Blu-ray-Rezension:
Piotr Ilyich Tchaikovsky
Jolanta and the Nutcracker
Choreographie Andrey Kaydanovskyi
Regie Lotte de Beer
Wiener Staatsballett
Orchester der Wiener Volksoper
Dirigent Omer Meir Wellber
Unitel 765204
von Peter Sommeregger
Die Freude über ein neues Leitungsteam an der Wiener Volksoper währte nicht lange: der neue Chefdirigent Omer Meir Wellber, der sich bereits international einen guten Ruf erworben hatte, kündigte sein Wiener Engagement, um die Stelle des Chefs der Hamburger Oper anzunehmen.
Die neue Intendantin, Lotte de Beer, inszenierte zum Einstand Tchaikovskys Oper Jolanta. Diese war 1892 in St. Petersburg an einem Abend mit dem Ballett „Der Nussknacker“ gekoppelt uraufgeführt worden. Das folgte einer damals üblichen Praxis, an die de Beer mit der Verschmelzung der beiden Werke anknüpfen wollte. Das Resultat konnte allerdings in keiner Weise überzeugen.
Vom Ballett blieben in dieser Version nur wenige Szenen übrig, die ziemlich unmotiviert in die Handlung der Oper Jolanta eingefügt wurden. Zwar gelang es dem Wiener Staatsballett durchaus, zu überzeugen, viel Gelegenheit dazu bekam es allerdings nicht. Warum der Choreograph Andrey Kaydanovskyi allerdings gestandene Männer in klassischen Tutus tanzen ließ, bleibt sein Geheimnis. In Russland hätte er dafür Repressalien befürchten müssen.
Auch die kurze Oper Jolanta bekommt man in einer sehr reduzierten Form zu sehen. Die Produktion verzichtet vollständig auf jede Art von Dekoration, es gibt keine Requisiten außer ein paar Stühlen, die Sänger tragen Alltagskleidung, Jolanta ein weißes Nachthemd. Man wird den Eindruck nicht los, einer Probe im frühen Stadium beizuwohnen. Der Charme dieses ein wenig sentimentalen Märchens bleibt so vollständig auf der Strecke.
Musikalisch wird dafür ein sehr viel höheres Niveau erreicht. Olesya Golovneva gibt der schwärmerischen blinden Prinzessin ein klares Profil und vokal ihren kräftigen, klangschönen lyrischen Sopran. Ihren Liebhaber Robert versieht Andrei Bondarenko mit lyrischem Schmelz, an exponierten Stellen stößt sein Tenor allerdings an seine Grenzen. Dem König René verleiht Stefan Cerny optisch wie stimmlich eine entsprechende Dominanz, ansprechen auch der Bariton Szymon Komasas in der Rolle des Arztes Ibn-Hakia. Warum der Sänger allerdings durchgängig ein breites Grinsen zeigt, bleibt offen.
Omer Meir Wellber führt das Orchester der Wiener Volksoper mit Stilgefühl und Umsicht durch Tchaikovskys Partitur, bedauerlich, dass sein Engagement schon wieder zu Ende geht.
Lotte de Beers Idee der Kombination der beiden Stücke muss man als gescheitert bezeichnen. In dieser gezeigten Form kann weder das Ballett, noch die Oper in ihren Reiz voll entfalten.
Peter Sommeregger, 11. Dezember 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
DVD-Rezension: Tchaikovsky Eugen Onegin klassik-begeistert.de, 20. Juli 2023