Klassik AirLeben – das Rockkonzert in Leipzig

Klassik AirLeben, Gewandhausorchester, Susanna Mälkki  Leipzig 15./16.7.2022

Foto: Klassik airleben, Leipzig 2022, © Dr. Gerald Hofner

Open-Air Bühne in Leipzig, im Rosental, 15. und 16. Juli 2022

Ludwig van Beethoven, 3. Konzert für Klavier und Orchester c-Moll op. 37

Antonín Dvořák, 8. Sinfonie G-Dur op. 88

Gewandhausorchester
Susanna Mälkki, Dirigentin
Termin 15.7.22 mit Solist Igor Levit (Klavier)

von Gerald Hofner

Ein klassisches Open-Air-Konzert hat ja auch immer etwas von einem Rockkonzert. Weite Flächen, Monitore, elektronische Verstärkung, Bier- und Wurst-Buden und vor allem entspanntes Niederlassen des Publikums auf der großen Wiese zwischen tobenden Kindern unter dem Sternenhimmel. Ein Volksfest. So auch hier in Leipzig bei idealem Wetter. Und damit ist auch schon die Atmosphäre klar. Und auch etwas das Programm. Es musste zackig sein, ohne zu viel leise, an der Luft überhörbare Passagen. Und sommerlich. Und weil es das Gewandhausorchester war, und Susanna Mälkki, natürlich nicht ohne Anspruch an Programm und Interpretation.

Klassik airleben, Leipzig 2022, © Dr. Gerald Hofner

Die weltweit begehrte Finnin war um die musikalische Leitung des AirLebens 2022 gebeten worden, da Herbert Blomstedt, der Ehrendirigent des Gewandhausorchesters, aus gesundheitlichen Gründen verhindert war – fünf Tage nach seinem 95. Geburtstag. Es war Mälkkis Open-Air-Premiere und gleichzeitig mit 31.000 Zuhörern ihre bislang größte Live-Audience.


Der Abend, durch den Axel Brüggemann mit Witz führte, begann mit Beethovens c-Moll Klavierkonzert (Nr. 3). Natürlich con brio, wie man es von Igor Levit auch erwartet hatte. Hatte Mälkki den ersten Satz bereits überdurchschnittlich schnell begonnen, befeuerte ihn Levit mit seinem Einsatz weiter. Ein Rockkonzert eben – schon 1803 irgendwie und nun openair wieder so inszeniert. Die späte kontrapunktisch beginnende Kadenz, die in das Feuerwerk des Satzschlusses übergeht, ließen daran keinerlei Zweifel. Auch nicht der Unterhaltungswert Levits, der in den Klavierpausen immer wieder spitzbübisch mit dem Publikum interagierte.

Igor Levit ©Felix Broede

Dass es Igor Levit schafft, dennoch sensibel und konzentriert zu interpretieren, etwa im sensiblen und sehr viel langsameren 2. Satz (Largo), ist nicht die einzige Besonderheit des Pianisten. Vielleicht, weil ihm dieses Konzert wie auf den Leib geschnitten ist, sieht er ja selbst darin die „gigantische Prise Humor“ bei all der Abgeklärtheit und der Tragik der
c-Moll-Tonart. Kleinere Abstimmungsverzögerungen mit dem Orchester lagen wohl am Open-Air-Setting oder der technischen Verstärkung und taten dem Genuss keinerlei Abbruch. Levit in Spiellaune in jeder Hinsicht.

Klassik airleben, Leipzig 2022, © Dr. Gerald Hofner

Für den zweiten Programmpunkt hatte Mälkki Beethovens Pastorale ob der vielen ruhigen Passagen gegen die 8. Sinfonie Dvořáks ausgetauscht. Diese mitunter mitreißende Sinfonie startet aber ebenso im passenden ländlich-pastoralen Stil zwischen „Vogelgesang“ (Susanna Mälkki) und sinnlicher Tiefe.

Susanna Mälkki © Simon Fowler

Das Gewandhausorchester ging sowohl die ruhigen flächigen Passagen als auch das fröhliche Gezwitscher souverän und gewohnt schwingungsfähig mit. Die unkomplizierte Mälkki hatte zu dem unkomplizierten Orchester sofort Zugang gefunden. Immer öfters strahlten während der Sinfonie die Gesichter sowohl der Musiker als auch der Dirigentin. Ihr klares Dirigat tat der Spielfreude keinen Abbruch – am besten zu hören in den Walzern des dritten Satzes oder in den Variationen des Schlusssatzes. Das Slawische darin kam dem Völkchen auf der großen Wiese entgegen, das zu diesem Zeitpunkt das Picknick sicher bereits beendet hatte.

Die Auswahl der Interpreten war für das Setting eines musikalischen Sommerfestes definitiv ideal. Es ergab sich so ein rundum gelungener Abend voller Spiel- und Lebensfreude. Nicht zuletzt die wuselnden Kinder machten das Unkomplizierte perfekt.

Nach der Zusage des Hauptsponsors Porsche auch für das kommende Jahr bleibt nur noch, den Kalendereintrag für das AirLeben 2023 zu empfehlen, dem Gewandhausorchester eine erholsame Sommerpause zu wünschen, und der Ausnahmedirigentin Susanna Mälkki erfolgreiche Festivalwochen in Edinburgh und Luzern. Es war sicher nicht ihr letztes Auftreten mit dem Gewandhaus.

Dr. Gerald Hofner, 18. Juli 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Igor Levit, Klavier Orchestre de Paris Konzerthaus Dortmund, 29. Mai 2022

Susanna Mälkki, Andreas Haefliger, Wiener Symphoniker, Wiener Konzerthaus, 25. April 2019

CD-Rezension: Gewandhausorchester Leipzig Herbert Blomstedt  Dirigent, klassik-begeistert.de

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