Foto: Lise Davidsen © Arno
Bayerische Staatsoper, München, 5. Mai 2019
Richard Wagner, Tannhäuser
von Sarah Schnoor
Mit warmen Klängen aus dem Graben und einem sehr langsamen Tempo, geleitet von Simone Young, beginnt Wagners „Tannhäuser“ an diesem Abend in München. Begleitet wird die etwas zähe, aber trotzdem schöne, voranschreitende Musik von einem statischen, belanglos wirkenden „Ballett“ halb nackter Bogenschützinnen, die stetig Auge und Ohr auf einer runden Leinwand beschießen.
Der Mann neben mir sitzt die ganze Zeit mit geschlossenen Augen da. Schließlich ist diese wunderbare Musik in dieser Oper, die akustisch ein herrliches Phänomen ist, einfach rein auditiv zu genießen. Wenn dann noch Elena Pankratova in einem pulsierenden Fleischhaufen sitzend auftaucht und ihre warme, klare Sopranstimme mit zartem Vibrato eine hervorragende Venus singt, macht auch der fragwürdige, weiße Gaze-Vorhang nicht mehr viel aus.
Der Tannhäuser des Abends ist wie in der Premiere dieser Inszenierung von Romeo Castellucci Klaus Florian Vogt. Die wohl markanteste Tenorstimme unserer Zeit: sehr hell, klar, kopfig, aber projiziert bis in die letzte Reihe, und sie kann auch gestützt rund klingen, besonders in der Höhe. Leider intoniert Vogt an einigen Stellen etwas tief und ungelenk, schafft aber auch schöne Momente der Innigkeit.
Die süßlich feine, aber durchdringende Stimme von Anna El-Khashem lässt unsichtbar, getragen von schönen Männerchorgesängen und guten Holzbläsern, eine zauberhafte Erscheinung vor den Ohren des Publikums entstehen.
Das Orchester in guter Form. Saubere, rasche Läufe in den Streichern, dynamisch sehr spannungsreich von zart bis mächtig ist alles dabei.
Der Landgraf Hermann ist herrlich besetzt mit Stephen Milling. Kraftvoll, klar, offen und trotzdem geschmeidig klingt sein Bass dem Saal entgegen. Hermann scheint genau seine Rolle zu sein, in der er die verschiedenen Facetten seiner Stimme zeigen kann.
Mit Ludovic Tézier ist ein weiteres Sänger-Schwergewicht auf der Bühne. Sein Bariton liegt allerdings etwas stark im Hals, was sein Legato nicht weniger fließend, aber seine Vokale enger macht. Tézier spielt und singt Wolfram weniger liebevoll und mehr stoisch durchdringend.
Das absolute Highlight des Abends ist Lise Davidsen. Diese unglaubliche dramatische Stimme erzeugt allein durch ihre Größe Ganzkörper-Gänsehaut. Mit wahnsinnig guter Kontrolle manövriert Davidsen ihren Sopran auch in den Pianostellen, die natürlich nur im Verhältnis zu ihrem Forte gesehen werden dürfen, aber trotzdem lieblich und eindringlich klingen. Ruft sie den Männern ihr „Haltet ein!“ entgegen, kann man die markerschütternde Kraft ihrer Stimme kaum fassen. Zusammen mit Milling bildet sie ein Vater-Tochter-Dreamteam.
Der Chor der Bayerischen Staatsoper kann sich wirklich hören lassen. Simone Young schafft es, alles sehr gut zusammenzuhalten und dirigiert sichtbar energiegeladen, auch wenn die langsamen Stellen sehr pathetisch dahinfließen. Schade ist es, dass die Knaben des Tölzer Knabenchors nur so einen kurzen Auftritt haben.
Das gesamte Ensemble macht diesen Abend trotz der wenig einfallsreichen, statischen Inszenierung in Schwarz-Weiß-Beige zu einem besonderen und kann auch a-capella berühren. Neben vereinzelten Buh-Rufen für das Dirigat, wird allen voran Lise Davidsen bejubelt, die mit ihrer großen Sopranstimme derzeit in London, Zürich, München und Bayreuth das Publikum begeistert.
Sarah Schnoor, 6. Mai 2019, für
klassik-begeistert.de
Musikalische Leitung: Simone Young
Inszenierung: Romeo Castellucci
Hermann, Landgraf von Thüringen: Stephen Milling
Tannhäuser: Klaus Florian Vogt
Wolfram von Eschenbach: Ludovic Tézier
Walther von der Vogelweide: Dean Power
Biterolf: Peter Lobert
Heinrich der Schreiber: Ulrich Reß
Reinmar von Zweter: Lukasz Konieczny
Elisabeth, Nichte des Landgrafen: Lise Davidsen
Venus: Elena Pankratova
Ein junger Hirt: Anna El-Khashem
Vier Edelknaben: Solist/en des Tölzer Knabenchors
Bayerisches Staatsorchester
Chor der Bayerischen Staatsoper
Selten so gelacht über eine „Rezension“!
S. Meier