Demis Volpis Ballett „Krabat“ begeistert das Duisburger Premierenpublikum

Krabat, Ballett von Demis Volpi nach Ottfried Preussler  Ballett am Rhein, Theater Duisburg, Premiere 1. Juni 2024

Krabat © Ingo Schaefer

Großer anhaltender Jubel des Publikums und stehende Ovationen beendeten diese Premiere im Duisburger Theater. Ob Demis Volpi mit seinen Choreographien aber auch als neuer Hamburger Ballettintendant ebenso erfolgreich sein wird, scheint mir nach seinen bisher gesehenen Balletten Salome, Giselle und jetzt Krabat fraglich. Dafür wird bei ihm zu wenig getanzt.

Krabat
Ballett von Demis Volpi nach Ottfried Preussler

Bühne und Kostüme: Katharina Schlipf

Musik: Peteris Vasks, Philip Glass, Krzysztof Penderecki, Christoph Kirschfink

Musikalische Leitung: Katharina Müllner

Ballett am Rhein, Theater Duisburg, Premiere, 1. Juni 2024

von Dr. Ralf Wegner

Beim Publikum hatte Demis Volpis 2013 in Stuttgart uraufgeführtes Ballett über einen Zauberlehrling (Krabat: Miquel Martínez Pedro), der am Ende seinen Meister durch die Liebe Kantorkas besiegt und die Mitgesellen in die Freiheit führt, großen Erfolg. Ein beeindruckendes Bühnenbild mit hunderten an der Bühnenrückwand sowie an den Seitenwänden gestapelten Mehlsäcken und großartigen Rabenkostümen für die Müllergesellen bzw. Zauberlehrlinge (Bühne und Kostüme von Katharina Schlipf) trugen sicher zum Erfolg bei. Die Geschichte wurde recht gradlinig, aber ohne wesentliche tiefere Entwicklungsmöglichkeiten erzählt. Vor allem der erste Akt litt stärker unter Bewegungsakrobatik und zeigte zu wenig tänzerischen Ausdruck.

Mit anmutiger Linie, schönen Port de bras sowie sicherem Spitzenstand nahm allerdings Emilia Peredo Aguirre als Krabat liebende und ihn erlösende Kantorka für sich ein. Das zeigte sich nicht nur im Pas de deux mit Krabat im zweiten Akt, sondern vor allem im Schluss-Pas de deux mit dem Zaubermeister (Damián Torío). Wenn sie das Spielbein hochwarf, war es nicht nur tänzerischer Effekt, sondern als aggressive Abwehrhaltung choreographisch in die Handlung eingebunden.

Norma Magalhães (Worschula), Daniele Bonelli (Tonda), Emilia Peredo Aguirre (Die Kantorka), Miquel Martínez Pedro (Krabat), Damián Torío (Der Meister), Lara Delfino (Herr Gevatter), Elisabeth Vincenti (Pumphutt)  (Foto: RW)

Manche Wiederholung war wohl auch der Vorlage von Ottfried Preussler geschuldet. So die jeden der drei Akte vorangehende Anlockung eines neuen Lehrlings durch Gevatter und Meister, sowie, zumindest auch im zweiten Akt, das stark dem Bewegungstheater zuzuordnende Hantieren der Lehrlinge mit den Mehlsäcken. Ein choreographischer Mehrwert war dabei nicht ersichtlich. Ab und an wurde von den Tänzern auch gedreht und gesprungen, aber ohne dass dieses einem Handlungsfaden zuzuordnen, also choreographisch einleuchtend war (Beispiel: Solo vorn, zwei quer über die Bühne springende Tänzer hinten).

Das Theater Duisburg vom Duisburger Hof aus gesehen (Foto RW)

Ein weiteres, ebenfalls der Vorlage geschuldetes Manko ist, dass zwei Hauptpersonen, die für einen schönen Pas de deux verantwortlich zeigten (Daniele Bonelli als Tonda und Norma Magalhães als Worschula), bereits am Ende des ersten Aktes zu Tode kommen. Zudem blieb dem erst am Anfang des dritten Aktes auftauchenden, mit bemerkenswerter jugendlich-frecher Widerspenstigkeit dem Meister gegenüber tretenden Lehrling Lobosch (Pedro Maricato) kaum eine intensivere Entwicklungsmöglichkeit.

Zwei weitere Tänzerinnen stachen hervor: Die jedes Jahr eine Seele beanspruchende Teufelsgestalt, dargestellt von der Tänzerin Lara Delfino (Herr Gevatter) wie ein Lisa Mari-Double aus Tim Burtons Film Mars attacks. Hochbeschuht, in einem enganliegenden und sich zum Boden hin vegetabil weitenden, feuerroten Kleid, forderte sie, meist in Rückenansicht, allein mit dem Spiel ihrer Finger den ihr zustehenden Tribut ein. Weiterhin lieferte sich Elisabeth Vincenti als ehemaliger Zauberlehrling Pumphutt ein dem Musical Harry Potter vergleichbares Zauberduell.

Großer anhaltender Jubel des Publikums und stehende Ovationen beendeten diese Premiere im Duisburger Theater. Ob Demis Volpi mit seinen Choreographien aber auch als neuer Hamburger Ballettintendant ebenso erfolgreich sein wird, scheint mir nach den bisher von ihm gesehenen Balletten Salome, Giselle und jetzt Krabat schon fraglich. Dafür wird in seinen Balletten zu wenig getanzt und musicalähnlichen, weniger ausdrucksstarken Bewegungsmustern Raum gegeben. Möglicherweise wird mit dieser Art des Tanzes aber auch ein anderes Publikum ans Haus gebunden.

Demis Volpi, Direktor des Balletts am Rhein und demnächst Ballettintendant des Hamburg Ballett, nimmt den Beifall des Premierenpublikums entgegen (Foto RW)

Aus meiner Sicht ist aber nicht die Gefahr von der Hand zu weisen, dass der klassische, auch technisch anspruchsvolle Tanz im Sinne von z.B. Lew Iwanow und Marius Petipa in Hamburg zukünftig ins Hintertreffen geraten könnte. Von den vier großen, den Altmeistern und deren Anforderungen erfüllenden Neumeier-Choreographien Giselle, Schwanensee, Dornröschen und Nussknacker hat Volpi nur letzteres in das Programm seiner ersten Saison übernommen, dafür aber das deutlicher dem Bewegungstheater verpflichtete Ballett Jane Eyre von Cathy Marston.

Ist nicht die Pflege des klassischen Ballettrepertoires erforderlich, um das auch technisch hohe Niveau des Hamburg Balletts zu erhalten? Zumindest hat John Neumeier von seiner Truppe immer wieder klassischen Ballett-Tanz abgefordert, auch mit der Übernahme anderer Klassiker wie zuletzt Rudolf Nurejews Don Quixote aus Wien oder vor etlichen Jahren Ballette wie La Sylphide oder La Bajadère.

Aber warten wir es ab, der ersten Volpi-Saison werden ja weitere folgen.

Dr. Ralf Wegner, 2. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Programm des Hamburger Balletts in der Saison 2024/25 Staatsoper Hamburg, 18. März 2024

Giselle, Ballett von Demis Volpi Deutsche Oper am Rhein, 19. November 2023

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