"Meine Inspiration kommt von Musik, Natur, Kunst und Geschichten von Menschen"

Interview: kb im Gespräch mit Yanjun Chen, Pianistin  Klassik-begeistert.de, 10. November 2025

Yanjun Chen © Brandon Wade

Yanjun Chen (23) studiert an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Ihre jüngsten Erfolge beim Van Cliburn International Piano Competition 2025 und ihr Sieg beim Santa Cecilia International Piano Competition brachten ihr große Anerkennung sowohl seitens des Publikums als auch der Kritiker, zum Beispiel von Gramophone, Dallas Morning News und YourClassical ein.

Als Solistin trat Yanjun Chen unter anderem mit dem Fort Worth Symphony Orchestra unter Carlos Miguel Prieto, dem Portugiesischen Philharmonischen Orchester, den Salzburger Kammersolisten und dem Orquestra Sinfónica Portuguesa auf. Ihre Auftritte führten sie an bedeutende Veranstaltungsorte wie die Bass Performance Hall und die Van Cliburn Concert Hall in Texas, die Casa da Música in Porto und die Salle Cortot in Paris. Zu ihren Festivalauftritten zählen Morningside Music Bridge, die Mozarteum Summer Academy, Chamber Lab, Wasserburger Sommerakademie und Prussia Cove.

Seit 2024 ist Yanjun Stipendiatin der Villa Musica. Sie arbeitet auch als Popsängerin mit Dieter Dierks und dem Gitarristen Uli Jon Roth (beide von der Rockband Scorpions) zusammen.  Ihre Aufnahmen findet man auf Apple Music Classical und Spotify.

Jolanta Łada-Zielke im Gespräch mit der Pianistin Yanjun Chen

klassik begeistert: Wann haben Sie mit dem Klavierspielen angefangen?

Yanjun Chen: Bereits im Alter von 5 Jahren. Mittlerweile habe ich auch eine Ausbildung als Sängerin gemacht, was hervorragend zusammenpasst. Diese Erfahrung hilft mir beim Klavierspielen, da viele Klaviermelodien aus dem Gesang stammen. Wenn mir ein Abschnitt pianistisch schwierig zu sein scheint, singe ich diese Phrase, und dann fällt es mir leichter, diese zu spielen.

klassik begeistert: Viele Pianisten schätzen unter den polnischen Komponisten Frédéric Chopin am meisten. Aber was halten Sie von Paderewskis Melodie von Miscellanea, die Sie im Konzert mit Krzysztof Michalski gespielt haben?

Yanjun Chen: Ja, mein Lieblingskomponist aus Polen ist Chopin. Ich finde jedoch die Melodie von Paderewski auch schön. Es fesselt das Publikum von der ersten Note an. Die Originalversion ist für Klavier, und die Präsenz von Cello ist hier sehr bereichernd.

klassik begeistert: Welche Menschen waren und sind für Sie wichtig in Ihrer bisherigen Karriere?

Yanjun Chen: Einen Großteil meines Erfolgs bei Wettbewerben verdanke ich meinen Lehrern, vor allem meinem derzeitigen Professor Arie Vardi. Er ist nicht nur ein Lehrer, sondern ein echter Lebensmentor und eine Quelle tiefer Inspiration. Durch ihn habe ich besser verstanden, dass Musik und Leben eins sind – eigentlich ist Musik das Leben.

Wenn ich mich mit einer Frage oder einem Moment des Zweifels konfrontiere, sei es in der Musik oder im Leben, finde ich die Antwort oft in meinem Unterricht bei Herrn Vardi, in seiner Herangehensweise an die Musik. Er hat mich nicht nur musikalisch, sondern auch mental und emotional auf Wettbewerbe vorbereitet und mir die Kraft und den Mut gegeben, mir selbst treu zu bleiben, selbst unter größtem Druck.

klassik begeistert: Wo finden Sie Ihre anderen Inspirationen?

Yanjun Chen: Diese kommt aus vielen Quellen – Musik, Natur, Kunst und den Geschichten der Menschen, denen ich begegne. All diese Dinge prägen meine Herangehensweise an das Klavier und meine Art, durch Klänge mit anderen in Verbindung zu treten. 

klassik begeistert: Manche sagen, dass Pianisten keine Kammermusik machen sollten, da dies ihre Entwicklung als Solisten behindern könnte. Stimmen Sie dem zu?

Yanjun Chen: Ganz und gar nicht! Durch das Spielen von Kammermusik habe ich sehr viel gelernt. Übrigens spielen großartige Musiker nicht nur solistisch. Die Aufführung der Kammermusik ist ein wichtiger Teil ihres Berufs und dient ihrer Weiterentwicklung.

Yanjun Chen nach dem Konzert mit dem Cellisten Krzysztof Michalski in der Laieszhalle am 25. Oktober 2025 © Austin Tan

klassik begeistert: Bei Ihrem Konzert in der Laieszhalle waren Sie und Krzysztof Michalski gleichberechtigte Partner?

Yanjun Chen: Welcher Solist in den Vordergrund tritt, hängt vom Programm ab, das ist im Großen und Ganzen eine gute Teamarbeit. In unserem Konzert in Hamburg waren die repräsentativsten Stücke beispielsweise die Sonaten von Poulenc und Rachmaninow. Beide Musiker sind in beiden Werken gleichermaßen wichtig.

klassik begeistert: Wählen Sie für Ihr Programm eher die „Hits“ der klassischen Musik aus, die die Menschen kennen und mögen, oder schmuggeln Sie auch weniger bekannte Stücke ein, die Sie dem Publikum näherbringen möchten?

Yanjun Chen: Es ist wirklich schön, große Hits zu spielen, die jeder kennt. Aber ich mache gerne Experimente. Als ich vor einigen Monaten in Amerika war, hatte ich die Gelegenheit, ein Programm mit weniger bekannten Stücken zu präsentieren. Abgesehen von den Konzerten habe ich während des diesjährigen Van Cliburn Klavierwettbewerbs in Fort Worth die Werke von Nicola Medtner und Dmitri Schostakowitsch gespielt. Dies hat sowohl online als auch offline große Aufmerksamkeit erregt.

klassik begeistert: Wie sind Ihre weiteren Pläne?

Yanjun Chen: Bald werde ich mit dem Philharmonischen Staatsorchester Mainz auftreten. Darüber hinaus habe ich mehrere Engagements, darunter Solokonzerte, Kammermusikkonzerte, Duoauftritte mit Sängern und Konzerte mit dem renommierten Cellisten Jens Peter Maintz. Auf dem Festival Klavierakademie “Feuerwerk” werde ich sowohl auftreten als auch in der Jury des während der Veranstaltung stattfindenden Wettbewerbs sitzen.

klassik begeistert: Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin!

Jolanta Łada-Zielke, 10. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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