BRSO Muti © Severin Vogl
Joseph Haydn: Te Deum für Chor, Orchester und Orgel C-Dur
Franz Schubert: Messe Nr. 2 G-Dur für Soli, Chor, Orchester und Orgel, D 167
Richard Strauss: „Aus Italien“. Sinfonische Fantasie für großes Orchester G-Dur, op. 16
Siobhan Stagg Sopran
Isarphilharmonie, München, 1. Juni 2024
von Kirsten Liese
Mit nur wenigen Klangkörpern verbindet Riccardo Muti eine so lange, kontinuierliche und freundschaftliche Zusammenarbeit wie mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das er seit über 40 Jahren dirigiert. Eine so lange Zeit können nur noch die Wiener Philharmoniker toppen, die mit dem Maestro seit über einem halben Jahrhundert zusammenwirken.
Die gegenseitige Wertschätzung zwischen Dirigent und Musikern vermittelte sich an dem von mir besuchten letzten Abend schon kurz vor dem Konzert hinter der Bühne, als Hornist Ralf Springmann auf den Maestro zukam, um sich nach 40 wunderbaren Jahren gemeinsamen Musizierens zu verabschieden. Dieses Konzert, sagte er voller Dankbarkeit, sei sein letztes unter Mutis Leitung, er gehe nun in den Ruhestand. Ein Moment zarter Wehmut, der den Maestro sichtlich berührte.
Im Konzert selbst ließ sich dann erleben, wie Muti, das Orchester und der Chor des Bayerischen Rundfunks, den Muti zurecht einen der besten Chöre der Welt nennt, zu einer Einheit wurden, es der legendäre Dirigent verstand, alle Mitwirkenden auf einen Herzschlag zu bringen.
Mit sparsamen Bewegungen lässt er Joseph Haydns feierliches Te Deum in majestätischer Pracht erstrahlen. Und Muti wäre nicht Muti, wenn er sich selbst bei einem so kurzen Stück nicht akribisch an die vorgegebene Besetzung halten würde. Wenn die Isarphilharmonie keine Orgel hergibt, muss eben eine Truhenorgel her, auch wenn die freilich nicht mit dem opulenten Klang der großen Silberorgel, Königin der Instrumente, konkurrieren kann. Umso größeren Glanz verlieh der von Peter Dijkstra blendend einstudierte Chor dem Gotteslob mit seiner runden, warmen Tongebung, und in den leiseren Strecken dazwischen legte er eine Sanftmut an den Tag, wie man sie bei Chören selten erlebt.
Jedenfalls wurde hier wie auch bei der anschließenden G-Dur-Messe von Schubert bewusst, was für eine beglückende Wirkung solche kürzeren Oratorien entfalten können, die sich leider viel zu selten erleben lassen. Dies vor allem dann, wenn wie an diesem Abend bei exzellenter Textverständlichkeit derart empfindsam im denkbar schönsten dolcissimo gesungen wird – in Zeiten, in dem die lauten Töne zunehmend überwiegen.
Mit der australischen Sopranistin Siobhan Stagg empfahl sich in der Schubert-Messe zudem eine Solistin mit einem betörend schönen Timbre, die ihre Spitzentöne im Kyrie, Benedictus und Agnus Dei mit kristalliner Klarheit zum Leuchten brachte. Und damit den hohen Erwartungen an eine Sängerin entsprach, die weiland schon Christa Ludwig als eine der „schönsten Stimmen“ würdigte, die „sie je gehört“ habe. Julian Prégardien und Vito Priante sangen ihre weniger gewichtigen Parts in dem ungewöhnlichen Ensemble von nur drei Solisten sehr kultiviert und mit der gebotenen Zurückhaltung.
Seinem Anspruch, mit diesem Konzert ausgehend von der Bitte „Gib uns Frieden“ im Agnus Dei ein Zeichen für den Frieden zu setzen, den es in unserer Zeit so dringend braucht, könnte Muti kaum mehr Rechnung tragen.
Die sinfonische Fantasie „Aus Italien“ durfte ich vor wenigen Monaten schon einmal mit dem Chicago Symphony unter Muti erleben. Und je öfter ich dieses ebenfalls etwas unterschätzte, selten gebotene Werk hören darf, das Strauss im Alter von nur 22 Jahren schrieb, desto mehr entdecke ich darin herrlichste schwärmerische Melodien wie vor allem in dem Andante Auf der Campagna sowie prägnante Rhythmen wie zu Beginn von Roms Ruinen und typische Strauss’sche Wendungen. Nicht zu vergessen die geniale Instrumentation, die mit fein gesponnenen, silbrigen Harfenklängen und turbulenten unruhigen Passagen an spätere Opern wie den Rosenkavalier erinnern.
Dies freilich vor allem dank Mutis subtiler Dynamisierung und nuancenreicher Farbgebung. Nur dass Strauss in diese Komposition keine Stilkopien von Mozart und Johann Strauß einbrachte, dafür aber Luigi Denzas populäres Lied Funiculì funiculà im finalen Neapolitanischen Volksleben. Ein gewisser Schmiss durfte da nicht fehlen. Und den Strand, den es in Sorrent freilich gar nicht gibt, den Strauss mit seiner romantischen Poesie heraufbeschwört, entwarf wohl jeder für sich, inspiriert von der Musik, mit viel Fantasie vor dem inneren Auge.
Das Publikum jedenfalls feierte den Maestro, dessen Konzerte in München längst Kult sind wie einst die Auftritte Sergiu Celibidaches mit den Münchner Philharmonikern, und der hoffentlich bald ans Pult dieses Orchesters zurückkehren wird, mit Ovationen.
Kirsten Liese, 2. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
„Jedenfalls wurde hier wie auch bei der anschließenden G-Dur-Messe von Schubert bewusst, was für eine beglückende Wirkung solche kürzeren Oratorien entfalten können…“. Hierzu kann ich nur anmerken eine Messe ist eine Messe und ein Oratorium ist ein Oratorium.
Prof. Karl Rathgeber