Elisabeth Plank: „So mancher hat Bammel vor den Pedalen...“, Teil II

Interview: kb im Gespräch mit Elisabeth Plank, Teil II  klassik-begeistert.de, 3. August 2025

Elisabeth Plank © Julia Wesely 

Das klassik-begeistert Harfen-Special mit Elisabeth Plank, Teil II

Elisabeth Plank ist eine der wenigen, sehr erfolgreichen Solo-Harfenistinnen. Am 6. Juni 2025 ist ihr Album chimaera bei Genuin erschienen. Plank setzt damit ihren Weg fort, die Geschichte der Harfe neu zu erzählen. Die Harfenistin räumt dabei gründlich mit allen gängigen Harfen-Klischees auf und hat mir ihren Lieblings-Harfen-Witz erzählt. Ganz nebenbei habe ich viele neue Dinge über die Harfe gelernt.  Ein großartiges Instrument, aber lesen Sie bitte selber…

Jörn Schmidt im Gespräch mit Elisabeth Plank

klassik-begeistert: Auf dem Album chimaera findet sich Harfen-Repertoire von Konstantia Gourzi, Wolfram Wagner, Pier Damiano Peretti, Arturo Fuentes, Carolina Noguera und Monika Stadler vertreten… Hatte jemand Angst vor der Harfe?

Elisabeth Plank: Ich arbeite seit über 11 Jahren regelmäßig mit Komponistinnen zusammen. Meistens werde ich von den Komponisten gefragt, ob ich mit ihnen an einem Werk arbeiten möchte. Denn auch hier kommt meine Leidenschaft zum Zug, Menschen für die Harfe zu begeistern. In diesem Fall geht es dann meist darum, Komponistinnen von der Angst vor den Pedalen zu befreien – und in Wahrheit sind gar nicht die Pedale die Herausforderung, sondern wie der Klang der Harfe funktioniert… Wenn man das verstanden hat, dann ist es leicht.

klassik-begeistert: Wurden alle Werke eigens für chimaera komponiert?

Elisabeth Plank:  Ich konnte für chimaera schon aus einem großen Katalog wählen, nur drei der Werke sind gezielt für das Projekt entstanden, alle drei zwischen Januar und Juni 2024. Die restlichen Werke habe ich danach ausgesucht, ob sie zur Thematik passen und sich stilistisch vom restlichen Repertoire unterscheiden.

klassik-begeistert: Verlangen Ihnen diese Auftragswerke ab, die Harfe neu zu erfinden? Neue Spielweisen zum Beispiel?

Elisabeth Plank: Absolut! Bei jeder Zusammenarbeit mit Komponist*innen entdecke ich die Harfe neu. Ich muss alles hinterfragen, was ich bisher gemacht habe, Unmöglichkeiten werden Möglichkeiten. Ich bekomme dadurch immer einen ganz frischen Blick auf das Instrument, unvoreingenommen quasi.

klassik-begeistert:  Sie bringen sich also aktiv in die Komposition ein?

Elisabeth Plank: Ich sehe mich als das Bindeglied zwischen der Idee und dem Instrument: wie kann ich den Klang, der bisher nur in der Vorstellung existiert, so erzeugen, dass Vorstellung und Realität übereinstimmen? Das heißt, ich muss oft viele Dinge ausprobieren und viele Vorschläge machen, bis das Ergebnis dann beide Seiten zufriedenstellt. Es ist also keine leichte Aufgabe und kostet sehr viel Zeit und Energie. Aber die Ergebnisse sprechen für sich.

klassik-begeistert: Jenseits von Auftragswerken, wie lässt sich die Geschichte der Harfe neu erfinden?

Elisabeth Plank: [lacht] Mein Antrieb ist immer eine Verbindung von alt und neu, von Vergangenheit und Zukunft. Also etwa durch meine Beschäftigung mit der historischen Doppelpedalharfe. Vielleicht kann man das gewissermaßen als eine Art Versöhnung mit unserem Repertoire verstehen? Ich möchte verstehen, woher die Harfe kommt, aber nicht stehen bleiben, sondern vorwärts gehen – daher kommt wohl auch meine Faszination mit zeitgenössischer Musik. Aber dieser Ansatzpunkt ist vielleicht sehr harfenspezifisch und dann vor allem in der Harfenwelt interessant.

klassik-begeistert:  Und außerhalb der Harfenwelt?

Elisabeth Plank © Julia Wesely

Elisabeth Plank:  Da ist es ein Spagat…ich denke, dort muss man die Geschichte der Harfe nicht neu erfinden, sondern die Harfe einfach mal ankommen lassen. Es gibt so viele von uns, die Grenzen sprengen, die Harfe weiterbringen, tolle neue Dinge machen, Genres erobern… aber niemand außerhalb der Harfenwelt bekommt es mit. Wichtig wäre, dass man dem Publikum endlich die Gelegenheit gibt, die Harfe zu entdecken und sie fest im Konzertleben verankert. Denn wenn sie dann endlich mal dieses Instrument hören und näher kennenlernen können, sind die Leute immer begeistert.

klassik-begeistert: Ich höre gerne analog und mag auch die Haptik einer LP. All’ die spannenden Interviews, die Sie mit den chimaera-Komponisten geführt haben, würden ein richtig schickes Booklet für LP & CD abgeben. Warum ist chimaera  nur digital verfügbar?

Elisabeth Plank: Danke für das Kompliment! Diese Interviews sind für mich ein  ganz essentieller Teil des Projektes: bei chimaera geht es mir ja auch darum, zeitgenössische Musik einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Das ist auch einer der Gründe warum es alles nur digital gibt; ich habe lange überlegt und vorab auch viele Leute um Rat gefragt. Viele haben mir klar abgeraten, ein physisches Produkt zu machen. Ich dachte mir dann, wenn schon zeitgenössisch, dann auch mit der Zeit gehen, und einfach mal versuchen, wie ein rein digitales Album funktioniert. Daher kam dann auch die Idee mit den Interviews: heutzutage lieben die Leute Podcasts – also lieber etwas zum Hören, als zum Lesen machen. Und wenn sie online verfügbar sind, erreicht man alle mit den Interviews, nicht nur die, die ein Booklet in Händen halten können. Aber das schließt ja nicht aus, dass es vielleicht später auch ein physisches Produkt gibt.

klassik-begeistert: Welcher Harfentyp sind Sie, wie würden Sie Ihr Spiel bezeichnen? Partiturtreu, romantisch, experimentierfreudig oder gar draufgängerisch…

Elisabeth Plank: Vermutlich ein bisschen von allem? Partiturtreue ist für mich aber immer oberste Prämisse, ich fühle mich den Komponist*innen verpflichtet. Und selbst dann bleibt ja noch sehr viel Freiraum für Emotionen, die kommen dann je nach Werk und Laune dran. Und ich bin ein absoluter Klang-Freak: Ich liebe es, nach der richtige Klangfarbe und Schattierung für jede Phrase, oder manchmal sogar jeden Ton zu suchen. Da bin ich geradezu besessen! Der Klang ist auch das Element, das mich an der Harfe am meisten fasziniert.

klassik-begeistert: Heute ist die Doppelpedalharfe gebräuchlich, daneben wird noch die Einfachpedalharfe gespielt und vereinzelt die Hakenharfe. Haben Sie eine Präferenz?

Elisabeth Plank: Ganz klar ja, also die Doppelpedalharfe. Denn die Harfentypen, die Sie da nennen, sind eigentlich drei verschiedene Instrumente. Das ist auch unter Harfenistinnen ein weit verbreiteter Denkfehler und in Wahrheit kann man sie nicht wirklich vergleichen. Es ist also ein bisschen wie bei Cembalo und Konzertflügel: nur weil es Tasten hat, ist es nicht dasselbe Instrument. Die Problematik kommt daher, dass viele auf der Hakenharfe anfangen zu lernen, dann oft auf eine Form der Einfachpedalharfe umsteigen, in diesem Fall die Tiroler Volksharfe, und erst später bei der Doppelpedalharfe landen, die dadurch zur „Krone der Schöpfung“ stilisiert wird – und alle anderen Harfenformen als schlechtere Versionen der Doppelpedalharfe abgestempelt werden. Doch die wenigsten wissen, was für Potenzial in der Einfachpedalharfe, also historisch, nicht Volksharfe, und der Hakenharfe steckt, und dass diese Instrumente Sachen können, die auf der Doppelpedalharfe gar nicht möglich sind.

Elisabeth Plank © Julia Wesely

klassik-begeistert: Krone der Schöpfung klingt für mich stark nach cleverem  Marketing…

Elisabeth Plank:  Im Grunde ja. Das alles geht übrigens zurück auf die Propaganda um 1811 zur Einführung der Doppelpedalharfe: als diese neu erfunden wurde, musste sie die Einfachpedalharfe erst verdrängen. Diese Werbekampagne muss wohl als eine der erfolgreichsten der Weltgeschichte gelten, denn diese Negativpropaganda ist nach über 200 Jahren immer noch in den Köpfen der Harfenist*innen verankert.

Ich kann zwar alle diese Typen spielen, aber bestimmt nicht auf demselben Niveau wie die Doppelpedalharfe.

klassik-begeistert: Welche Harfe spielen Sie? Es gibt ja sogar eine Stradivari, im Besitz des Konservatoriums von Neapel…

Elisabeth Plank: Darf ich ehrlich sein?

klassik-begeistert:  Unbedingt, so wie bislang…

klassik-begeistert: Mit Stradivari und seinen Streichinstrumenten geht unweigerlich ein Mysterium einher, jeder weiß, wie toll seine Arbeiten auf diesem Gebiet sind. Seine Harfe  ist dagegen recht enttäuschend, ein ganz kleines, unscheinbares Ding, und nur diatonisch gestimmt. Ich weiß auch gar nicht, ob sie in einem spielbaren Zustand wäre. Klanglich ist sie sicher auch nicht vergleichbar mit Stradivaris Streichinstrumenten. Als Harfenistin muss ich das Instrument spielen, das vor Ort verfügbar ist – auf Tourneen hat man ja oft keine Wahl. Genauso wie Pianistinnen habe ich schon Vorlieben, aber man muss sich einfach gut anpassen können.

klassik-begeistert: Eric Clapton sammelt Gitarren. Sammeln Sie Harfen?

Elisabeth Plank:  Harfen sind schon irgendwie Rudeltiere… wenn man mal eine hat, wollen noch andere dazu. Wäre es keine Platz- oder Geldfrage gäbe es schon viele Instrumente, die mich reizen würden, vor allem historische Harfen.  Privat bin ich in der glücklichen Lage, drei verschiedene Modelle zu besitzen, die ich je nach Repertoire, beziehungsweise klanglichen Voraussetzungen verwende. Ich habe eine Diva von Salvi Harps – für mich klanglich und visuell die Verkörperung der modernen Harfe; eine Style 23 von Lyon & Healy aus den 60er Jahren – ein butterweicher Klang wie ihn eine moderne Harfe gar nicht haben kann; und eine historische Doppelpedalharfe von Érard aus 1825 – die ist natürlich für Repertoire aus dem 19. Jahrhundert und eröffnet ganz andere Klangwelten.

klassik-begeistert: Sie können jetzt ein für alle Mal mit dem Harfen-Klischee schlechthin aufräumen, dass die Harfe ein Kitschinstrument sei. Warum stimmt das nicht?

Elisabeth Plank: Es kommt darauf an, wie man Harfe verwendet. Ich glaube, je älter ich werde, desto toleranter werde ich Kitsch gegenüber… solange er gut gemacht ist! Aber desto gefährlicher finde ich die Assoziation Harfe und Kitsch. Ich denke, nein ich hoffe nicht, dass die Musik von chimaera kitschig ist, oder dass die „Sequenza“ von Berio oder die Sonate von Hindemith irgendjemand kitschig findet. Aber dann programmiert jemand “La Source” von Hasselmans und das war’s dann. Harfe kann eben Kitsch wie kein anderes Instrument, aber man sollte sie nicht nur darauf reduzieren, denn dann verpasst man was.

klassik-begeistert:  So mancher scheint aber bei vollem Verstand Kitsch zu produzieren?

Elisabeth Plank: Viele Harfenistinnen verstecken sich natürlich hinter dem Kitsch, manchmal auch zu Lasten des Niveaus. Und das trägt dann dazu bei, dass dieses Klischee so bald nicht aussterben und gleichzeitig dem Ruf der Harfe geschadet wird. Das ist die eigentliche Problematik. Gerade deshalb finde ich auch zeitgenössische Musik auf der Harfe so spannend und wichtig.

klassik-begeistert: Welches Klischee stört Sie noch?

Elisabeth Plank: Die Frage: “Und in welchem Orchester spielen Sie?” Mich stört, wenn Leute glauben, dass Harfe außerhalb des Orchesters nicht existiert. Es ist ja hinlänglich bewiesen, dass dem nicht so ist.

Elisabeth Plank © Julia Wesely

klassik-begeistert: Das war’s  schon?

Elisabeth Plank:  Dann natürlich auch, dass Harfe ein Instrument für Frauen, und vor allem für zarte, ätherische Wesen ist. Das ist fast noch schlimmer. Denn nicht nur um eine Harfe zu transportieren, braucht man Kraft. Sondern auch um sie zu spielen. Die Gesamtspannung des Instrumentes umfasst mehr als eine Tonne! Damit da ein Klang rauskommt, der Säle füllt, oder man überhaupt als Solistin mit Orchester spielen kann, sind Muskeln nötig.

klassik-begeistert: Kennen Sie einen Harfen-Witz, den zu erzählen sich lohnt?

Elisabeth Plank: Warum ist die Harfe das Lieblingsinstrument der Bratschist*innen?  –  sie hat nur leere Saiten. Ob sich das jetzt gelohnt hat, weiß ich nicht, aber ich finde ihn süß!

klassik-begeistert: Danke, sehr gut…Mir fällt auch einer ein. Wie lange hält eine Harfe die Stimmung? Eine Viertelstunde oder bis jemand die Tür aufmacht… Stimmt das?

Elisabeth Plank: Ein Stück Wahrheit steckt drin! Ich sage immer, die Harfe ist ein sehr teures Hygrometer: je nach Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Besaitung und Alter des Instruments hält die Stimmung besser oder schlechter. Aber sehr viel von dieser Assoziation der verstimmten Harfe kommt noch aus der Zeit der unlackierten Darmsaiten und so schlimm ist es zum Glück nicht mehr.

klassik-begeistert: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Jörn Schmidt, 03. August 2025, für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Interview: kb im Gespräch mit Elisabeth Plank, Teil I klassik-begeistert.de, 2. August 2025

Interview: kb im Gespräch mit Avi Avital, Teil I klassik-begeistert.de, 8. Juli 2025

Interview: kb im Gespräch mit Avi Avital, Teil II klassik-begeistert.de, 9. Juli 2022

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