Interview am Donnerstag 14: „Außer an der Wiener Staatsoper akzeptieren alle Konzertorchester und Opernhäuser der Welt meine Materialien“

Foto: Hartmut Haenchen © Riccardo Musacchio

Interview am Donnerstag 14: Der Dirigent Hartmut Haenchen

Er zählt zu den ganz Großen seines Fachs: Hartmut Haenchen, geboren am 21. März 1943 in Dresden, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Dirigent des Jahres 2017 (Opernwelt) und gern gesehener Gast an den Opernhäusern in Berlin, Paris, Madrid und Genf. Als Zweijähriger erlebt er den Angriff der Alliierten hautnah – und erinnert sich noch an das Flammeninferno, erzählt der heute 77-Jährige in einem Interview. Vielleicht hat er den „Ring des Nibelungen“, bei dem der Sitz der Götter ebenfalls in den Flammen endet, deshalb sage und schreibe 36 Mal dirigiert. Bis heute einsamer Rekord.

Haenchen gilt als unbequem, als einer, der fast keine Kompromisse eingeht – sowohl künstlerisch als auch politisch nicht. Lange Zeit wurde seine Karriere von der DDR-Führung sabotiert. Obwohl Wolfgang Wagner bereits 1980 rief, erfuhr Haenchen erst Jahre später davon. Sein Debüt im „mystischen Abgrund“ des Bayreuther Festspielhauses folgt dennoch: 2016 und 2017 dirigierte er nicht irgendeine Oper, sondern den „Parsifal“ – Wagners „Bühnenweihfestspiel „, das extra für das Bayreuther Festspielhaus konzipiert wurde.

In dieser Saison hätte er an der Wiener Staatsoper dirigieren sollen – ebenfalls den „Parsifal“. Aufgrund der Corona-Pandemie folgte die Absage. Wie er sich deswegen fühlt, warum er nur seinem eigenen Orchestermaterial vertraut und warum er oft ohne Taktstock dirigiert, erzählt er im Interview mit klassik-begeistert.de.

von Jürgen Pathy 

Grüß Gott, Herr Haenchen. In einem Gespräch erzählen Sie, Ihre ersten Erfahrungen als Dirigent haben Sie bereits mit 15 Jahren gemacht. Wie kam es dazu?

Genau an meinem 15. Geburtstag durfte ich mein erstes Konzert mit Chor, kleinem Orchester und Solisten dirigieren. Die Kirche in meinem Heimatort, der damals noch nicht zu Dresden gehörte, hatte keinen Kantor. Man fragte mich, da man wusste, dass ich Mitglied des Dresdner Kreuzchores war, ob ich einspringen könnte, den Chor zu leiten und die Gottesdienste zu spielen. Aus diesem Einspringen wurde eine Verbindung für mehrere Jahre. Und so baute ich auch regelmäßige Konzerte in der Kirche auf.

Für mich war das die ideale Möglichkeit, der Erfüllung meines Berufswunsches, Dirigent zu werden, einfach durch die Praxis näherzukommen. Für mich ist es heute rätselhaft, dass alle Mitwirkenden, die ja viel – zum Teil sehr viel – älter waren, mir folgten. Schließlich habe ich einige Jahre später mit dieser Kantorei mein Aufnahmeprüfungskonzert gemacht. Aber schon damals habe ich mich sehr mit Aufführungspraxis beschäftigt und ein „Requiem“ von Johann Adolf Hasse wieder ausgegraben und das gesamte Aufführungsmaterial handschriftlich hergestellt. „Interview am Donnerstag 14: Der Dirigent Hartmut Haenchen
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