Mit modulationsfähiger Stimme zeichnet Tenor Mauro Peter den Schicksalsweg einer sensiblen Seele

31. Konzertserie „Liederleben“ mit Mauro Peter, Tenor  Schloss Nymphenburg, München, 15. Februar 2025

Mauro Peter © Christian Felber

„Die schöne Müllerin“
im Rahmen der Münchner Konzertserie Liederleben

Akemi Murakami, Klavier
Mauro Peter, Tenor

Schloss Nymphenburg, Johannissaal, München, 15. Februar 2025

von Dr. Lorenz Kerscher

Seitdem die Pianistin Akemi Murakami 2017 die Serie „Liederleben“ ins Leben gerufen hat, bin ich regelmäßiger Besucher der vier Liederabende pro Jahr, für die immer sehr bemerkenswerte Stars oder Rising Stars engagiert werden. So war ich jetzt sehr neugierig auf den Schweizer Tenor Mauro Peter, dessen vielseitiges Wirken in Oper und Konzert in den letzten Jahren großes Lob erntete. Der knapp 100 Besucher fassende Johannissaal von Schloss Nymphenburg war fast ausverkauft und bildete einen sehr persönlichen Rahmen, in dem ich den Solisten von meinem Platz in der 3. Reihe ganz aus der Nähe erleben konnte.

Ungekünstelt zeichnete Mauro Peter den Charakter des naiven Müllergesellen, der fröhlich loswandert, einem Bachlauf folgt und sich dann in bangem Flüsterton die Frage nach dem „Wohin“ stellt. Mit Tempo und Elan eilt er auf die vor ihm auftauchende Mühle zu und dankt in einer ruhigen Kantilene dem Bach für gefundenes Glück und Zufriedenheit.

Schon jetzt stelle ich erfreut fest, dass der junge lyrische Tenor auf phonstarke Kraftmeierei verzichtet und gerne auf die Wirkung leiser Töne setzt. Laut zum Ausdruck gebracht wird jetzt allerdings der Wunsch des in die Müllerstochter Verliebten, er könne ihr durch besondere Leistung imponieren. Doch ernüchtert muss er feststellen, dass der Gutenachtgruß der Schönen allen Anwesenden in gleicher Weise gilt. In zarter Sehnsucht schwelgt dann Der Neugierige mit zurückgenommener Stimme, doch seine Ungeduld lässt drängende Leidenschaft wieder impulsiv herausbrechen.

Mit leisen, stimmschönen Tönen intoniert der Sänger den Morgengruß, zunächst schwärmerisch diesseitig, in der letzten Strophe dann in eine Traumwelt hinabgleitend, der er auch in Des Müllers Blumen verhaftet bleibt.

So führt ihn auch das einzige Zusammensein mit der Angebeteten nicht in die Realität zurück, sondern endet in einem Tränenregen, vor dem das Mädchen flieht. Dieses für mein Empfinden, auch wegen des sich erstmals andeutenden Suizidgedankens, zentrale Stück des Zyklus wird von dem sensiblen Liedduo mit Delikatesse interpretiert.

Drastisch wirkt danach der realitätsferne Wahn, mit dem verpatzten Date das Mädchen erobert zu haben. Doch in Wirklichkeit ist der schüchterne Müllergeselle von jetzt an nur noch seiner leisen Schwermut, nagenden Zweifeln und Anwandlungen trügerischer Hoffnung ausgeliefert. Hier jetzt die Intensität aufrechtzuerhalten und sogar zu steigern, weist den erstklassigen Liedgestalter aus, als der Mauro Peter sich im Laufe des Zyklus immer mehr bewährt.

Schloss-Nymphenburg © Bayerische-Schloesserverwaltung

Mit der Entdeckung eines vermeintlichen Nebenbuhlers bricht nun eine Schimpfkanonade los, die sich immer mehr in Rage steigert. Eifersucht und Stolz brechen sich Bahn, die grüne Farbe, lieb und böse zugleich, lässt wieder Selbstmitleid aufkommen. Todessehnsucht drückt sich im Pianissimo aus, dann bricht nochmals Verzweiflung und Wut durch. Doch am Ende erlebt der durch immer intensivere Gestaltung feiner Nuancen in den Bann des unglücklichen jungen Mannes gezogene Zuhörer nur noch Resignation, das Dahinschwinden vager letzter Hoffnungen und den in unwirklich harmonischem Klanggewand angedeuteten Freitod, den Schubert in zarten Tönen als Erlösung zeichnet. So hielten die Zuhörer nach dem Schlussakkord noch ein Weilchen inne, bis dann begeisterter Applaus gespendet wurde.

So überzeugend gelang dieser Abschluss, dass ich mich fast vor einer Zugabe fürchtete. Wie würde es gelingen, hier dem Wunsch des Publikums nachzukommen, ohne die entstandene, so dichte Stimmung zu zerstören?

Mauro Peter löst die Anspannung, indem er ein kleines Lied ankündigt, in dem man erfährt, wie die Schöne Müllerin möglicherweise heißen könnte. Zu filigraner Klavierbegleitung stimmt er Schuberts „Der Jüngling an der Quelle“ an, an dessen Ende wie ein Seufzer der Name „Luise“ erklingt. Ich empfand das als einen passenden und die Rückkehr in das Hier und Jetzt gut unterstützenden Ausklang des erinnerungswürdigen Konzerts.

So bewegend das Schicksal des unglücklichen Jünglings auch gestaltet wurde, darf doch der zweite Akteur dieses Dramas nicht übersehen werden: es ist der im Klavierpart angelegte Bach, der beständig, wenn auch mit wechselnder Geschwindigkeit dahinfließt. Dieser ist immer da, hat Anteil am Fortgang der Erzählung, und doch besteht die Gefahr, dass die künstlerische Leistung am Klavier am Ende übersehen wird.

Das wäre hier ein grobes Versäumnis, denn Akemi Murakami leistete im besten Einvernehmen mit dem Sänger einen bedeutenden Beitrag zur Gefühlsintensität dieses Liederabends. Sie malte das Rieseln des Bachs, das Klappern des Mühlrads, aber auch die wechselhaften Gemütszustände und am Ende die fast überirdische Ruhe des Ausklangs. Zum 31. Mal hat sie ein Konzert der „Liederleben“-Reihe nicht nur organisiert, sondern auch durch künstlerisches Wirken bereichert. Dafür sage ich von Herzen Dankeschön!

Dr. Lorenz Kerscher, 18. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Rising Stars 47: Jonathan Tetelman, Tenor – sein Weg führt direkt nach oben

Rising Stars 3: Galeano Salas, Tenor – lyrischer Wohlklang und jugendlicher Charme

Rising Stars 51: Pene Pati – seine Rugbyleidenschaft wies den Weg zur Karriere klassik-begeistert.de, 22. Februar 2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert