Der Atem-, Sprech- und Stimmlehrer Ekkehard Lampe-Steinhage wurde 1981 an der Schule Schlaffhorst-Andersen ausgebildet. Seine Gesangsausbildung erhielt er in Berlin, Kopenhagen und Bremen. Er arbeitete viele Jahre an diversen Schauspielschulen in Berlin und Bremen, erteilte Stimm- und Sprechtraining im Bereich Hörfunk und Fernsehen und bildete Bremer Bürgerschaftsabgeordnete aus. Er ist verantwortlich für das Sprechtraining an der Bremer Oper und für die Stimmbildung am Bremer Schauspiel und bei der Shakespeare Company. Als Sprechtrainer gibt er Masterkurse in New York für Opernsänger, die unter anderem an der Metropolitan-Oper singen. Gelegentlich hält er musikalisch begleitete Lesungen.
Petra Spelzhaus befragte Ekkehard Lampe-Steinhage über sein Künstlerleben im Zeichen der Corona-Krise.
klassik-begeistert.de: Was haben Sie vor einem Jahr getan, und wie sieht ihr Alltag heute aus?
Ekkehard Lampe-Steinhage: Vor einem Jahr habe ich normal gearbeitet. Ich habe in meinem Studio viel Sprech-und Gesangsunterricht gegeben. Ansonsten war ich intensiv bei der Oper und in der Shakespeare-Company aktiv. Heute ist alles weg: Kein Coaching, kein Theater, keine Patienten. Es kommen vereinzelt ein paar Leute – vorwiegend Ärzte, die fürchten sich weniger vor dem Virus – in mein Studio zum Gesangsunterricht. Ich nutze nun die freie Zeit, um Klavier zu üben.
Nennen Sie bitte drei Schlagworte, wenn Sie das Wort Corona hören…
Mediale Vermüllung, Panik, Unsicherheit.
Welches sind die einschneidendsten Veränderungen seit Ausbruch der Corona-Pandemie? Können Sie ihr auch etwas Positives abgewinnen?
Die einschneidendsten Veränderungen sind die fehlenden sozialen Kontakte. Wir sehen kaum mehr jemanden. Unter dem Brachliegen des kulturellen Lebens leide ich sehr. Positiv ist die Zeit, die wir zuhause verbringen, das Lesen, die vielen Spaziergänge. Es herrscht eine unheimliche Ruhe. Und man hat das Gefühl, die Umwelt erholt sich, die Luft ist besser.
Womit verdienen Sie sich normalerweise ihre Brötchen? Wie ist die Situation nach Aussetzen sämtlicher kultureller Veranstaltungen?
Meine Brötchen verdiene ich durch die Arbeit in meinem Studio, durch Sprech- und Stimmtraining in Oper und Schauspiel, Masterkurse in New York. Ich hatte vor der Corona-Krise ein volles Auftragsbuch. Nach einer Südamerikareise war alles zusammengebrochen, die Einkünfte massiv eingebrochen. Bremens Wirtschaftssenatorin hat für freiberufliche Solokünstler einen Rettungsschirm eingerichtet. Ich habe mich gerade um Förderung beworben.
Wie gelingt es einem Künstler, ohne Publikum bei Laune zu bleiben?
Ich arbeite meistens eher in der zweiten Reihe. Ich bekomme jedoch von meinen Kollegen in der ersten Reihe mit, dass sie darunter leiden. Die Unsicherheit, wie lange die Situation noch anhält, treibt alle um. Ich übe auf dem Klavier wieder die ganzen alten Sachen: Sonaten, Preludien, Jazzharmonik. Das macht richtig Spaß.
Eine Frage, die mich als Ärztin sehr interessiert: Mit welchem Musikwerk stimulieren Sie ihr Immunsystem?
Mit Opern von Mozart: Don Giovanni und Figaros Hochzeit.
Momentan verbringen viele Musikliebhaber viel Zeit in ihren eigenen vier Wänden. Gibt es ein Buch, eine CD oder auch Streamingangebot, dass Sie uns dringend empfehlen würden?
Der Roman Gefährliche Liebschaften von Choderlos de Laclos ist dringend zu empfehlen: Ein bösartiger Roman des Barock mit schöner Sprache. Als Streamingangebot sollte man den Rosenkavalier in der Inszenierung von André Heller nicht verpassen.
Kommen wir zur ersten Frage zurück: Wo sehen Sie sich in einem Jahr?
In einem Jahr bin ich überwiegend im Ruhestand. Ein bisschen unterrichte und berate ich noch. Gegebenenfalls hole ich einen Kurs über Schlaffhorst-Andersen in Zürich nach. Der Kurs ist dieses Jahr ausgefallen. Und hoffentlich wird das abgesagte Simone-Kermes-Konzert nachgeholt, das würde ich gerne sehen.
Es gibt Zukunftsforscher, die nach überstandener Corona-Krise eine Verbesserung des Weltklimas -ökologisch wie sozial- prophezeien. Teilen Sie diese Einschätzung? Wie ist ihre Vision?
Eine Klimaverbesserung würde ich mir wünschen, dass der Flugwahnsinn endlich aufhört. Ich hoffe, dass sich der Massentourismus mit der Überfüllung der Städte wie Venedig, Rom oder selbst Bremen beruhigt.
Schauen wir in die Glaskugel: Die Heilige Corona, auch Schutzpatronin gegen Seuchen, hat ein Einsehen mit uns und beendet die Pandemie. Alle Musikclubs, Theater und Opernhäuser öffnen wieder. Für ihren ersten Auftritt haben Sie drei Wünsche frei: Wo, in welcher Produktion und mit wem teilen sie die Bühne?
Ich halte eine große Lesung über einen Thomas Mann-Roman in der Bremer Glocke begleitet von den Bremer Philharmonikern.
Dr. Petra Spelzhaus, 29. März 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at