Schostakowitsch VII: Das Quatuor Danel bekommt Verstärkung vom Gewandhaus-Quartett

Schostakowitsch-Festival VII  Gewandhaus zu Leipzig, Mendelssohn-Saal, 18. Mai 2025

Presse / Festivalmotiv © Eric Kemnitz

Beim Leipziger Schostakowitsch-Festival geht der Quartett-Zyklus mit Teil 2 und den Quartetten 13 und 5 sowie den frühen Stücken für Streichoktett weiter.

Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) – Streichquartette Nr. 13 b-Moll op. 138 und Nr. 5 B-Dur op. 92; zwei Stücke für Streichoktett op. 11

Quatuor Danel:

Marc Danel, Violine
Gilles Millet, Violine
Vlad Bogdanas, Viola
Yovan Markovich, Violoncello

Gewandhaus-Quartett:

Frank-Michael Erben, Violine
Yun-Jin Cho, Violine
Vincent Aucante, Viola
Jürnjakob Timm, Violoncello (als Gast)

Gewandhaus zu Leipzig, Mendelssohn-Saal, 18. Mai 2025

von Brian Cooper, Bonn

Dieses 13. Streichquartett lässt einen ratlos zurück. Fasziniert. Aber vor allem beklommen. Es flirtet mit der Dodekaphonie, eingeleitet von einem Bratschensolo, denn es ist Wadim Borisowski gewidmet, dem Bratschisten des Beethoven-Quartetts, das ganze 13 der 15 Quartette zum ersten Mal aufführte.

Zudem gibt es etliche perkussive Elemente, wenn die Bogenspitze an den Korpus des Streichinstruments klopft. Überhaupt, das Klopfen. Dreimal klopft es immer wieder bei Schostakowitsch, am brutalsten und widerborstigsten ganz sicher im 8. Streichquartett. Aber auch hier gibt es immer wieder das bedrohliche Klopfen, selbst in den Pizzicati – ich denke da unweigerlich an Gestapo-Schergen, die in den frühen Morgenstunden ihre Opfer abholen. Dmitri Schostakowitsch selbst soll einen gepackten Koffer unter seinem Bett gehabt haben.

Quator Danel (c) MarcoBorggreve

Beim Quatuor Danel ist formidables Quartettspiel, kompromisslos radikal, stets zu erwarten. Schon der erste Nachmittag des Zyklus ließ mehr als aufhorchen. Hier nun spielte man das abgründige 13. Quartett, und bei aller Intensität der Dissonanzen war es faszinierend, wie intensiv die vier Musiker aufeinander hörten, sich ansahen. Ich fühlte mich an Vikram Seths Quartett-Roman An Equal Music (dt.: Verwandte Stimmen) erinnert, in dem der Ausdruck eating fingers vorkommt, wenn ich mich recht entsinne: So aufmerksam achte ich darauf, was mein Nebenmann macht, dass ich quasi die seiner Finger derart verinnerliche und verschlinge, dass ich selbst im entscheidenden Moment Bogen und Finger ganz in den Dienst der Partitur stelle…

Das 13. Quartett weist den Weg in die Moderne. Hierzu das Programmheft: „Die Risse im musikalischen Fluss des 13. Quartetts verstören: Lange Generalpausen klaffen, gefolgt von einsamen Phrasen einzelner Quartettisten in abgründig tiefer oder schreiend hoher Lage – ein Werk der Extreme.“ Man kann es vielleicht gar nicht in Gänze „verstehen“, dieses Werk, aber man kann sich darauf einlassen. Dann lässt es einen im Idealfall, wie hier, betroffen zurück.

Das 5. Quartett hingegen, nach der Pause gespielt, ist im weitesten Sinne tonaler. Es war hier besonders beeindruckend, wie die Danels einen wahren Farbenzauber hinlegten. Im zweiten Satz beispielsweise entstanden Klänge, die einen an das Geräusch erinnern, das entsteht, wenn man einen feuchten Finger am Rand eines Glases kreisen lässt. Auch hier faszinierte das Zusammenspiel, das Hören aufeinander, ganz besonders im dritten Satz zwischen den Binnenstimmen. Kam es zum Dreiertakt, waren die Walzerklänge voller Liebreiz.

Gewandhaus-Quartett: (c) GH-Konrad Stoehr

Seltenes, Besonderes, hörte man unmittelbar vor der Pause. Für die beiden Stücke für Streichoktett op. 11 des jungen Dmitri stieß das hauseigene Gewandhaus-Quartett zu den Danels; dabei vertrat Jürnjakob Timm den verhinderten Isang Enders. Der erste Satz, in d-Moll, beginnt wie eine Bach’sche Orgeltoccata, enthält aber schon vieles an kompositorischen Elementen, die erkennbar Schostakowitsch sind. Das zweite Stück ist ganz typisch: ein wilder Ritt, der nervös aufgestachelt beginnt, nur kurz zur Ruhe kommt und sich am Ende in aufgeregter Ekstase austobt.

Die beiden Quartettformationen ergänzten sich prächtig. Wieder einmal ein spannender und anregender Nachmittag!

Dr. Brian Cooper, 19. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schostakowitsch Festival I Gewandhaus zu Leipzig, 15. Mai 2025

Schostakowitsch-Festival II Gewandhaus zu Leipzig, Mendelssohn-Saal, 16. Mai 2025

Schostakowitsch-Festival III Gewandhaus zu Leipzig, 16. Mai 2025

Schostakowitsch-Festival IV Gewandhaus zu Leipzig, 17. Mai 2025

Schostakowitsch-Festival V Gewandhaus zu Leipzig, 17. Mai 2025

Schostakowitsch-Festival VI Gewandhaus zu Leipzig, 18. Mai 2025

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert