Schostakowitsch II: Beim Leipziger Festival wird auch die Unterhaltungsmusik gebührend gewürdigt

Schostakowitsch-Festival II  Gewandhaus zu Leipzig, Mendelssohn-Saal, 16. Mai 2025

Salonorchester Cappuccino © Anne Hornemann

Unter der Überschrift „Zwischen Variété und Propaganda – Bühnenmusiken von Dmitri Schostakowitsch“ spielt das Salonorchester CAPPUCCINO U-Musik des Komponisten

Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) – Auszüge aus: Ballettmusik Das goldene Zeitalter op. 22; Filmmusik Das neue Babylon; Die Hornisse op. 97a; Bühnenmusik zu Hamlet op. 32a; Lied: „Für den Frieden der Welt“

Salonorchester CAPPUCCINO

Albrecht Winter, Violine, Leitung, Moderation

Eva Heinig, Violine
Anna-Maria Wünsch, Viola
Hartmut Becker, Violoncello
Tobias Lampelzammer, Kontrabass
Thomas Reimann, Flöte
Klaus-Peter Voß, Oboe
Marco Thomas, Klarinette
Michael Schlabes, Trompete
Tobias Hasselt, Posaune
Horst Singer, Klavier
René Scipio, Schlagzeug

Gewandhaus zu Leipzig, Mendelssohn-Saal, 16. Mai 2025

von Brian Cooper, Bonn

Nach der fulminanten Eröffnung des Schostakowitsch-Festivals am Vorabend stand am Nachmittag des Folgetages Unterhaltungsmusik des Komponisten auf dem Programm: Das Salonorchester CAPPUCCINO spielte Arrangements seines Pianisten, Horst Singer, für die oben gelistete Besetzung, und Albrecht Winter moderierte mit einer guten Mischung aus Ernsthaftigkeit und launigen Einwürfen.

Zunächst entsteht ein Bild des Komponisten: nervös, hektisch, mit gepacktem Koffer unterm Bett, die Zigarette an der Filterseite anzündend. Schostakowitschs Musik müsse man zwischen den Zeilen lesen, so Winter im Laufe eines abwechslungsreichen Konzertnachmittags. War es wirklich des Tonsetzers eigene Meinung, wenn er etwa 1950 in Leipzig den Swing und den Boogie-Woogie verächtlich machte? (Und hätte derselbe Mann, frage ich, in einer legendären Wette den beliebten Tahiti Trot, auch als Tea for Two bekannt, binnen einer Stunde orchestriert?)

Es liegt nahe, die Frage nach „Überzeugung oder Opportunismus“ ebenso nachdenklich zu beantworten wie der Moderator: Er wisse nicht, so Winter, was Angst mit ihm machen würde.

In heitereren Momenten überrascht der souverän geigende und leitende Moderator mit schönem Bariton („Uns fehlt einfach der Chor“), als er „Für den Frieden der Welt“ anstimmt. Das Publikum schmunzelt und lacht an besonders zirkushaften Stellen der Bühnenmusiken, bei abrupt-witzigen Schlüssen – und auch, wenn Winter ein Zitat aus einem DDR-Buch aus den 80ern über Schostakowitsch bringt: „Zeitweilig verfolgte er Irrwege.“

Der junge Dmitri verdingte sich als Kinopianist, Stummfilme begleitend, aber er schrieb auch knapp zwei Dutzend Film- und Bühnenmusiken. Hier wurde eine schöne Auswahl getroffen. Gewisse Auszüge hat man vielleicht gehört, wenn man sich näher mit Schostakowitsch befasst hat: Volksfest und Romanze aus der Hornisse etwa sind nicht gänzlich unbekannt und werden gern schon mal als Zugabe gespielt.

Diese war an diesem Nachmittag „die Unvermeidliche – Ich sag’s jetzt nicht an!“ Das wunderbar aufspielende Salonorchester verabschiedete sein Publikum mit dem Walzer schlechthin, den viele kennen – auch wenn nicht alle den Namen des Komponisten wissen.

Dr. Brian Cooper, 16. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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