Kommentar: Die Salzburger Osterfestspiele sortieren sich neu

Kommentar: Die Osterfestspiele sortieren sich neu  Salzburg, 1. April bis 10. April 2023

Kirill Petrenko, Berliner Philharmoniker Foto: © Monika Rittershaus

von Kirsten Liese

Das Jahr hat kaum begonnen, da folgt im Berliner Musikleben ein Paukenschlag auf den nächsten. Kaum gab Daniel Barenboim seinen Rücktritt als Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper bekannt, vermelden die Berliner Philharmoniker, dass sie 2026 Baden-Baden als Residenz ihrer Osterfestspiele verlassen – und nach Salzburg zurückkehren werden.

Die erste Ausgabe der neuen Salzburger Osterfestspiele ohne Christian Thielemann ist also noch nicht einmal über die Bühne gegangen, da entpuppt sich die von dem neuen Festspielintendanten Nikolaus Bachler angekündigte „Neuausrichtung“ mit wechselnden Spitzenorchestern und Dirigenten schon als Lug und Trug.

Nikolaus Bachler © Markus Jans

So naiv wird jedenfalls vermutlich kaum einer sein anzunehmen, die Berliner Philharmoniker hätten jetzt erst festgestellt, dass Salzburg das attraktivere Pflaster ist. Das Ganze war natürlich von langer Hand geplant, die halbe Kritikerwelt hatte diese Intrige gemutmaßt. Nur die Verantwortlichen waren unehrlich, Bachler dementierte weiland, die Berliner mit Petrenko nach Salzburg zurückholen zu wollen, Petrenko, der sicherlich nicht unerheblich an den Fäden zog, druckste blöd herum, wenn er darauf angesprochen wurde und spielte den Ahnungslosen. Für so dumm muss man das Publikum indes nicht verkaufen.

Dass die Berliner Philharmoniker in die international bedeutsamere, schönere Festspielstadt zurückwollen, lässt sich ja durchaus verstehen. Aber die Art und Weise, wie diese Rückkehr eingefädelt wurde, wirkt doch ziemlich mies.

Erstaunlich erscheint bei alledem die Selbstgewissheit, mit der das Orchester seine Festspielzukunft bekannt gibt. Als hätte es nicht 2013 handfeste Gründe dafür gegeben, dass die Berliner der Mozartstadt den Rücken gekehrt hatten, nachdem die Festspiele wirtschaftlich in eine tiefe Krise geraten waren. Ihr damaliger Chefdirigent Simon Rattle war als Zugpferd zu schwach, für ihn wollten zu wenige die hohen Kartenpreise des sich aus den eigenen Einnahmen finanzierenden Festivals zahlen. Aber anstatt sich mit den Gründen auseinanderzusetzen, zog man übereilt von dannen.

Und staunte wohl dann nicht schlecht, als es unter den Nachfolgern deutlich besser lief. Die Marke Thielemann verkaufte sich bestens. Er brachte das Festival wieder auf Vordermann, indem er es künstlerisch so stark aufrüstete wie zu Karajan-Zeiten, zudem erfreute sich der geniale Wagner- und Straussdirigent in Österreich großer Beliebtheit. Aus allen Himmelsrichtungen strömte da das Publikum herbei, die Auslastung stieg rasant an, an den hohen Preisen störte sich niemand.

Ob Petrenko als ein ebenso starkes Zugpferd taugt, muss sich erst noch erweisen. Zwar hatten Petrenko und Bachler als Doppelgespann im benachbarten München an der Bayerischen Staatsoper großen Erfolg, aber wird er sich eins zu eins auf Salzburg übertragen lassen?

Christian Thielemann genießt  beim österreichischen Publikum eine Popularität, die kaum zu toppen ist.

Schon so manches Mal hörte ich in Salzburg auf Pressekonferenzen der vergangenen Jahre  Kollegen, Musiker und Freunde der Festspiele angesichts ihrer Begeisterung über die Sächsische Staatskapelle und ihrem Chefdirigenten sagen, die Berliner Philharmoniker würden sie nicht vermissen. Harte Worte. Aber natürlich könnte es auch sein, dass das Publikum in drei Jahren ein ganz anderes sein wird.

Auf alle Fälle bleibt es spannend, wie sich die Festspiellandschaft neu sortiert. In Baden-Baden wird es dann womöglich gar keine Osterfestspiele mehr geben. Dagegen dürften die österlichen Berliner Festtage, denen bislang Daniel Barenboim als Künstlerischer Leiter vorstand, durch dessen Rücktritt als Generalmusikdirektor der Berliner Staatskapelle unweigerlich vor einer Neuerung stehen. Es wäre schon pikant, wenn Christian Thielemann sie 2026 als Barenboims Nachfolger neujustieren würde. Und sich zahlreiche Festspielgäste aus Salzburg dann aufmachen nach Berlin.

Kirsten Liese, 10. Januar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Salzburger Osterfestspiele 2023, Programm Salzburg, 17. März

Richard Wagner, Lohengrin, Osterfestspiele Salzburg 2022, Großes Festspielhaus, 18. April 2022

Anja Kampe, Stephen Gould, René Pape, Sächsische Staatskapelle Dresden, Christian Thielemann Osterfestspiele Salzburg, 31. Oktober 2021

13 Gedanken zu „Kommentar: Die Osterfestspiele sortieren sich neu
Salzburg, 1. April bis 10. April 2023“

  1. Das hat sich angebahnt. Bereits als Bachler in Salzburg engagiert wurde, hatten viele vermutet, dass damit auch das Gründungsorchester wieder zu den Osterfestspielen Salzburg zurückkehren könnte. Manche meinten, das sei sogar der Hauptgrund, weshalb man Bachler nach Salzburg geholt hat. Wegen seiner guten Verbindungen zu Petrenko und somit indirekt zu den Berliner Philharmonikern.

    Jürgen Pathy

  2. Ersten ist Herr Thielemann keineswegs in Österreich so beliebt, um nicht zu sagen: er ist ziemlich unbeliebt! Es gibt Fans, die ihm überall hin folgen (wohin eigentlich jetzt, da er alle Festanstellungen eingebüßt hat?), ansonsten rangiert er unter „bekannter Taktstockschwinger“, nicht mehr.
    Dass die Berliner nach Salzburg zurückkehren, war mit der Bestellung Bachlers keineswegs gewiss; es dauerte einige Zeit, bis das spruchreif war. Folgerichtig überbrücken 3 Jahre lang erstklassige Orchester mit erstklassigen Dirigenten die Zeit, bis das Ur-Orchester die Baden-Badener Verpflichtung los ist. Petrenkos Klasse ist unbestritten, nicht zuletzt war diese in München eindrucksvoll zu erleben.
    Was ist so schlimm daran, wenn man das Beste ergreift, wenn sich die Gelegenheit bietet?
    Waltraud Becker

    1. Sie stellen eine Behauptung auf, die Sie nicht belegen können. Thielemanns Beliebtheit in Wien ist allseits bekannt, wurde auch vielfach in der Presse aufgegriffen. Wer mehrfach wie ich Thielemann im Wiener Musikverein oder in der Wiener Staatsoper erlebt hat, kann sich ein Bild davon machen, wie ihn das Wiener Publikum emphatisch feiert. Die Wiener Philharmoniker lieben ihn bekanntlich auch, deshalb dirigiert er 2024 erneut das Neujahrskonzert und fiel die Wahl der Beethoven- und Brucknerzyklen auf ihn. Auch im Salzburger Festspielhaus fanden sich Heerscharen von Wienern ein.

      Wahr ist: Thielemann wurde in Salzburg rausgekantet, nur damit Herr Petrenko und die Berliner Philharmoniker dort Platz nehmen können.

      1. Tja, das ist wieder Typisch: Wien?!? Bitte, Wien ist nur ein Bruchteil von Österreich. In Salzburg braucht man Thielemann nicht und liebt in auch nicht, ausser die Wiener Fans pilgern dorthin…
        Wenn Thielemann bei einzelnen Gelegenheiten bejubelt wird, liegt das an seinem Kernrepertoire, das er beherrscht, und den Fans. Meine Live-Erlebnisse mit diesem Dirigenten waren zumindest zu 2/3 verzichtbar.
        Die Wiener Philharmoniker stehen hier nicht zur Debatte, sie schätzen außerdem Petrenko ebenso.
        Über die Politik des Neujahrskonzertes lasse ich mich hier lieber nicht aus. Das ist zu komplex und gehört nicht zu diesem Thema.
        Wer Petrenko in verschiedenem Repertoire erlebt hat, dem ist klar, dass er die beste Wahl, zuammen mit seinem Orchester, ist.
        Frage: Warum fliegt Thielemann überall raus: Dresden, Salzburg, Bayreuth, früher München… Ist doch schon bemerkenswert, oder?
        Wahr ist, dass er für die Osterfestspiele nichts mehr gebracht hat. Der letzte Lohengrin war der Tiefpunkt nach einer Reihe schwacher Opernproduktionen.

        Waltraud Becker

  3. In meinen Kommentar hat sich leider ein Fehler eingeschlichen. Leider ist es eben gerade WAHR, dass Thielemann in Salzburg rausgemobbt wurde, damit Herr Petrenko und die Berliner Philharmoniker einziehen können. Der Satz sollte beginnen mit: „Schlimm ist: Thielemann wurde….“

    Kirsten Liese

  4. So ein Unsinn – die Österreicher und Deutschen mögen Thielemann wohl, aber das Ausland sieht das ganz anders, ich lebe nicht in der EU; viele Besucher blieben weg, kaum eine Vorstellung war ausverkauft! Man sollte auch verstehen, dass so ein Wechsel wohl vorbereitet gehört und das Verlangen der großzügig spendenden Förderer nach Wechsel war groß – man wollte nach 10 Jahren CT etwas anderes – er war eben nicht das Zugpferd wie hier unrichtig geschrieben wurde!
    Anscheinend haben die Förderer scharenweise Salzburg den Rücken gekehrt!
    Nun gibt es endlich einen fähigen Intendanten nach dem völlig überbewerteten Ruzicka (diese Marionette wollte CT) und nach schmutzigen Intrigen dieser Herren plus die wieder einmal ahnungslose Pressse gelang der Coup! Mit Petrenko und Berlin kehrt das wohl spannendste Duo der Welt zurück! Thielemann mit den Italienern war extrem schwach, Covid hat noch mehr erspart, von den Konzerten war das Publikum nicht allzu oft begeistert! Dessen Kernrepertoire hat er selten dirigiert, Bruckner Strauss war anderswo billiger zu haben – Bravo Salzburg, Bravo Bachler und überhaupt Bravo Fördererverein, der das anscheinend mit einem passionierten, fähigen Chairman finanziert! So soll es sein und hoffentlich unterscheidet man sich von extrem schwächelnden Sommer, dort geht gar nichts mehr – ein alternder Jahrmarkt.

    Tim Jefferies

    1. Es tut mir sehr leid, aber Sie haben keine Ahnung oder wollen die Wahrheit absichtlich boykottieren.
      Ich habe für den Deutschlandfunk über jede von Thielemanns Festspielausgaben berichtet und jede Pressekonferenz im Hotel Sacher besucht. Die Wahrheit ist: Er schlug ein wie eine Bombe, die Auslastung wuchs auf 98% an und hatte damit eine Erfolgsbilanz, wie sie nicht besser sein kann. Im vergangenen Jahr glichen die Ovationen des Publikums einer Demonstration für Thielemanns Verbleib. Ich habe das Gefühl, Sie waren nicht einmal dort. Es muss nicht jeder ein Fan von Herrn Thielemann sein. Aber bei der Wahrheit sollte man bleiben!

      Kirsten Liese

    2. Danke für die klaren und vor allem zutreffenden Worte. Die Fangemeinde des Herrn Th. will es nicht wahrhaben, aber Salzburger Osterfestspiele ohne ihn werden wieder interessant.

      Waltraud Becker

  5. Le plan Bachler publié urbi et orbi en septembre 2019, comme la trouvaille du siècle, n’a trompé personne, en tout cas pas ceux qui ont suivi avec intérêt et passion, le festival de Pâques, sauvé de l’annulation ou la dégradation après la défection de Berlin au profit de Baden Baden. Berlin associé à HVK depuis les débuts du festival, quel orchestre, quelle figure marquante pouvait relever le défi ? Quel chef symphonique et d’opéra ? Ce fut une évidence! Salzburg a révélé une grande ingratitude en se prêtant à ce qui fut une intrigue secrètement élaborée, avec un but bien précis, qui n’a trompé personne, en tout cas pas celles et ceux qui ont goûté au festival qui n’avait rien perdu de son aura, de sa qualité haut de gamme, dont les prix n’ont horrifié personne. Berlin semble avoir perdu un peu la mémoire, et un peu de sa dignité, en faisant un moment un caprice, puis lorsque la gloire du lieu Salzburg est rétablie, vient se couler dans un lit au public à nouveau assuré. Que l’orchestre ne se trompe pas, tout le public n’est pas prompt à se plier à la manipulation, même cautionnée en haut lieu. Personnellement j’ai rayé désormais de mon carnet de route le festival de Pâques, comme ex-présidente d’association musicale (1996-2010) – que je ne cite pas, car je n’interviens pas à ce titre – une coïncidence existe dans le fait que je n’ai pas fréquenté l’opéra de Munich après le départ de Peter Jonas. Habitant à Annecy, 600 km de Munich, 700 km de Salzburg, je fais des choix dans la validité de tels déplacements.

    Chantal Lansard

  6. Hoffentlich dürfen die Berliner Philharmoniker bei der Programmauswahl Einfluss nehmen und müssen nicht nur als Marionetten agieren.
    Was wenn Herr Petrenko irgendwann nicht mehr bei den Philharmonikern ist?
    Das wird Herrn Bachler wahrscheinlich egal sein. Der ist dann schon weitergezogen. Auf Frühling folgt schließlich der Sommer. Und sein Chefdirigent wird ihm folgen.

    Corinna Harms

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