M.G. Schiavo, R. Gatin, P. Spagnoli, D. Pieri © J. Berger-ORW Liège
Nino Rota war nicht nur ein begnadeter Filmmusiker. Auch auf dem Gebiet der Klassik war er sehr aktiv und schrieb sogar einige Opern. Seine bekannteste hiervon ist sicherlich “Il cappello di paglia di Firenze” (Der Florentiner Strohhut), eine musikalische Farce so spritzig wie die komischen Opern von Rossini, Donizetti, Offenbach und Mozart.
Die Oper in Lüttich spielt jetzt eine Produktion des Teatro Carlo Felice aus Genua inszeniert von Damiano Michieletto. Die Erzählung eines irrwitzigen Hochzeitstages begeistert das Publikum total.
Nino Rota (1911-1979)
IL CAPPELLO DI PAGLIA DI FIRENZE
Farsa musicale in vier Akte (Libretto von Nino Rota und Ernesta Rota Rinaldi)
Musikalische Leitung: Leonardo Sini
Orchester der Opéra Royal de Wallonie
Inszenierung: Damiano Michieletto
Bühne: Paolo Fantin
Kostüme: Silvia Aymonino
Lüttich, Opéra Royal de Wallonie, 16. November 2025
von Jean-Nico Schambourg
Schon bei den ersten Takten der Ouvertüre glaubt man eine Rossini-Oper zu hören. Aber nein, da klingen doch Donizetti und Mozart auch mit oder ist es doch Jacques Offenbach? Von allem und allen ein wenig! Plagiat? Nein, Nino Rota war der Meinung, dass man gute Musik auch anderswo zitieren soll, weil sie es einfach wert ist gespielt zu werden. Die Andeutungen an die Werke großer Komponisten geschieht bei ihm mit einem Augenzwinkern.
Seine Oper vom Florentiner Strohhut ist nicht einfach ein Pasticcio, das er aus den Werken anderer Komponisten hervorgezaubert hat! Er entwickelte seinen eigenen Kompositionsstil, aus dem man auch den Filmkomponisten heraushört.
Kleine Randnotiz zum Thema Plagiat: Rotas Musik zu Francis Ford Coppolas Film “The Godfather” (Der Pate) war 1973 für die Oscarverleihung nominiert, wurde aber von der Liste gestrichen wegen des Vorwurfes des Plagiats. Rota hatte sich selbst kopiert, mit Teilen aus einem Film aus dem Jahre 1958. Seine Musik zum 2. Teil der Mafia-Saga wurde 1975 mit dem Oscar ausgezeichnet.
Das Libretto hat Nino Rota zusammen mit seiner Mutter Ernesta Rota Rinaldi verfasst nach dem Vaudeville “Un chapeau de paille d’Italie” (1851) von Eugène Labiche. Wie in Mozarts “Nozze di Figaro” handelt es sich um einen verrückten Hochzeitstag. Die Geschichte der Farsa erzählt die Abenteuer von Fadinard an seinem Hochzeitstag mit Elena.
Am Morgen hat sein Pferd den Florentinischen Strohhut einer Dame, Anaide, aufgefressen, die in einem Pariser Park ein Techtelmechtel mit ihrem Liebhaber Emilio hatte. Da Anaide verheiratet ist und die Wut ihres Ehemanns fürchtet, wird Fadinard von Emilio unter Androhung von Gewalt gezwungen, einen neuen Florentiner Strohhut zu besorgen, währenddessen das Liebespaar sich in Fadinards Wohnung versteckt.
Der arme Fadinard macht sich somit quer durch Paris auf die Suche einer Kopie des Hutes, andauernd verfolgt von der Hochzeitsgesellschaft und seinem Schwiegervater Nonancourt, der der Vermählung seiner Tochter mit Fadinard nicht gewogen ist. Bei jeder Begegnung mit seinem angehenden Schwiegersohn wirft er diesem als Erstes die Worte “Tutto a monte!” (“Alles stromaufwärts” im Sinne von “Alles vorbei”) an den Kopf.
Eine Modistin schickt den gestressten Bräutigam zur Baronessa di Champigny, der sie eine Kopie des Hutes angefertigt hat. Diese glaubt in Fadinard den zum Galaempfang erwarteten Geigenvirtuosen Minardi zu begrüßen. Die ihm folgende Hochzeitsgesellschaft glaubt sich beim Hochzeitsessen. Fadinard nutzt die Verwechslung mit dem Violinisten aus und bittet die Baronessa um den Hut als Andenken. Allerdings hat diese das Objekt der Begierde an ihre Nichte Frau Beaupertuis verschenkt.

Fadinard macht sich gleich auf zum Haus von Frau Beaupertuis nichtsahnend, dass es sich hierbei um dasjenige von Anaide und ihrem eifersüchtigen Mann handelt. Wie immer wird er dabei verfolgt von der Hochzeitsgesellschaft, die glaubt hier das Liebesnest für die Hochzeitsnacht vorzufinden. Fadinard durchwühlt das Haus von Beaupertuis ohne Erfolg. Dieser ist jetzt sicher den definitiven Beweis zu haben, dass seine Frau ihn betrügt und zwingt Fadinard ihm zu verraten, wo Anaide sich versteckt.
Alle treffen sich vor Fadinards Haus wieder. Nonancourt erklärt die Ehe für gescheitert und verlangt, dass die Hochzeitsgäste ihre Geschenke zurückbekommen. Auch der halbtaube Onkel Vézinet will die Kiste mit seinem Geschenk zurück: einem Florentiner Strohhut. Somit ist alles gerettet. Noch ehe der eifersüchtige Beaupertuis auftaucht, kann Anaide den Hut aufsetzen und ihren Ehemann zurechtweisen für seine, doch absolut unbegründete Eifersucht.
Damiano Michieletto hat in seiner Inszenierung das gemacht, was Regisseure eigentlich immer tun sollten: Er lässt die Geschichte sich selbst erzählen, ohne dieser irgendwelche persönlichen Botschaften aufzuzwingen. Er belässt die verschiedenen Figuren bei ihren stereotypischen Charakterzügen, die Rota ihnen zugedacht hat und die die Komödie hier schließlich ausmachen.
Michielettos Inszenierung ergibt einen Handlungsablauf dieses irrwitzigen Hochzeitstages, der nie ins Stocken gerät. Dabei ist ihm das Bühnenbild von Paolo Fantin sehr behilflich: Acht weiße Wände mit jeweils zwei Türen lassen sich beliebig schnell verschieben und bilden so die verschiedene Handlungsorte. Feierliche Kostüme für die Hochzeitsgesellschaft, extravagante Kleidung für die Violinisten-Gala, sowie typische Berufskleidung für Modistinnen, Polizisten und andere Berufen (Silvia Aymonino) runden das gelungene Bild ab.
Das Konzept des Regieteams passt total zum musikalischen Rhythmus des Werkes. Dieser wird vom Dirigenten Leonardo Sini vorgegeben, der Bühne und Orchestergraben mit dem richtigen Gespür für die Partitur durch den Abend leitet. Das Orchester der Opéra Royal de Wallonie versprüht dabei viel Spielfreude, klingt leicht, aber trotzdem mit viel Tiefe in den komisch-dramatischen Passagen. Diese Leichtigkeit verspürt man auch beim Chor (Leitung: Denis Segond), der den ganzen Abend den armen Bräutigam durch ganz Paris verfolgt.

Dieser wird gesungen von Ruzil Gatin, der die Rolle des Fadinards mit beweglichem und höhensicherem Tenor singt. Pietro Spagnoli gibt mit viel Spielwitz und guter Stimme den Schwiegervater Nonancourt. Die Auftritte seiner Tochter Elena sind zwar nur sporadisch, doch am Schluss kann sich Maria Grazia Schiavo mit perfekten Koloraturen à la Bel Canto auszeichnen.
Mit viel Erotik in der Stimme gestaltet Josy Santos die Baronessa di Champigny und verpasst ihr dazu noch einen guten Schuss Blasiertheit der “besseren Gesellschaft”.
Die Arie des Beaupertuis wird von Marcello Rosiello mit dunkler Stimme und viel komischer Dramatik vorgetragen. Seine Frau Anaide wird mit einem Schuss Pikanterie in der Stimme von Elena Galitskaya gesungen.
Elisa Verzier liefert auch stimmlich ein tolles Portrait der strengen Modistin, während Blagoj Nacoski vor allem in der Rolle des Polizisten imponiert.
Rodion Pogossov als der etwas steife Liebhaber Emilio, Didier Pieri als halbtauber Onkel Vézinet, sowie alle anderen passen perfekt in das szenische und musikalische Bild dieser erheiternden Aufführung.
Die Zuschauer, von denen bestimmt der größte Teil dieses Werk von Nino Rota vorher nicht kannten, bedankten sich mit begeistertem Applaus für diese unterhaltsame Aufführung.
Jean-Nico Schambourg, 17. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at