Messeschlager Gisela, Foto: Jan Windszus
Ein Großteil der Rezensionen war positiv, selbst einige Überregionale. Es gibt nur noch Restkarten, wenn überhaupt. Die Komische Oper hat eine Zusatzvorstellung für den 6. Juli organisiert, einen Tag später ist Schluss.
Ich frage mich: Wieso ist „Messeschlager Gisela“ so erfolgreich? Dieses Stück ist doch nicht für die internationalen Gäste unserer Stadt gemacht, auch nicht für die Fußballfans der EM.
Messeschlager Gisela
Operette von Gerd Natschinski
Libretto von Jo Schulz
Uraufführung am 16. Oktober 1960 im Metropol-Theater Berlin
Komische Oper, Berlin, Zelt am Roten Rathaus, 25. Juni 2024
Musikalische Leitung: Adam Benzwi
Inszenierung: Axel Ranisch
Ein Protokoll des Abends von Ralf Krüger
Die Umgebung
Der Alexanderplatz und seine Ausläufer bis zum Roten Rathaus gehören schon längst nicht mehr zu den schönsten Orten der Stadt. Die Planer dieses Events haben es aber fertiggebracht, das Zelt, samt seines hoch herrschaftlichen Eingangsbereiches, so anzuordnen, dass es recht angenehm daherkommt. Der Blick geht in Richtung Neptunbrunnen und Marienkirche. Die kleinen Wasserspiele vor dem Fernsehturm sind nicht weit. Es gibt viele Bänke zum Verweilen.
Das Foyer
Viele Foyers in Theatern sind nicht so einladend wie dieses. Alles ist klein, aber fein angeordnet. Bar, Garderobe, Toiletten. Auf engstem Raum findet, wie immer an dieser Oper, auch hier eine Werkseinführung statt. Das Publikum lauscht interessiert, ist sommerlich gekleidet, schiebt sich gesittet zu seinen Plätzen, keiner rempelt. Völlig untypisch für Berlin.
Das Zelt
Was ist das hier? Kein Zirkuszelt! Viel vornehmer! Die Komische Oper spricht von einem „Art-Deco-Spiegelzelt“, namens „Queen of Flanders“. Chic! Die 8 Sitzreihen stehen nicht so eng beieinander. Die Lehnen der Stühle geben leicht nach, bequem für den Rücken. Es gibt einen Rang, oben wohl auch Stehplätze und die Akustik ist phänomenal.
Das Spiel findet auf einer drehbaren Rundbühne statt. Gesungen und getanzt wird auch in den Gängen, die zur Bühne führen, und überall wo Platz ist. Das Orchester mit Adam Benzwi thront oben – und das ist dann doch so, wie im Zirkus.
Die Handlung
„Melone“ oder „Modell Gisela“? Wir alle werden Zeugen eines eher untypischen Operetten-Duells.
Der Chef eines Modebetriebes will große Damen-Konfektion zur Leipziger Messe präsentieren. Er ahnt nicht, dass er sich dabei bis auf die Unterwäsche blamieren wird. Seine Belegschaft steht dagegen hinter dem Entwurf einer Kollegin. Einst als Näherin begonnen, entwickelte sie sich zu einer anerkannten Modegestalterin. Aber sie ist schüchtern, scheut die Öffentlichkeit und hadert mit der Liebe.
Thorsten Merten und Gisa Flake
Sie beide tragen das Duell, sind Betriebsdirektor Robert Kuckuck und Gisela Claus. Ihnen beiden wird ein glückliches Ende, gemäß des Genres, gegönnt, aber der Weg dahin gestaltet sich holprig und nicht immer absehbar. Das große Ensemble um die Protagonisten herum spielt so fröhlich und ausgelassen und hat Vokabeln der DDR-typischen Muttersprache so wunderbar verinnerlicht, dass ihnen die Lacher stets sicher waren. (Und ich wunderte mich, wie viele da lachten…)
Vorfreude aufs nächste Mal
Was ist das Besondere an Gerd Natschinskis Musik? Sie ist tanzbar und schwungvoll, sie ist ohrwurmverdächtig, sie erinnert mich an ein Zeitalter, in denen Radiosender in Ost und West noch Tanzorchestern eine Heimstatt gaben.
Dank der Komischen Oper werden endlich Musiktraditionen, wie diese, der Vergessenheit entrissen.
Laut Ankündigung des Hauses für die Spielzeit 2024/25 hat am 14. Juni 2025 „Mein Freund Bunbury“ Premiere.
Auch mit Natschinskis Musik, aber mit der Genrebezeichnung „Musical“.
Ich freue mich schon sehr drauf.
Ralf Krüger, 26. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sing mich um den Verstand! Operetten- und Musical-Revue Theater Lübeck, 29. Oktober 2022