Petr Popelka © Amar Mehmedinovic / Musikverein Wien
Heuer sind die Wiener Symphoniker 125 Jahre alt geworden. Ochester und Chefdirigent Petr Popelka feiertern das in einem Festkonzert mit Werken von Richard Wagner, Maurice Ravel, Alban Berg und Wolfgang Amadeus Mozart.
Petr Popelka, musikalische Leitung
Wiener Symphoniker
Hanna-Elisabeth Müller, Sopran
Anna Vinnitskaya, Klavier
von Dr. Rudi Frühwirth
Das Programm des Festkonzerts mag auf den ersten Blick etwas zusammengewürfelt wirken, doch zwei der vier Werke wurden vom Wiener Symphonie-Orchester, den Vorläufern der heutigen Wiener Symphoniker, im Großen Musikvereinssaal uraufgeführt: die Orchesterfassung von Alban Bergs Sieben frühen Liedern am 6. November 1928 mit der Solistin Claire Born, und Maurice Ravels Klavierkonzert für die linke Hand am 5. Jänner 1932 mit Paul Wittgenstein, für den Ravel das Konzert komponiert hatte. Beide Male stand Robert Heger am Dirigentenpult.
Überdies bot das Programm dem Orchester und seinem Chefdirigenten Petr Popelka die Gelegenheit, seine stilistische Bandbreite eindrucksvoll unter Beweis zu stellen: Richard Wagner für die Hochromantik, Ravel und Berg als Vertreter zweier unterschiedlicher Strömungen der Musik des 20. Jahrhunderts und Wolfgang Amadeus Mozart für die Wiener Klassik.

Den Auftakt bildete Richard Wagners Faust-Ouvertüre, ein Werk, das stilistisch den Opern Tannhäuser und Lohengrin nahesteht und stellenweise auch Anklänge an den Fliegenden Holländer erkennen lässt – eine naheliegende Parallele, teilen doch beide Stoffe das Motiv der Erlösung des getriebenen, ruhelosen Geistes durch das weibliche Prinzip. Trotz des spürbaren Engagements des Dirigenten, der die dramatischen Momente eindringlich hervorhob und dabei auf die willige Mitwirkung des Orchesters zählen konnte, hinterließ die Ouvertüre bei mir keinen nachhaltigen Eindruck – ein Umstand, den ich eher dem Werk selbst als seiner Interpretation zuschreibe.
Schlagartig änderte sich die Stimmung, als nach einer kurzen Umbaupause das Orchester gemeinsam mit der Pianistin Anna Vinnitskaya Maurice Ravels Konzert für die linke Hand in D-Dur anstimmte. Ein wahres Feuerwerk musikalischer Einfälle entfaltete sich, in dem Vinnitskaya ihre technische Brillanz und gestalterische Reife eindrucksvoll demonstrierte. Auch die Symphoniker nutzten die Gelegenheit, die herausragende Qualität sämtlicher Orchestergruppen zu präsentieren.

Aus Rücksicht auf die Solistin, die nur eine Hand einsetzen darf, lässt Ravel das Klavier an vielen Stellen allein erklingen, wodurch selbst die komplexesten Passagen mit beeindruckender Klarheit zur Geltung kamen. Deutlich spürbar war an mehreren Stellen der Einfluss von George Gershwin, und Popelka ließ sein Orchester dort mit spürbarer Spielfreude und rhythmischem Elan regelrecht „swingen“. Vinnitskaya bedankte sich für den begeisterten Applaus mit einer zarten, einfühlsam interpretierten Zugabe: Ravels Pavane pour une infante défunte.
Nach der Pause standen zunächst Alban Bergs Sieben frühe Lieder in der Orchesterfassung auf dem Programm. Bergs Instrumentation der ursprünglich für Klavier geschriebenen Begleitung besticht durch ihre berückende Transparenz, farbenreiche Klangpalette und zahlreiche orchestrale Effekte, die auch seine Oper Lulu zu einem so hinreißenden Hörerlebnis machen.
Obwohl Popelka größte Zurückhaltung walten ließ, war die Stimme von Hanna-Elisabeth Müller vermutlich nicht kraftvoll genug, um den gesamten Saal vollständig zu füllen – besonders in der mittleren und tiefen Lage war dies spürbar. In den Höhen jedoch präsentierte sie sich ausdrucksvoll und nuancenreich, mit sorgfältiger Phrasierung. Einen besonders starken Eindruck hinterließ mein Lieblingsstück aus dem Zyklus, Die Nachtigall nach dem Gedicht von Theodor Storm. Das erotische Prinzip, das wie ein tiefer, unterschwelliger Strom die gesamte Natur durchzieht, wird bei Storm durch das Aufspringen der Rosen sichtbar, ausgelöst durch das nächtliche Gesangswerk der Nachtigall – ein Bild von ungeheurer Ausdruckskraft. Das Gedicht und die herrliche Musik, die Alban Berg dazu komponiert hat, verschmelzen hier zu einem Gesamtkunstwerk, das den Vergleich mit den größten Liedern Schuberts und Schumanns Mondnacht nach Eichendorff nicht zu scheuen braucht.

Den Abschluss des Abends bildete Mozarts Jupiter-Sinfonie, einer der hellsten Sterne am Klassikhimmel. Das Werk, komponiert in einer Zeit, in der Mozart unter sehr bedrückenden Umständen lebte, strahlt eine Brillanz und Schwerelosigkeit aus, die ich nur als den Sieg des Geistes über die Materie, der Idee über die Realität, des Ewigen über das Zeitliche deuten kann. Der große Nikolaus Harnoncourt hat einmal behauptet, die Sinfonie sollte eigentlich „Apollo-Sinfonie“ heißen, da sie geradezu paradigmatisch die apollinische Seite des ewigen Streits zwischen Apollo und Dionysos verkörpert.
Die Interpretation durch Popelka und die Symphoniker war vollendet gelungen. Jede Phrase dieser motivisch so reichen Symphonie war sorgfältig ausgearbeitet, sowohl in der Dynamik als auch in der Artikulation. Der erste Satz erklang bestimmt und kraftvoll, der zweite Satz betörte mit dem samtweichen Klang von Streichern und Holzbläsern. Das Menuett des dritten Satzes wurde recht zügig gespielt, das Trio hingegen etwas langsamer und mit fein ausziselierter Phrasierung.
Und dann der unsterbliche vierte Satz – eine meisterhafte Verbindung von Sonatenform und kontrapunktischer Kunstfertigkeit, wie sie ihresgleichen sucht. Auch ihn nahm Popelka sehr rasch, vom Orchester präzise ausgeführt. Lediglich in der Coda machte sich das hohe Tempo bemerkbar: Die unglaublich komplexe Kontrapunktik, in der fünf der sechs Hauptmotive miteinander verwoben werden, wäre bei etwas moderaterem Tempo noch klarer zur Geltung gekommen. Das Publikum dankte dem Dirigenten und dem Orchester mit begeistertem Applaus und Bravorufen.
Dr Rudi Frühwirth, 30. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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