In Berlin geboren, absolvierte Nadine Weissmann ihr Studium in London und an der Indiana University in Bloomington / USA bei Virginia Zeani. Ihr erstes Festengagement trat sie 2002 am Theater Osnabrück an, wo sie besonders als Carmen einen großen Erfolg feierte. Sie ist Preisträgerin der Kammeroper Schloss Rheinsberg 2002, des Francisco Viñas Wettbewerbs 2006 in Barcelona und des Seattle-Wagner-Wettbewerbs 2008. Engagements führten sie zum Glyndebourne und Edinburgh Festival, nach Barcelona, Madrid, Paris, Marseille, Lissabon, Helsinki, Berlin, München, Frankfurt und Amsterdam. 2013 begeisterte sie das Publikum in Bayreuth als Erda in Frank Castorfs »Ring« unter der Leitung von Kirill Petrenko. Zu ihrem Repertoire gehören die Mezzo-Partien in Opern von Ponchielli, Mozart, Wagner, Verdi, Camille Saint-Saëns.
2017/18 debütierte sie als Ulrica im „Maskenball“ in Weimar und als Dalila in einer konzertanten Aufführung von „Samson et Dalila“ mit der Weimarer Staatskapelle. 2018/19 sang sie Erda in Achim Freyers Produktion von „Das Rheingold“ in Seoul und tourte mit Barrie Koskys Komischer Oper-Produktion von „Die Zauberflöte“ durch Australien und Neuseeland.
Interview: Jolanta Lada-Zielke
Foto: Salzburger Festspiele (c)
Was haben Sie vor einem Jahr getan und wie sieht heute Ihr Alltag aus?
Vor einem Jahr im April sang ich gerade als Altsolistin drei wunderbare Konzerte in der Tonhalle Düsseldorf mit Mahlers Zweiter Symphonie unter Adam Fischer, die auch auf CD aufgenommen wurde. Kurz danach ging es zu einem Benefizkonzert mit einer Walküre nach Augsburg. Zurzeit versorge ich meine pflegebedürftige Mutter und mich in Berlin und bleibe sonst zu Hause.
Nennen Sie bitte drei Schlagworte, wenn Sie das Wort „Corona“ hören.
Absage, Hilfsfonds, Kurve.
Was sind die entscheidendsten Veränderungen seit Ausbruch der Corona-Pandemie? Können Sie ihr auch etwas Positives abgewinnen?
Die Absage aller bisherigen Engagements und die bevorstehenden weiteren Absagen sind der größte Einschnitt in meinem derzeitigen Leben. Positiv ist daran leider gar nichts.
Womit verdienen Sie Ihre Brötchen? Wie ist die Situation nach der Absage sämtlicher kulturellen Veranstaltungen?
Ich lebe zurzeit nur von staatlicher Hilfe und ein paar wenigen Rücklagen; die Hoffnung, von einigen Veranstaltern wenigstens eine Teilzahlung zu bekommen, besteht (noch). Da ich diese Spielzeit bewusst weniger Engagements angenommen hatte, um mich mehr um meine Mutter zu kümmern, ist die Lage jetzt eine Katastrophe.
Wie gelingt es einem Musiker ohne Publikum bei Laune zu bleiben?
Es geht weniger um das Publikum, auch das gemeinsame Musizieren fällt weg, wenn man nicht in einem Haushalt zusammen lebt. Virtuell funktioniert das nur übergangsweise für lustige Videos und ein paar Unterrichtsstunden, doch es ersetzt kaum das richtige Musizieren und Proben. Bei Laune zu bleiben gelingt mir gerade schwer, denn ich hatte mich sehr auf den Wiederbeginn der Probenarbeit gefreut, nachdem ich drei Monate gewollt pausiert hatte.
Mit welchem Musikwerk stimulieren Sie Ihr Immunsystem?
„Samson et Dalila“, „Götterdämmerung“, „Aida“.
Es gibt Zukunftsforscher, die nach überstandener Corona-Krise eine Verbesserung des Weltklimas – ökologisch wie sozial – prophezeien. Teilen Sie diese Einschätzung? Wie ist Ihre Vision?
Kurzfristig mag es sicher stimmen, aber ob das beibehalten wird? Da bin ich skeptisch. Möglicherweise müssen aber viele Nationen jetzt doch mehr zusammenarbeiten und verbessern ihr Verhältnis, wenn es um Menschenleben geht.
Wenn Sie jetzt drei Wünsche betreffend Ihres erstes Auftritts nach der Pandemie äußern könnten: Wo, in welcher Produktion und mit wem würden Sie die Bühne teilen?
Eines meiner liebsten Opernhäuser ist das Liceu Barcelona, im Spätsommer wäre es auch noch sehr schön, dort ein paar Wochen zu verbringen. Da ich sie bisher nur konzertant gesungen habe würde ich gerne meine erste szenische Dalila machen; mit tollen Kollegen auf der Bühne und meinem Lieblingsdirigenten Kirill Petrenko im Graben. Und eigentlich wäre ich vor allem wirklich froh, wenn meine erste Produktion der neuen Spielzeit einfach so abläuft, wie geplant, das wäre schon wunderbar (Mahagonny an der Komischen Oper Berlin).
Liebe Nadine Weissmann, herzlichen Dank für das Interview.
Interview: Jolanta Lada-Zielke, 16. April 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at