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Exklusivinterview mit Pang Kapang und Zhu Changyao vom Suzhou Chinese Orchestra
Mit dem Suzhou Chinese Orchestra gründete der inzwischen international bekannte Dirigent Pang Kapang vor knapp zwei Jahren ein Ensemble, das als eines der ersten Orchester weltweit die klassische Tradition Europas mit Jahrtausende alten Instrumenten der chinesischen Tradition verbinden soll.
Dieses Projekt fand schnell Unterstützung: Das inzwischen komplett durch die chinesische Regierung finanzierte Orchester wurde schlagartig zu einem der kulturellen Prestigeprojekte des Landes erhoben. Durch ein breites Spektrum an chinesischer Traditionalmusik, klassischer Orchesterpraxis und Neukompositionen zählt es sich heute zu einem der wichtigsten Kulturträger der Region.
Neben regelmäßigen Siegen bei nationalen und internationalen Musikwettbewerben und der Neueröffnung einer eigenen Spielstätte mündete dies auch in einer europaweiten Tournee des Orchesters zu Beginn des Jahres 2019.
Bei dieser Gelegenheit war es Klassik-begeistert.de möglich, in Brüssel mit dem Initiator und Chefdirigenten Pang Kapang, sowie dem Solokünstler und Unterstützer des Orchesters Zhu Changyao zu sprechen.
Interview von Daniel Janz
Übersetzung: Renn Wei
Klassik-begeistert: Lieber Herr Pang Kapang, lieber Herr Zhu Changyao, ganz zu Beginn dieses Interviews möchte ich Ihnen ein paar Fragen zu dem Projekt an sich stellen. Es ist unübersehbar, dass Sie alle mit sehr viel Motivation und Leidenschaft dahinter stehen. Ist es auch aus dieser Leidenschaft heraus entstanden? Was sind die Hintergründe für Ihre Entscheidung, dieses Orchester zu gründen?
Pang Kapang: Zunächst ist dieses Orchester erst im November 2017 neu gegründet worden. Das Eröffnungskonzert war am 24.12. desselben Jahres. In China ist diese Art der Orchestermusik bereits bekannt, außerhalb von China jedoch noch so gut wie gar nicht. In Zusammenarbeit mit unserer Agentur entstand daher zu Beginn bereits die Idee, ein Orchester zu gründen, das über die Grenzen des Landes hinausschaut. Darum auch der Vorschlag: Warum machen wir nicht eine Tournee?
Klassik-begeistert: Mit dem Hintergedanken, international aufzutreten wurde es also gegründet?
Zhu Changyao: Auch, aber der Hintergrund war vor allem, durch den weltweiten Kontakt auch einen kulturellen Austausch und damit eine Auseinandersetzung mit dieser Musik herzustellen. So wollen wir beispielsweise mit der europäischen Musikkultur zusammenfinden.
Pang Kapang: In der Tat – in Europa hat die Symphonie eine mehrere hundert Jahre lange Geschichte. Diese chinesische Form der Orchesterbesetzung ist jedoch gerade einmal um die 60 Jahre alt. Das heißt, wenn wir nicht den Schritt nach Europa – auf die internationale Bühne – wagen, gibt es auch keine Möglichkeit, diese Musik außerhalb von China zu genießen. Dieser Schritt war uns bereits bei der Gründung wichtig.
Klassik-begeistert: Was Sie darbieten, ist aber nicht nur chinesische Traditionalmusik, sondern auch Musik der europäischen Musikgeschichte arrangiert für dieses Orchester. Wie kommt man dazu, europäische Musik in traditionell chinesische Klangfarben zu übersetzen? Sind die Werke an sich nicht ausreichend genug? Oder muss man das als Zeichen eines gewissen Nationalstolzes verstehen?
Pang Kapang: Man muss anerkennen, dass die sinfonische Orchestertradition in Europa entstanden ist. Die Traditionalmusik in China ist davon grundsätzlich verschieden. Deshalb ist unser Anspruch, das Gute aus beiden Traditionen miteinander zu verbinden. Und wenn es uns mit diesem Versuch gelingt, dann können wir daraus eine ganz feine Musik in einem ganz neuen Klangkörper präsentieren. Dafür haben wir dieses Projekt gegründet: Um eine neue Musik zu schaffen, die wir alle genießen können.
Klassik-begeistert: Aber ist dieser Ansatz der Neuinterpretation von altem Material nicht schon gemacht worden? So etwas erleben wir ja nahezu täglich.
Zhu Changyao: Es geht uns nicht nur um die Neuinterpretation, sondern vor allem auch um den Austausch der Kulturen. Ein ganz großer Unterschied ist, dass das chinesische Orchester immer mit der chinesischen Traditionalmusik verbunden war. So gesehen hat das Suzhou Chinese Orchestra den Sinn und auch das Ziel, nicht traditionell, sondern symphonisch zu klingen.
Klassik-begeistert: Also an europäische Klangtradition angelehnt?
Zhu Changyao: Ganz genau.
Klassik-begeistert: Aber warum dann der Blick in die Vergangenheit, wenn es doch um den Gesamtklang geht? Warum diese Orientierung an europäisch klassischer Musik und nicht nur an neu komponierten Werken, wie sie inzwischen doch zahlreich und explizit für dieses Ensemble geschrieben wurden?
Pang Kapang: Unser Manko ist, dass wir in unseren Programmen fast nur auf chinesische Musik und Neukompositionen – ebenfalls aus China – zurückgreifen können. Der Gedanke war aber, wenn wir uns als international verstehen wollen, müssen wir auch auf andere Kulturen und besonders auf Europa zukommen. Aus Respekt vor unserem Publikum und vor Europa insgesamt. Darum präsentieren wir bewusst nicht nur reine chinesische Musik, sondern auch Bearbeitungen von Werken, die bekannter sind.
Klassik-begeistert: Da geht es also um Wiedererkennungswert?
Pang Kapang: Natürlich, das spielt auch eine Rolle. Aber der Hauptgrund ist für uns der gegenseitige Respekt.
Klassik-begeistert: Respekt alleine finanziert aber kein Orchester. Das muss organisiert und mit viel Aufwand am Leben erhalten werden. Wie ist das in Ihrem Fall gelungen?
Pang Kapang: Da haben wir vor allem großes Glück gehabt, dass die Staatsregierung von Suzhou uns die volle Unterstützung zugesagt hat. Es gab dort bereits ein Sinfonieorchester. Aber die Idee, nicht nur unsere Tradition in den Westen zu tragen, sondern unser Orchesterrepertoire in eine symphonische Richtung zu entwickeln und damit einen echten Austausch mit Europa herzustellen, überzeugte sie, dieses Pilotprojekt vollkommen zu finanzieren. Gleichzeitig legen wir aber auch Wert auf eine hohe Qualität. Unsere Musiker hatten zum Beispiel alle ein sehr strenges Probespiel, was dazu geführt hat, dass wir erst vor knapp einem Jahr vollständig wurden. Das ist natürlich ein hoher Aufwand, das gebe ich zu.
Klassik-begeistert: Diesen Aufwand merkt man auch noch in anderer Hinsicht. So wurden für dieses Orchester ja zum Beispiel von Ihnen, Herr Zhu Changyao, eine Reihe an Instrumenten gezielt umgebaut. Welche Motivation steckt dahinter? Warum besteht überhaupt die Notwendigkeit, Instrumente zu verändern?
Zhu Changyao: Das Wichtigste ist der Klang. Unsere traditionell chinesischen Instrumente haben gewisse Schwächen, die wir natürlich ausgleichen müssen, um einen guten Gesamtklang zu erzeugen.
Klassik-begeistert: Aber inwiefern bleiben Sie da konsistent? Sie verwenden ja auch europäische Instrumente, wie das Cello oder den Kontrabass.
Zhu Changyao: Richtig. Anders als in den anderen Stimmlagen, fehlt unseren traditionell chinesischen Instrumenten die Basslage. Und bevor wir eigene Instrumente entwickeln, greifen wir für unseren Klangkörper auf das zurück, was sich bereits bewährt hat.
Pang Kapang: Und grundsätzlich ist auch noch mehr Durchmischung möglich. Ich habe zum Beispiel bereits in einer Oper auch schon Trompeten und Posaunen, also europäische Blasinstrumente, verwendet. Da sehe ich noch viele Möglichkeiten.
Klassik-begeistert: Stehen dahinter also auch Pläne, in Zukunft noch weitere Instrumente oder kulturübergreifende Elemente hinzuzufügen?
Pang Kapang: Natürlich haben wir die Motivation, dieses Konzept noch weiter zu entwickeln und uns zu verbessern.
Klassik-begeistert: Dann freue ich mich, in Zukunft auch hier in Europa noch von Ihnen zu hören und wünsche Ihnen alles Gute.
Daniel Janz, 01. Mai 2019, für
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