Nikola Hillebrand: „Was mir immer wichtig sein wird, ist meine stimmliche Freiheit“ – Teil 1

Interview: Nicole Hacke im Interview mit Nikola Hillebrand  Teil 1 klassik-begeistert.de, 8. November 2023

Nikola Hillebrand © Miina Jung

Nach ihrem sensationellen Auftritt bei den Salzburger Festspielen im Sommer 2023 treffe ich die junge Sopranistin Nikola Hillebrand zu einem persönlichen Gespräch, in dem sie mir über das Festspielerlebnis, ihre Leidenschaft für den Liedgesang sowie derzeitige Rollen und zukünftige Projekte erzählt.

Enthusiastisch klingt es, wenn die charismatische Opernsängerin über ihren Werdegang berichtet, der in den vergangenen 10 Jahren bereits Meilensteine einer beeindruckenden Karriere aufzeigt. Jüngst bei der Schubertiade Schwarzenberg im Liedgesang gefeiert, freut sich die junge Künstlerin bereits auf ihr Debüt in Leonard Bernsteins Operette Candide am Theater an der Wien, wo sie die Kunigunde zum Jahresende 2023 darbieten wird.

Nicole Hacke im Interview mit Nikola Hillebrand – Teil 1

klassik-begeistert: Was macht die Salzburger Festspiele für Dich so besonders?

Nikola Hillebrand: Zum einen ist natürlich die Atmosphäre der Salzburger Festspiele einzigartig, obgleich ich dort ja schon vor 10 Jahren im Ensemble des “Young Singers Project” beim Sommernachtstraum debütiert und auch im letzten Jahr ein Konzert gegeben habe.

Die Salzburger Festspiele schaffen es immer wieder aufs Neue eine fantastisch hohe Qualität abzuliefern. Alle großen Künstler, wirklich alle kommen dorthin. Und dann diese Dichte an musikalischen Highlights in einer so verhältnismäßig kleinen Stadt. Das ist schon sehr speziell.

Wenn man Salzburg beispielsweise im Winter erlebt, ist das im Vergleich zum Sommer ein komplett anderes Gefühl. Im Sommer vibriert es dort. Alles ist so intensiv. An jeder Ecke findet irgendetwas statt. Und dann die Ehre zu haben, als Sängerin dort auftreten zu dürfen, ist etwas ganz Besonderes.

klassik-begeistert: Und auf welches Deiner beiden Mozart-Konzerte hast Du Dich am meisten gefreut?

Nikola Hillebrand: So wirklich kann ich mich zwischen den beiden Mozart-Projekten nicht entscheiden, weil sie doch beide sehr unterschiedlich waren. Das erste Konzert war ja ein geistliches Programm und mein zweiter Auftritt eine konzertante Aufführung einer Mozart-Serenata. Aber grundsätzlich kann man bei beiden Werken von einer unfassbar grandiosen Musik sprechen.

Und Mozart packt mich ehrlicherweise auch immer wieder. Und nicht nur das! Er überrascht mich auch stets aufs Neue, insbesondere wenn ich meine, dass ich beispielsweise die „Zauberflöte“ begriffen habe. Meistens ertappe ich mich dann dabei, dass ich von einem bereits bekannten Stück, das ich schon ganz oft gehört und gesungen habe, wieder komplett umgehauen werde.

Wie genial Mozarts Kompositionen sind und wie emotional und pur seine Musik ist. Ja, das Mozart-Repertoire ist für mich noch lange nicht ausgeschöpft.

Dennoch muss ich gestehen, dass für mich “Exultate, jubilate” das Highlight bei den Salzburger Festspielen war. Dieses Werk zu singen, war besonders. Und noch dazu in dem wunderschönen Konzertsaal des Mozarteums mit einem wirklich tollen Orchester und dem wahrhaft großartigen Dirigenten Roberto González-Monjas.

klassik-begeistert: Mir ging es aus Publikumssicht ähnlich. Ich war außerordentlich begeistert und habe mir die ganze Zeit gedacht: „Wie macht Sie das nur? Wie schafft Sie es, bei einem Konzert so zu brillieren?“

Muss man sich auf so ein Mozart-Repertoire anders vorbereiten? Und bedeutet das in der Vorbereitung auch im Vergleich zu anderen Fächern mehr Arbeit?

Nikola Hillebrand: Mehr Arbeit würde ich nicht sagen. Selbstverständlich muss man die Koloraturen tendenziell immer etwas mehr, beziehungsweise regelmäßiger üben, denn nur mit Kontinuität kommen sie dann wirklich ins Fließen. So zumindest funktioniert es bei mir. Ich muss tatsächlich an den Koloraturen arbeiten, was bedeutet, dass ich beim Einstudieren der Partie ganz langsam mit dem Metronom anfange und mich kontinuierlich auf ein schnelleres Tempo steigere. Und so mache ich das jeden Tag, bis ich mein Tempo erreicht habe.

“Exultate, jubilate” hatte ich bereits einige Male gesungen. Insofern musste ich das einfach nur wieder auffrischen. Ich vergleiche so ein „Auffrischen“ immer mit dem Bügeln. Wenn man beispielsweise aus Versehen eine Falte in ein Hemd gebügelt hat und sie wieder rausbügeln muss, ist das sehr schwierig. So ähnlich verhält es sich auch, wenn man wieder mit bekannten Stücken in Berührung kommt und es dann einfach stellen mit “hartnäckiger Faltenbildung” gibt, die man stimmlich wieder rausbügeln muss.

Aber zurück zu Deiner ursprünglichen Frage! Genau kann ich es auch nicht benennen. Ich denke, es war so eine Konstellation aus guter Vorbereitung und purer Freude. Hinzu kam, dass der Konzertsaal voll war und ich mich auch sehr ausgeruht und frisch gefühlt habe.

klassik-begeistert: Das hat man absolut gemerkt. Du hast unglaublich frisch gewirkt und dabei unglaublich gestrahlt. Aber sag mal, wie ist das mit dem Publikum? Muss ich mir das Salzburger Publikum irgendwie anspruchsvoller oder gar kritischer vorstellen?

Nikola Hillebrand: Nun ja. Die Salzburger Festspiele liefern einfach über seit Jahrzehnten so eine extrem hohe Qualität. Da glaube ich schon, dass die Leute, die nach Salzburg kommen, einen sehr hohen Anspruch an die musikalischen Darbietungen haben.

Das ist gar keine Frage. Aber abgesehen davon, glaube ich, dass das Publikum immer spürt, wenn etwas von Herzen kommt. Dann nämlich kann man mit seinen Zuhörern auch eine Verbindung herstellen. Und das ist, glaube ich, das Allerwichtigste, wobei das Publikum primär natürlich schon Qualität hören will. Und gerade bei Mozart.

Nikola Hillebrand © Miina Jung

klassik-begeistert: Genau über das Thema Emotionen und über die Relevanz diese ins Publikum zu transportieren, haben wir ja schon mal gesprochen. Und auch die damit einhergehende wechselseitige Resonanz, die doch ziemlich wichtig scheint?

Nikola Hillebrand: Absolut! Aber auch die Freude. Ich hatte so eine Freude und das schwappt dann irgendwie auch ins Publikum über.

klassik-begeistert: Tatsächlich hat es aus Dir gesanglich nur so herausgesprudelt. Was mich allerdings auch sehr neugierig gemacht hat – und da wechseln wir jetzt das Thema –0 ist Dein Werdegang, den ich mir auf Deiner Website einmal näher angeschaut habe. Von 2015 – 2023 sind dort all Deine beruflichen Erfolge pro Jahr skizziert worden, sodass man ganz klar die Highlights Deines bisherigen Karrierewegs erkennt.

Dabei habe ich mir die Frage gestellt, was diese Entwicklung, wenn Du einmal auf diesen Zeitstrahl zurückblickst, mit Dir macht und in Dir auslöst?

Nikola Hillebrand: Das ist ein interessanter Blickwinkel auf meinen Werdegang. Aber es stimmt natürlich, was Du mir gerade vor Augen führen willst. Dennoch denke ich immer, ich stehe noch am Anfang und jetzt geht es eigentlich erst mit meiner Karriere los.

Insofern muss ich mich tatsächlich manchmal daran erinnern, dass ich schon 10 Jahre auf der Bühne stehe. Und natürlich blickt man auf manche Sachen zurück und erinnert sich und denkt „Wow, da bin ich stolz drauf.“ Oder wie aufregend das war, als Einspringerin bei der konzertanten Fledermaus an der Seite von Jonas Kaufmann singen zu dürfen. Wenn mir das Video manchmal wieder in die Hände fällt, denke ich: „Stimmt! Das war ja ich!“ Und als Jugendliche hatte ich natürlich auch Träume und Wünsche und solche, die sich bisher noch nicht erfüllt haben, wobei ich nie so sehr darauf fixiert war, unbedingt an bestimmten Häusern singen zu müssen. Vielmehr geht es mir um den Prozess, um den Weg und das mir alles, was ich tue, Freude bereitet, ich mit tollen Kollegen auf der Bühne stehen und wirklich gute Musik machen darf.

Das ist für mich das Allerwichtigste. Allerdings hat sich kurz nach den Salzburger Festspielen dann doch ein lang gehegter Traum von mir erfüllt – und zwar mein Debüt bei der Schubertiade in Österreich. Das war tatsächlich immer so ein starker Wunsch, dort einmal singen zu können. Denn für Liedsänger ist die Schubertiade das Mekka. In dem Moment habe ich mich tatsächlich kurz einmal kneifen müssen. Das war auch so ein tolles Debüt. Und im nächsten Jahr bin ich auch wieder dabei, worüber ich mich sehr freue. Da bin ich schon sehr stolz, mir das erarbeitet zu haben.

klassik-begeistert: Hat es denn, mal ganz abgesehen von Deinen Träumen und Wünschen, jemals ein Bühnenerlebnis gegeben, das für Dich in unvergesslicher Erinnerung geblieben ist?

Nikola Hillebrand: Ja, da gibt es sehr viele unvergessliche Bühnenerlebnisse, von denen ich eigentlich gar keines so sehr herausstellen will. Aber ein ganz tolles Bühnenereignis hatte ich tatsächlich, als ich in Zürich in Richard Strauss Arabella als Zdenka eingesprungen bin. Und obgleich das ein Einspringer war, hat alles gepasst, angefangen vom Dirigenten über das Orchester, die Kollegen bis hin zum Publikum und deren Reaktionen.

Und aktuell bereiten wir gerade eine Figaro-Serie an der Semperoper vor, in der ich die Susanna singe. Auch das ist eine Partie, die man als Sopran unbedingt singen möchte. Für mich als Bühnentier ist diese Rolle sowieso ein Traum, weil ich quasi dreieinhalb Stunden non-stop auf der Bühne stehen darf. Zwar habe ich kurze Abgänge beim Kostümwechsel, aber ansonsten gleicht die Susanna eher einer Marathonpartie, die schon allein deswegen irrsinnig toll ist, weil man so viel Interaktion auf der Bühne hat. Bei der Entwicklung durch diese Oper ist es schon wichtig alle Sopranrollen zu nennen, von der Barbarina zu Susanne über die Gräfin zu Marcellina. Kurzum, es ist einfach so ein Geschenk mit einem Stück auf der Bühne zu stehen, bei dem man genau weiß, da hüpft einem das Herz vor Freude.

Diese Oper ist wirklich mein Favorit, obwohl ich natürlich auch sehr gerne im Rosenkavalier und in der Arabella spiele.

klassik-begeistert: Für die Rolle der Susanna haben sie Dich auch mit einem tollen Kostüm und einer ebenso opulenten Perücke ausstaffiert, wie man auf Instagram sehen konnte!

Nikola Hillebrand: Ja, das stimmt. Aber das ist nur eines der vielen Kostüme, die ich trage. Denn in dieser Produktion an der Semperoper durchleben die Protagonisten eine Zeitreise. Es beginnt alles mit der Commedia dell’arte und entwickelt sich im Laufe der Spieldauer über den Barock bis hin zur Gegenwart. Im finalen Akt stehen plötzlich alle nur noch im Pyjama auf der Bühne.

Nicole Hacke:  Ich danke dir sehr herzlich für das Gespräch.

Nicole Hacke (operaversum.de), 8. November 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Liebe Leser, wir laden Sie herzlich zum 2. Teil des Gesprächs mit Nikola Hillebrand am Donnerstag, 9. November 2023, hier auf klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at ein.

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