© Louis Erica
Im vierten und letzten Teil unseres großen Interviews mit Louis Lohraseb geht es um die wirklich wichtigen Dinge, und auch noch mal um Mozarts letztes Klavierkonzert.
Jörn Schmidt im Gespräch mit Louis Lohraseb – Teil 4
klassik-begeistert: Ihr Repertoire ist bereits jetzt überaus vielseitig, welche Rolle spielt da Mozart?
Louis Lohraseb: Wie Sie sehen, ist Mozart eine Säule meines musikalischen Fundaments. Ich bin dankbar für jede Gelegenheit, seine Werke zu dirigieren oder aufzuführen. Der Schatten, den er auf so viele meiner anderen Lieblingskomponisten wirft (Verdi, Tschaikowsky, Beethoven, Donizetti, Rachmaninow, Ravel, um nur einige zu nennen), ist enorm. Sein allgegenwärtiger Einfluss ist so anerkannt, dass man leicht vergisst, wie tiefgreifend er wirklich ist.
klassik-begeistert: Wie würden Sie Mozart und seine Musik Ihrer Tochter Ava beschreiben?
Louis Lohraseb: Während wir auf die Geburt unseres kleinen Wunders warteten, dachte ich lange darüber nach, welches Musikstück das erste sein würde, das sie auf dieser Welt hören würde. Es ist ein ziemlicher Zufall, dass Sie mich nach dem letzten Klavierkonzert gefragt haben, da ich genau den Mittelsatz dieses Stücks ausgewählt habe. Und damals wusste ich nicht genau warum, außer dass es sich wie die richtige Wahl anfühlte. Aber meine Antwort, die ich Ihnen gerade gegeben habe, verdeutlicht mir, warum ich eben diesen Mittelsatz gewählt habe: Es ehrt unsere Vergangenheit mit seiner zeitlosen Einfachheit und Schönheit, weist aber auch mit großen und hoffnungsvollen Augen in die Zukunft.
Fast unmittelbar nach Avas Geburt verbrachte ich einige Zeit allein mit ihr und spielte diesen Satz. Und obwohl sie nur wenige Minuten auf dieser Erde war, hörte sie die ganze Zeit zu, ohne zu weinen. Es war einer der ersten ganz gr0ßen, besonderen Momente, die wir teilten.
klassik-begeistert: Welche Wirkung hat Mozart auf Ava?
Louis Lohraseb: Mozart war schon vor ihrer Geburt ein Teil von Avas Leben. Meine Frau Erica sang gerade Zerlina in Zürich, als wir erfuhren, dass wir Ava bekommen würden. Dann sang Erica Pamina und nochmals Zerlina, während sie im zweiten und dritten Trimester war. Und als Ava geboren wurde, dirigierte ich Don Giovanni, und die erste Rolle, die Erica nach Avas Geburt sang, war Donna Anna. Jetzt habe ich gerade Nozze dirigiert und Erica wird in der nächsten Saison Fiordiligi in Los Angeles singen, sodass Ava weiterhin viel Mozart „ausgesetzt“ sein wird. Sie genießt es sehr, wenn Mama oder Papa proben oder üben.
Abgesehen davon ist es für Erica und mich am wichtigsten, dass Ava in einer herzlichen und liebevollen Familie aufwächst, wie wir beide das Glück hatten. Ich bin mit der wunderbarsten Frau gesegnet, deren immenses Gesangstalent nur ein Ausdruck ihrer großzügigen und liebevollen Seele ist. Bei Erica und mir sind Familie und Liebe das, was uns verbindet. Zufälligerweise genießen wir auch die Gabe, gemeinsam Musik zu machen, ungemein.
Jetzt, da wir unser kleines Bündel Freude haben, liegt unser Hauptaugenmerk darauf, für sie zu sorgen. Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, ohne wie ein typischer stolzer Vater zu klingen, aber unsere kleine Tochter inspiriert uns jeden Tag aufs Neue mit ihrer Persönlichkeit, ihrem Humor, ihrer Intelligenz und ihrer Einstellung zu Freundlichkeit und Glück. Musik wird einen großen Teil ihres Heranwachsens ausmachen, aber es wird unsere Pflicht sein, sie zu ermutigen, ihren eigenen Leidenschaften zu folgen, was auch immer diese sein mögen.
Ich war das erste Kind meiner Eltern, und trotz all der Ängste, die damit einhergehen, bin ich mir sicher, dass meine Mutter nie Angst davor hatte, so einen Anruf zu erhalten: „Entschuldigen Sie, Frau Lohraseb, aber bitte bitten Sie Louis, mit dem Opernsingen im Schulbus aufzuhören.“
Vielleicht ist es eine poetische Gerechtigkeit für mich, wenn ich eines Tages einen Anruf bekomme, der sagt: „Entschuldigen Sie, Herr Lohraseb, aber Ava hat in der Mittagspause wieder Wasserstoffperoxid mit Kaliumjodid gemischt, und dieses Mal müssen Sie für die Reinigung bezahlen.“
klassik-begeistert: Herzlichen Dank für das Gespräch!
Jörn Schmidt, 26. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Interview: Jörn Schmidt im Gespräch mit Louis Lohraseb – Teil 1 klassik-begeistert.de, 30. Mai 2024
Interview: Jörn Schmidt im Gespräch mit Louis Lohraseb – Teil 2 klassik-begeistert.de, 31. Mai 2024
Interview: Jörn Schmidt im Gespräch mit Louis Lohraseb – Teil 3 klassik-begeistert.de, 1. Juni 2024