierten Satzes ohne Pause, um nur einiges zu nennen. Die Instrumentierung hingegen ist eigentlich ganz klassisch, doch geht Beethoven neue Wege in der Klangmalerei.
Sébastien Rouland, derzeit Generalmusikdirektor in Saarbrücken, wählte einen schlanken Zugriff mit einer eher kleinen Orchesterbesetzung, wobei die Streicher auch anders aufgestellt waren als vor der Pause bei Mozart. Dankenswerterweise wurde die Exposition wiederholt (viele Dirigenten lassen diese Wiederholung weg). Die von Beethoven wie stets reichlich notierten Sforzati waren auch in der Umsetzung zu hören, gerade im dritten Satz („Lustiges Zusammensein der Landleute“) war es erstaunlich, wie präsent und gewollt vordergründig-laut dieses Orchester sein konnte, das in der wahrhaft idyllischen Szene am Bach (zweiter Satz) fast das Zeitgefühl aufgehoben hatte. Sébastien Rouland dirigierte hier wie auch im Gewittersatz mit immer sparsameren Gesten, so dass die Musiker vor allem auf die anderen Instrumentengruppen hören mussten. Viele solistische Momente wären zu erwähnen, klangschön insbesondere das Holz, nicht immer intonationssicher hingegen ein Horn. Dieser zweite Satz machte zudem deutlich, wie viel spätere Komponisten Beethoven zu verdanken haben. Wagners Waldweben im Siegfried sind in Beethovens Behandlung der Bratschen und Celli bereits überdeutlich angelegt.
Das Publikum im großen und fast ausverkauften Saal dankte dem Solisten Oliver Schnyder, dem Dirigenten Sébastien Rouland und dem Orchester mit reichlich Applaus. Seit der Wiedereröffnung der Theater und Konzertsäle wird vielerorts ein Zuschauerschwund beklagt; nicht verlängerte Abonnements, vielleicht auch Angst vor Ansteckungen oder Bequemlichkeit angesichts neuer Streamingangebote haben die Auslastung der Häuser absacken lassen. Die Gründe mögen vielfältig sein; in Biel hat sich gezeigt, dass ein sehr klassisches Programm vielleicht nicht überaus innovativ ist, aber doch das Publikum anzieht und bei entsprechender Umsetzung auch zu überzeugen vermag.
Julian Führer, 20. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at