Foto: St.Gallen Tonhalle (c) asavin-wikipedia
Alexander Borodin (1833-1887) / Eine Steppenskizze aus Mittelasie
Alexander Arutjunjan (1920-2012) / Konzert für Trompete und Orchester
Ludwig van Beethoven (1770-1827) / Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 Eroica
Sinfonieorchester St. Gallen
Pietro Rizzo / Dirigent
Markus Kuen / Trompete
Konzert und Theater St. Gallen, Tonhalle, 26. Oktober 2025
von Julian Führer
Die Tonhalle St. Gallen ist ein architektonisch reizvoller Bau des frühen 20. Jahrhunderts, der knapp 900 Zuhörern Platz bietet. Das dort ansässige Sinfonieorchester spielte ein abwechslungsreiches Programm, das seinen regionalen Schwerpunkt zunächst weit im Osten hatte.
Alexander Borodins Steppenskizze aus Mittelasien ist ein kurzes Werk, das einerseits in europäischen Traditionen steht: Das 19. Jahrhundert kennt etliche Naturschilderungen (Beethovens Symphonie pastorale, Webers Freischütz, Smetanas Moldau). Auf der anderen Seite ist das 19. Jahrhundert auch die Zeit der aufkommenden Nationalideen und des Patriotismus breiter Schichten.
Borodin schrieb diese Skizze zu Ehren des Thronjubiläums seines Zaren und mischt darin Naturbilder mit (vermeintlichen) Volksweisen, die er zum Schluss zusammenführt, bevor das Stück wieder im Pianissimo des Beginns verlischt. Man kann das Stück durchaus als charakteristisch für russische Kompositionen des 19. Jahrhunderts ansehen – man meint Glinka herauszuhören und ahnt Mussorgsky.
Das folgende Solokonzert geht auf Alexander Arutjunjan zurück, einen sowjetischen Komponisten aus Armenien, der zu Lebzeiten durchaus populär war und 1949 mit dem Stalinpreis geehrt wurde (ein Preis, der auch Bertolt Brecht zuteilwurde). Die sowjetische Musik ist sehr reichhaltig und hält weit mehr bereit als Schostakowitsch und Prokofiew. Gleichzeitig ist reizvoll, dass mit der Trompete ein Instrument im Vordergrund steht, das nach Haydn nur noch selten im Zentrum der Konzertliteratur stand.
In St. Gallen übernahm mit Markus Kuen ein Musiker aus dem Orchester selbst den Solopart und meisterte die vielen Tücken des Werkes mit beeindruckender Sicherheit. Pietro Rizzo am Pult moderierte den Orchesterpart und ließ das fast pausenlos spielende Soloinstrument sich in Szene setzen. Das Stück ist effektvoll, teilweise mitreißend und lässt manchmal an die Raffinesse Aram Chatschaturjans denken, der knapp 20 Jahre älter war. Was bei Schostakowitsch oft doppelter Boden und Galligkeit ist, ist hier eher positive Lust am Musizieren, auch wenn die musikalischen Mitteln oft ganz ähnlich sind. Dieses Konzert, das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg entstand, wurde sehr positiv aufgenommen, und der Trompeter Markus Kuen gab mit dem Schlagzeuger Maximilian Näscher noch eine Jazzzugabe.
Nach der Pause dirigierte Pietro Rizzo dann auswendig Beethovens ‚Eroica‘, die dritte, tatsächlich revolutionäre Symphonie. Die zwei eröffnenden Schläge nahm er kurz und führte dann das Orchester sicher durch die Partitur. An vielen Details wurde deutlich, dass absichtsvoll geprobt worden war (etwa die minimal langsamer genommene Wiederholung der Exposition im ersten Satz). In der Durchführung des ersten Satzes türmen sich Dissonanzen auf, die effektvoll vorbereitet wurden und daran erinnerten, wie schroff und wild sich manche Passagen für das Publikum vor über 200 Jahren angehört haben muss.
Der Saal der St. Galler Tonhalle hat einen sehr direkten Klang, der bei der Dynamik große Disziplin verlangt – wird es zu laut, wird das Klangbild schwammig. Im Gegenzug erlaubt der Raum ein sehr differenziertes Pianissimo wie im Trauermarsch des 2. Satzes. Beeindruckend, welch starkes Decrescendo an diesem Abend nach dem Mittelteil wieder nach c-Moll führte.
Der folgender Scherzosatz ist schnell und tückisch zu dirigieren und mitzuzählen (ein Instrument hat es da kurz aus der Bahn geworfen, aber sei’s darum). Besonders anspruchsvoll ist es, die schnellen Viertel in den Streichern gleichmäßig und auch dynamisch homogen zu halten – hier gelang Pietro Rizzo und dem St. Galler Sinfonieorchester ein wahres Kabinettstückchen. Auch konnten sie zeigen, wie abwechslungsreich der vierte Satz gehalten ist, der in die Variationsform eine Streichquartettpassage integriert, aber auch eine Fuge enthält, die Beethovens sehr charakteristisches Grummeln hören ließ.
Nicht nur Markus Kuen an der Trompete, auch Pietro Rizzo am Pult und das Sinfonieorchester St. Gallen erhielten einen verdienten herzlichen Applaus. Das Orchester spielt auf einem beeindruckenden Niveau – ein Grund mehr, sich auf die nächsten Konzerte zu freuen.
Julian Führer, 28. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Strauss, Elektra (1909) Konzert und Theater St.Gallen, 17. September 2025
Giacomo Puccini, La Bohème (1896) Theater St.Gallen, 18. Oktober 2025 PREMIERE