Grzegorz Pelutis,: Auf dem Weg von der Göttlichen zum Göttervater

Interview: Jolanta Łada-Zielke im Gespräch mit dem Bariton Bariton Grzegorz Pelutis  klassik-begeistert.de, 17. Juli 2024

Grzegorz Pelutis © Jörn Kipping

Grzegorz Pelutis, geboren in Słupsk (Polen, ehemals Stolp), schloss sein Gesangsstudium an der Musikhochschule in Stettin bei Professor Janusz Lewandowski 2021 mit Auszeichnung ab. Dann setzte er seine Ausbildung an der Opernakademie bei Teatr Wielki in Warschau fort. Er hat sowohl polnische als auch internationale Gesangswettbewerbe gewonnen, darunter die Prager Romansiada (2017), den Internationalen Schweizer Musikwettbewerb (2021) und den Juan Pons International Singing Competition (2022). Im selben Jahr qualifizierte er sich als einziger Sänger aus Polen für den Plácido-Domingo-Wettbewerb „Operalia“.
Derzeit studiert er im Internationalen Opernstudio der Staatsoper Hamburg. 


Jolanta Łada-Zielke im Gespräch mit dem Bariton Bariton Grzegorz Pelutis

von Jolanta Łada-Zielke

klassik-begeistert: Wie verlief Ihre bisherige Gesangsausbildung?

Grzegorz Pelutis: Wenn es um meine Gesangskarriere geht, glaube ich an das Schicksal. Ich bin direkt zur Musikhochschule gegangen, ohne mich vorher musikalisch ausbilden zu lassen. Später studierte ich an der Opernakademie in Warschau. Dann erhielt ich eine Einladung zum Ersten Internationalen Gesangswettbewerb Juan Pons, wo ich den dritten Preis und einen Sonderpreis gewann. Dort erfuhr ich vom Ausschuss, zu dem auch Juan Pons selbst gehörte, dass ich zwar eine tiefe Stimme habe, aber ein Bariton bin und mich in diese Richtung entwickeln sollte. Daraufhin bewarb ich mich erfolgreich für das Internationale Opernstudio an der Staatsoper Hamburg.

klassik-begeistert: Nehmt ihr neben dem Unterricht im Opernstudio auch an anderen Projekten teil?

Grzegorz Pelutis: Leider ist der Lehrplan sehr eng, so dass wir nicht viele Möglichkeiten haben, für Verträge zu reisen, aber wir nehmen normalerweise an Wettbewerben teil. Dennoch sind die Erfahrungen, die wir hier in Hamburg sammeln, sehr wertvoll. Die Mitstudierenden repräsentieren ein sehr hohes Niveau, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Lebenseinstellung oder den persönlichen Ansichten. Auf der Bühne stimmt die Chemie zwischen uns, was in der Oper unerlässlich ist. Die Oper ist doch ein Musiktheater und beschränkt sich nicht nur auf den Gesang. Sängerinnen und Sänger sollten auch ausgebildete Schauspieler sein.

klassik-begeistert: In der Operette „Ciboulette“ von Reynaldo Hahn spielen Sie Duparquet als eine Dragqueen und singen sehr bewegend die „Mochoir-Arie“ (Arie mit dem Taschentuch).

Grzegorz Pelutis: Diese Rolle war eine Herausforderung für mich, da mir das Französische in Bezug auf Prosodie und Gesangsstil relativ fremd ist, umso mehr in einer Operette. Es fällt mir nicht leicht, pianissimo zu singen, was diese extrem lyrische Arie umso problematischer machte. Als ich erfahren habe, dass Duparquet eine Dragqueen nach dem Vorbild der legendären Divine (1945-1988) sein sollte, habe ich mich sehr gefreut.

Gleichzeitig war ich besorgt, denn obwohl ich mich auch dem queeren Milieu zugehörig fühle und viel Sensibilität in mir trage, so sehr musste ich all dies in dieser nicht ganz einfachen Musik zum Ausdruck bringen. Nicolas André, der Dirigent, bevorzugte diese Arie in einer kompakten Form, während unser Arrangeur Johannes Harneit sie eher fließend wie ein Blues haben wollte – eine Art ‚Puccini-rubato‘. Ich habe einen Kompromiss und meine eigene Interpretation gefunden, was mich mit diesem Debüt sehr glücklich macht.

Grzegorz Pelutis als Duparquet in der „Ciboulette“, © Jörg Landsberg

klassik-begeistert: Man sagt, dass die Polen ein Talent für Fremdsprachen haben. Haben Sie von dieser Meinung auch schon gehört?

Grzegorz Pelutis: Ja. Erst dieses Jahr habe ich bei einem offenen Workshop die Wotan-Arie „Abendlich strahlt der Sonne Auge“ aus dem „Rheingold“ aufgeführt. Die Einheimischen, die regelmäßig nach Bayreuth kommen, sagten, dass meine Aussprache besser sei als die mancher Deutscher, die dort singen. Zuerst konnte ich es nicht glauben und dachte, sie nehmen mich auf den Arm. Die Polen sind in der Tat sprachlich begabt. Unsere Muttersprache ermöglicht es uns, jede Menge zu artikulieren, dank ihrer syntaktischen Flexibilität, der Vielzahl von Konsonanten und offenen Vokalen.

klassik-begeistert: Von wem haben Sie bisher am meisten gelernt?

Grzegorz Pelutis: Derzeit arbeite ich selbst an meiner Stimme. Ich bin ein Anhänger der alten italienischen Belcanto-Schule von dem Lemberger Maestro Jerzy Artysz (polnischer Bariton, Geburtsjahr 1930). Er ist der Ansicht, dass der Gesang eine Erweiterung der Sprache ist.

Mein „musikalischer Vater“ ist Professor Janusz Lewandowski, der mich aus dem Nichts geformt hat. Dank ihm habe ich eine stabile technische Basis, die mir eine bewusste Weiterentwicklung ermöglicht.

Viel verdanke ich auch dem italienischen dramatischen Bariton Franco Vassallo, der wiederum ein Schüler von Carlo Meliciani ist. Man weiß, dass auch ein Sopran einen Bass unterrichten kann, aber wenn ein Basso profondo einen anderen Basso profondo in seine Art zu singen einweihen will, ist das von unschätzbarem Wert.  

klassik-begeistert: Ihre Traumrolle?

Grzegorz Pelutis: Wotan in dem ganzen „Ring des Nibelungen“ und die Titelrolle im „Fliegender Holländer“. Die Musik von Richard Wagner ist ein fester Bestandteil von mir, aber man muss stimmlich dafür reifen. Deshalb bin ich, abgesehen von dem bereits erwähnten „Rheingold“, noch nicht so weit. Ich liebe auch den Verismo und habe drei Traumrollen: Barnaba in Ponchiellis „La Gioconda“, Gérard in „Andrea Chénier“ und den legendären Scarpia in „Tosca“. Der Verismo ist definitiv meine liebste Kunstrichtung.

klassik-begeistert: Ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche viel Erfolg weiterhin!

Interview: Jolanta Łada-Zielke im Gespräch mit dem Bariton Mateusz Ługowski klassik-begeistert.de, 17. Juli 2024

Interview mit der polnischen Sopranistin Ewa Vesin klassik-begeistert.de, 31. Oktober 2023

Frauenklang 5: Interview mit Joanna Sochacka über die Musik von Grażyna Bacewicz

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert