Die Walküre / 1. Akt: Stuart Skelton, Eva Maria Westbroek, Günther Groissböck. Foto: Ken Howard / Metopera
The Metropolitan Opera, New York
Richard Wagner, Der Ring des Nibelungen
Das Rheingold (29. April 2019) und Die Walküre (30. April 2019)
Wiederaufnahme und Neueinstudierung von Robert Lepages Inszenierung
Wir haben uns nach Gotham City aufgemacht, um die legendäre Inszenierung einmal direkt zu begutachten. Mit gut (auch szenisch!) einstudierten Darstellern wirklich ein großer Genuß!
von Petra und Helmut Huber (www.onlinemerker.com)
Tomasz Konieczny (Alberich), Norbert Ernst (Loge). Foto: Ken Howard/Metopera
Für ein paar Sekunden herrscht wirklich komplette Finsternis in der heiligen Halle an der Lincoln Plaza, während Philippe Jordan unfallfrei seinen Weg zum Pult findet – kein Auftrittsapplaus soll die Sammlung vor den mythischen Rheinklängen stören (Claus Peymann hätte Freudentränen in den Augen gehabt).
Die unglaubliche Bühnenmaschine (Carl Fillion – samt ebenso hochgestochenen Projektionsfantasien von Boris Firquet, Licht Etienne Boucher), die das Herzstück der Inszenierung bildet, hat gleich einmal einen ebenso stimmungs- wie eindrucksvollen Auftritt: Die quicklebendigen und stimmlich sehr gut disponierten Rheintöchter (Amanda Woodbury, Samantha Hankey und Tamara Mumford) verwedeln mit ihren Schwanzflossen den Sand am Flußgrund und produzieren beim Gesang Luftbläschen. Noch wirkt das verspielt, aber das – bislang technisch makellos und lautlos agierende – Werkl kann natürlich auch ganz anders…!
Tomasz Koniecznys Alberich ist stimmlich und auch in der Diktion großartig, und seine Verbissenheit, mit der er zuerst den Nickern und dann dem Gold nachstellt, einfach köstlich. Natürlich ist Michael Volle als Göttervater sein mindestens adäquater Gegenspieler, der nicht nur im dritten Akt der „Walküre“ den Saal beherrscht und bewegt. Fricka (Jamie Barton) kann ihn nicht immer ganz herausfordern, wirkt im „Rheingold“ stimmlich mitunter angestrengter als die ausgesprochen samtig auftretende Freya von Wendy Bryn Harmer.
Norbert Ernst feiert als Loge sein Met-Debüt und kassiert für seine sängerisch wie als Schauspieler (und auch körperlich) anspruchsvolle und überzeugende Leistung als komplexer Ränkeschmied Jubel des Publikums. Günther Groissböck ist ein prachtvoll fundierter Fasolt und Hunding, dessen Drohung für den nächsten Morgen Gänsehaut macht. Fafner Dimitry Belosselskiy liegt da einen Tick dahinter (aber auf so hohem Niveau jammern zu können ist eigentlich schön…).
Erda haben wir schon dämonischer erlebt als hier von Karen Cargill.
Gerhard Siegel liefert in Nibelheim schon eine mitreißende Gestaltung des Mime und erregt Vorfreude auf den „Siegfried“-Abend.
Die Walküre / 1. Akt: Stuart Skelton, Eva Maria Westbroek, Günther Groissböck. Foto: Ken Howard/ Metopera
Brünnhilde Christine Goerkes erstes Hojotoho! kommt noch etwas verhalten, dann aber trifft sie das wilde, unbekümmerte Mädel, Vatis Liebling und schließlich die verzweifelt im tiefen Konflikt notgedrungen Abtrünnige hervorragend in Darstellung und Stimme, der man höchstens dann und wann einen Hauch von kehliger Färbung ankreiden könnte – aber sie ist, auch stimmlich, ein Energiebündel, das absolut rollendeckend den Abend mitdominiert. Der bunte Haufen der „anderen acht“ Walküren hatte und bereitete in Gesang und Gestaltung ebensolche Freude.
Siegmund Stuart Skeltons baritonal fundierter Tenor ist im zweiten Walkürenakt in seinem Element, die „Wälse!“-Rufe dürften aber die Wände von Hundings Hütte nicht wirklich durchdrungen haben (gut, Wotan erscheint daraufhin eh nicht). Aber der Lenz erblüht in seiner Kehle in perfekter Lyrik. Weniger als die Mehrheit des Publikums einverstanden waren wir mit Eva–Maria Westbroeks Sieglinde: betontes Vibrato, stimmlich eher Typ schwere klassische Wagner-Heroine, nicht das schlecht verheiratete junge Wälsenmädel – unter all den natürlichen sonstigen Rollenbildern ein Fremdkörper.
Einen durchaus interessanten und unterhaltsamen Kontrast bilden die „konservativen“ Kostüme (Francois St–Aubin) mit dem hochtechnischen Hintergrund. Aber auch letztere modernen Elemente können, teils unterstützt durch akrobatische stuntmen, absolut magische Momente erzeugen, wie etwa den Weg nach Nibelheim oder den Einzug nach Walhall – und natürlich als vorläufigen Höhepunkt Brünnhildes Versteinerung.
Der Dirigent weiß mit Wagners Partitur wunderbar umzugehen – Tempi und Dynamik sind absolut überzeugend, das Zusammenspiel mit der Bühne perfekt. Das Orchester kommt allerdings nicht immer ganz so makellos über die Runden wie wir das z. B. aus Dresden und dem heimatlichen Linz gewöhnt sind.