Berlin: Stefanie Dietrich gelingt ein glamouröser Neustart von „Prinzess Rosine“

Prinzess Rosine,  Operette von Paul Lincke  Theater im Palais Berlin, 7. Juni 2025

Prinzess Rosine © Ildiko Bognar

In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts genügt es dem geneigten Operetten-Publikum sich in die märchenhafte Welt eines Schlaraffenlandes entführen zu lassen. In das Reich einer Prinzessin, die alle 100 Jahre einen urigen Berliner erwartet, der um ihre Hand anhält.

Heute braucht es große Regie-Einfälle und ausdrucksstarke Künstler, die so einem alten Werk die nötige Aufmerksamkeit verschaffen und uns kulturverwöhnte Seelen in die Theatersessel lockt.

Ein kleines, unscheinbares Theater in der Mitte Berlins hat das vollbracht!

PRINZESS ROSINE

Operette von Paul Lincke (Musik) und Heinrich Bolten-Baeckers (Libretto)
Uraufführung im November 1905 im Apollo-Theater Berlin

Neuinszenierung im Theater im Palais Berlin
von Stefanie Dietrich (Idee, Konzept und Fassung)
und Fabian Gerhardt (Fassung und Regie)

Kostüme und Bühne: Stephan Bolz

Musikalische Leitung: Markus Zugehör

Premiere, 1. März 2025

Theater im Palais Berlin, 7. Juni 2025

von Ralf Krüger

Wenn ich eines in den 10 Jahren der Barrie-Kosky-Operetten in Berlin gelernt habe, dann dies: Wichtig allein ist die Inszenierung. Das Libretto ist den meisten von uns unbekannt und völlig egal. Nur allein, was die Dramaturgen, das Ensemble und letztlich der Regisseur aus dem Stoff machen, entscheidet über Erfolg oder Nichterfolg. Nur ihre zündenden Ideen, ihre tollkühnen Einfälle und ihre Liebe zum Werk sind entscheidend!

Im Theater im Palais Berlin waren es Stefanie Dietrich und Fabian Gerhardt, die entschieden haben, dem dürftigen Original eine neue Rahmenhandlung zu geben: Auf einem Kreuzfahrtschiff soll eine Theatertruppe Prinzess Rosine aufführen. Vielversprechend angekündigt als Große Operette mit Luftballett. Doch wegen der grassierenden Seekrankheit und einem Flugzeugabsturz mit der kompletten Luftballett-Truppe, müsste alles ausfallen. Doch Frau Meier, eine Soubrette, wie sie im Buche steht, und ihre so männlich wirkende Tochter wollen retten, was zu retten ist. Sie geben Prinzess Rosine als Zweipersonenstück.

Prinzess Rosine © Ildiko Bognar

Eine Art riesengroßer Hula-Hoop-Reifen in vertikaler Ausrichtung trennt im Hintergrund der Bühne symbolisch die reale Welt von der des Schlaraffenlandes. Hier schlüpfen beide Schauspieler unzählige Male hindurch, sind dabei manchmal noch beim Kostümwechsel, oft schon in ihren Monologen vertieft oder in rasanten Wortwechseln mit dem Partner. Es passiert häufig, dass mitten im Satz die Handlung wechselt. Die Mutter-Tochter-Gespräche auf dem Kreuzfahrtschiff dominieren mehr und mehr das Geschehen auf der Bühne und das „Gespielte“ rund um die Hochzeit der Prinzessin wird in den Hintergrund gedrängt. Obwohl doch Meik van Severen eine so bemerkenswerte, hoch gewachsene, irre frisierte und dominante Prinzess Rosine spielen darf.

Im Vorfeld dieses Theaterbesuchs habe ich versucht, mehr Informationen zu diesem Werk im Internet zu recherchieren, da die Website des Theaters nichts Tiefgreifendes über seine Entstehungsgeschichte zu berichten hatte. Prinzess Rosine wird zwar in den Werksverzeichnissen des Komponisten Paul Lincke, als auch seines Librettisten Heinrich Bolten-Baeckers geführt, glücklicherweise auch in der Aufführungschronik des Berliner Apollo-Theaters, aber vom Inhalt her ist so gut wie nichts überliefert.

Es gibt Bilder von einem „Handschriftlichen Textbuch in 3 Bänden zu Prinzess Rosine“ (Deutsche Digitale Bibliothek) und das schöne Bild einer Musikwalze mit dem Lied Rosen, Tulpen, Nelken, aufgenommen 1905 mit der Sängerin Else Cramer (Stadtmuseum Berlin). Somit ist zu vermuten, dass diese Operette bei weitem nicht an die Popularität der Frau Luna herangekommen ist und in früheren Zeiten selten bis gar nicht gespielt wurde.

Prinzess Rosine © Ildiko Bognar

Und so hat die Geschichte der Prinzessin, die in ihrem Reich gerade 100 Jahre auf einen neuen Liebhaber gewartet hat und zu ihrer Überraschung diesmal sogar zwischen zwei Berliner Jungs wählen darf, einen guten Neustart hingelegt. In einer Fassung, die es so noch nie gab. Stefanie Dietrich und Meik van Severen haben wir es zu verdanken, dass sie uns jungen und alten Operetten-Freunden einen goldigen, entzückenden Abend gezaubert haben. In der Tradition großer Operettenaufführungen, mit Glamour-Vorhang und bestens ausgeleuchteter Bühne, mit den schrillsten und spaßigsten Kostümen, die man sich vorstellen kann, aber insgesamt den Gegebenheiten des Theaters angepasst, als „Ausstattungsspaß im Taschenformat“ inszeniert.

Markus Zugehör am Klavier hat kein Best-of der Paul-Lincke-Hits zusammengestellt. Die meisten Lieder sind kaum bekannt und es ist erstaunlich, was die Archive noch an Liedgut bereithalten. Zum Schluss singt Stefanie Dietrich konzentriert und kraftvoll, einer Operetten-Diva gleich, am rechten Bühnenrand den einzigen Hit des Abends: Es war einmal.

In der Mitte der Bühne betätigt sich Meik van Severen derweil artistisch. Das englische Wort einer Performance bringt es ganz gut auf den Punkt, was er da tut. Aber um zukünftigen Gästen des Theaters diesen großen Spaß nicht zu nehmen, wird er hier nicht verraten. Der Schauspieler und Sänger krönt damit die 2 Stunden seines (für mich) unvergessenen Auftritts. Er und seine Bühnenpartnerin haben zusammen rund 10 verschiedene Rollen gespielt und außerdem bewiesen, dass die deutsche Sprache an Wortwitz und der Möglichkeit in Reimen zu sprechen unschlagbar ist.

Ralf Krüger, 8. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Weitere Vorstellungen von Prinzess Rosine im Theater im Palais finden am 20. August und 5. September 2025 jeweils um 19:30 Uhr und am 21. September 2025 um 16:00 Uhr statt.

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