Tristan und Isolde im Theater Münster hinterlassen einen etwas uneinheitlichen Eindruck

Richard Wagner, Tristan und Isolde  Theater Münster, 2. November 2025 PREMIERE

Ensemble © Thilo Beu

Symbolische Überfrachtung versus feinsinniger musikalischer Begleitung.

GMD Golo Berg zelebriert diese außergewöhnliche Partitur, setzt auf langsame Tempi und einen geradezu kammermusikalischen Ton, ohne das Rauschhafte und Überwältigende der Musik zu vernachlässigen.

Tristan und Isolde
Handlung in drei Aufzügen von Richard Wagner

Musikalische Leitung:  Golo Berg

Regie:  Clara Kalus
Bühne:  Dieter Richter
Kostüme:  Katharina Weissenborn

Chorleitung: Anton Tremmel
Opernchor und Extrachor des Theater Münster
Sinfonieorchester Münster

Theater Münster, 2. November 2025 PREMIERE

von Axel Wuttke

Im Mittelpunkt steht Isolde, ihr Hass, ihr Leid. KS Kristiane Kaiser bescherte dem begeisterten Publikum eine, bei aller Durchschlagskraft Ihres jugendlich-dramatischen Soprans, sehr differenzierte Isolde, die immer wieder zarte Piani einsetzte und so ein bewegendes Portrait gestaltete. Ein Höhepunkt ihr wunderbar auf Linie gesungener Liebestod, in dem sie nochmal mit großer Intensität die Stimme über dem Orchester schweben ließ.

Ihr gegenüber hat es Brad Cooper als Tristan nicht immer leicht, zur Geltung zu kommen. Es fehlt der hellen, klar fokussierten Stimme etwas an Durchschlagskraft, um neben der rollenimmanenten Stimme der Isolde bestehen zu können. Allerdings macht der Tenor dies durch seine Legato-Kultur und den Einsatz vieler zarter Zwischentöne und einer großen schauspielerischen Präsenz mehr als wett. Bis zum Schluss singt er ohne erkennbare Ermüdungserscheinungen klangschön und deutlich im Ausdruck.

Johan Hyunbong Choi, Brad Cooper © Thilo Beu

Das Meer als Symbol für das Leben, die Reinheit, aber auch als vernichtendes Element, durchzieht die ganze Inszenierung. Das ergibt im ersten und letzten Akt viel Atmosphäre in den großartig gestalteten, düsteren, an einen Schiffsrumpf erinnernden Bühnenbildern von Dieter Richter. Das wunderbare Vorspiel dieser Oper zu bebildern um Isoldes Traumata mit diversen Metaphern und geradezu sachdienlichen Hinweisen für alle, die das Stück nicht kennen, anzureichern, hat etwas Belehrendes.

Das im Vorspiel projizierte weiße Reh, Unschuld symbolisierend, wird im zweiten Akt von König Marke, mit sonorer Bassfülle und intensivem Ausdruck von KS Wilfried Staber gesungen, während des Liebesduetts ausgeweidet, das hat keinerlei erhellende Wirkung. Im dritten Akt dient es dann als Reflexionsfläche für Tristans Alpträume. Erklärungen gibt es dafür nicht. Die gedankliche und emotionale Unschuld von Tristan und Isolde ist schon am Anfang nicht mehr vorhanden.

Vieles bleibt in der fatalistischen Sicht der Regisseurin Clara Kalus stecken. Der Blick auf die Geschichte von Tristan und Isolde, stellvertretend für die Gegenüberstellung von Mann und Frau, negiert die Kernaussage des Stücks. Das bedingungslose einander Lieben und gemeinsam den Tod als Erlösung Suchen von Tristan und Isolde vermittelt sich zu wenig.

Es sind die vielen Nebenhandlungen, Symbole und Projektionen, die immer wieder von der Kraft der Musik ablenken oder ihr entgegenstehen.

Johan Hyunbong, Wioletta Hebrowska, Kristiane Kaiser, Brad Cooper, Roman Karolan © Thilo Beu

Den zweiten Akt dominiert auf der Bühne die Projektion von Géricaults monumentalem Bild „Floß der Medusa“ im Goldenen Prunkrahmen. Vernichtung, Entmenschlichung, Untergang heraufbeschwörend, erschließt sich dieser Einfall im Zusammenhang mit dem zentralen Thema der Oper, der alle Konventionen sprengenden Liebe, nicht.

Was fehlt, sind die Emotionen. Nur auf die Nachtseite, den Hass und die Rache in der Geschichte zu sehen, ist zu kurz gedacht. Die Begegnung von Tristan und Isolde verlangt im zweiten Akt nach Ekstase und Hingabe, nicht nach symbolbehafteter Bebilderung.

Auf der anderen Seite überzeugt die Regisseurin mit Einfällen, die im Gedächtnis haften bleiben, z.B. mit Brangänes Auftritt im zweiten Akt, wenn sie, eine Fackel tragend, bei verdunkelter Bühne, hinter dem Gemälde von Géricault sichtbar wird und die Liebenden zur Wachsamkeit mahnt. Mit großem emotionalem Einsatz begeistert Wioletta Hebrowska als Brangäne. Ihr nimmt man die tiefe Verzweiflung über das Vertauschen der Tränke ab. Mit ihrer exquisit timbrierten Stimme gestaltet sie besonders den Wachtgesang im zweiten Akt wunderbar mit langem Atem und starkem stimmlichen Ausdruck. Einer der musikalische Höhepunkt des Abends. Auch das Finale des Aktes überzeugt durch die gekonnte, mit Spannung aufgeladene Personenführung.

Kristiane Kaiser, Brad Cooper© Thilo Beu

Johan Hyunbong Choi empfiehlt sich mit seiner Darbietung als Kurwenal für weitere Wagner-Partien. Sein ebenmäßig geführter Bariton gibt ihm die Möglichkeit, sowohl die innerlichen Passagen als auch die jubelnde Begeisterung mit überwältigender stimmlicher Ausdruckskraft zu gestalten.

GMD Golo Berg zelebriert diese außergewöhnliche Partitur, setzt auf langsame Tempi und einen geradezu kammermusikalischen Ton, ohne das Rauschhafte und Überwältigende der Musik zu vernachlässigen. Er ist seinen Sängern ein aufmerksamer Begleiter und entlockt dem Sinfonieorchester Münster einen wunderbar luziden Klang. Einige Wackler im Blech mögen der Premierenspannung geschuldet sein. Besonders das „Oh, sink hernieder, Nacht der Liebe“, wunderbar sensibel dirigiert und von KS Kristiane Kaiser und Brad Cooper ganz verinnerlicht gesungen, und Brangänes Wachtgesang, schufen wunderbare Augenblicke, in denen die Zeit still zu stehen schien.

Die Sänger der kleineren Partien und der Chor, unter der Leitung von Anton Tremmel, ließen keine Wünsche offen.

Am Ende viel Applaus und Bravorufe für die musikalische Darbietung, verhaltener, von einigen Buhrufen durchsetzter, Applaus für das Regieteam.

Axel Wuttke, 4. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Besetzung:

Tristan:  Brad Cooper
König Marke:  KS Wilfried Staber
Isolde:  KS Kristiane Kaiser
Kurwenal: J ohan Hyunbong Choi
Melot:  Ramon Karolan
Brangäne:  Wioletta Hebrowska
Ein Hirt:  Youn-Seong Shim
Ein Steuermann:  Yoogeon Hyeon
Stimme eines jungen Seemanns:  Youn-Seong Shim

2. Sinfoniekonzert, Klassiker der Filmmusik Musik -und Kongresshalle, Lübeck, 26. Oktober 2025

Danang Dirhamsyah und Hermann Valdez, Klavier Haus Eden, Lübeck, 24. Oktober 2025

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