Dagmar Manzel nach zwanzig Jahren in der gleichen Rolle wieder zu erleben, wäre schon Freude genug, aber sie verblüfft und überzeugt diesmal auch im englischen Original. Mühelos fügt sie sich in das multi-linguale Ensemble ein, an der Seite von Christopher Purves führt sie die Aufführung zum umjubelten Triumph.
Stephen Sondheim Sweeney Todd
Christopher Purves Sweeney Todd
Dagmar Manzel Mrs. Lovett
Barrie Kosky Regie
James Gaffigan Dirigent
Komische Oper Berlin, Premiere 17. November 2024
von Peter Sommeregger
Stammgäste der Berliner Komischen Oper werden sich erinnern: im Jahr 2004 wurde dieses erfolgreiche Broadway-Musical schon einmal, damals an der Behrenstraße in deutscher Übersetzung gegeben. Als Mrs. Lovett hatte die Schauspielerin Dagmar Manzel ihr Debüt als Sängerin und am Haus.
Sie nach zwanzig Jahren in der gleichen Rolle wieder zu erleben, wäre schon Freude genug, aber sie verblüfft und überzeugt diesmal auch im englischen Original. Mühelos fügt sie sich in das multi-linguale Ensemble ein, an der Seite von Christopher Purves führt sie die Aufführung zum umjubelten Triumph.
Die Geschichte eines Londoner Barbiers, der von einem korrupten Richter um Ehefrau, Kind und Existenz gebracht wird und nach seiner Rückkehr nach London blutige Rache mit seinem silbernen Rasiermesser nimmt, hat seit den 1970er Jahren erst den New Yorker Broadway, danach die Musical-Bühnen der Welt erobert.
Sondheims Musik hat Drive und Biss, streut Zitate aus Opern ein und ist vor allem Eines: bühnenwirksam. Geschickt konstruierte Nebenhandlungen bereichern den Plot, zentral bleibt aber neben Todd die Figur der findigen Pastetenbäckerin Mrs. Lovett. Sie verarbeitet Todds Opfer in Pasteten und ihr Laden kann sich kaum vor Kunden retten. Höhepunkt des Abends ist ein freches Duett mit Todd, in dem sie den Geschmack der Pasteten bestimmten Berufsgruppen zuordnen. Da scheint Dagmar Manzel im direkten Anflug auf den Broadway zu sein. In Christopher Purves in der Titelrolle hat sie aber auch einen gestandenen Partner, der sich mit seinem kräftigen Bariton und viriler Ausstrahlung gegen Manzel behaupten kann.
Barrie Kosky verleiht der gesamten Aufführung stimmiges Tempo, dimmt wo notwendig etwas herunter, lässt den Erzählfluss aber niemals abreißen. Es gelingen ihm markante Porträts der so unterschiedlichen Protagonisten, er findet für jeden Einzelnen eine stimmige Charakteristik und erweist sich so erneut als Meister der Personenführung.
Auch die übrigen Mitwirkenden können alle überzeugen. Alma Sadé als Todds wiedergefundene Tochter Johanna hat Gelegenheit, ihren wohlklingenden Sopran einzusetzen, Hubert Zapiór mimt emotional ihren Verehrer Anthony. Einen starken Eindruck hinterlässt Tom Schimon als Tobias, der schließlich das Kartenhaus zum Einsturz bringt. Aber auch Jens Larsen als Richter Turpin, James Kryshak als Beadle Bamford und Ivan Turšić als Pirelli überzeugen in ihren Rollen. Besonders hervorheben muss man noch Sigalit Feig als schrille Bettlerin.
James Gaffigan leitet das Orchester mit dem angesagten Schwung und Temperament. Eine Klasse für sich sind wieder einmal die Chorsolisten der Komischen Oper, die mit Spielfreude und Elan viel zum Gelingen der Aufführung beitragen. Wie selbstverständlich kommen sie auch mit den englischen Texten zurecht.
Das Publikum ist so animiert, dass sich der Saal erst nach schier endlosem Applaus leert. Hoffentlich verlieren wir Dagmar Manzel nicht an den Broadway!
Peter Sommeregger, 18. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at