Foto: © Ava Du Parc
Philharmonie de Paris, Grande salle Pierre Boulez, 21. Januar 2020
Daniel Barenboim: Klavier
Ludwig van Beethoven
Klaviersonate Nr. 9 E-Dur, op. 14, 1
Klaviersonate Nr. 4 Es-Dur, op. 7
Klaviersonate Nr. 21 F-Dur, op. 54
Klaviersonate Nr. 32 C-Moll, op. 111
von Lukas Baake
Am Schluss: eine endlose Stille und dann ein nicht enden wollender Applaus. Daniel Barenboim hat seinen Zyklus der Beethovensonaten in der Pariser Philharmonie mit einem letzten Konzert abgeschlossen, das noch einmal eindrücklich die ganze Spannbreite und atemberaubende Tiefe des Beethoven’schen Kosmos demonstrierte.
Das Programm hätte nicht klüger gewählt sein können: Anstatt die großen und schweren letzten Beethovensonaten in einem Konzert zu präsentieren, wurden Sonaten aus den verschiedenen Schaffensperioden Beethovens gespielt. Während in den beiden Sonaten Nr. 4 und 9 der Einfluss von Haydn noch deutlich hörbar ist und die Sonate Nr. 22 schon den bahnbrechenden Charakter von Beethoven zum Ausdruck bringt, ist die letzte Beethovensonate (Nr. 32) einer der Höhepunkte seiner späten Schaffensperiode.
Die große Zuneigung des Publikums zu Barenboim war beim Anfangsapplaus spürbar und entlud sich nach dem Konzert in wahre Begeisterungsstürme. Barenboim selbst ist vertraut mit dem Pariser Publikum, begann er doch seine Dirigentenkarriere als Chefdirigent des Orchestre de Paris. Auch die Beschäftigung mit den Klaviersonaten Beethovens zieht sich durch die lange und erfolgreiche Karriere Barenboims: Als Siebzehnjähriger spielte er sie erstmalig in Tel Aviv, zuletzt konnte er eine mustergültige Konzertreihe 2006 in der Staatsoper in Berlin vorlegen. Nun, zum großen Beethovenjahr, spielt er sie erneut in den europäischen Musikhauptstädten Berlin, Paris und Wien.
Im Vergleich zu seinen früheren Aufnahmen wirkt Barenboims Beethoven ruhiger und gelassen. Barenboim lässt Töne liegen, stellt die Themen in ihrer Breite dar und lässt sich Zeit. Dies wirkt bisweilen träge und undynamisch (beispielsweise im 2. Satz der Klaversonate Nr. 9), ist aber im Gesamten sehr überzeugend: Es ergibt sich so ein Klangbild, das Zusammenhänge offenbart, die vorher unbekannt im Dunkeln lagen.
Leider weiß das Publikum dies nicht immer zu schätzen. Immer wieder stören regelrechte Hustkonzerte den Hörgenuss. Gerade bei intimen Passagen – zum Beispiel dem Largo der „Grande Sonate“ (op. 7) – ist dies unerträglich. Diese Unruhe des Publikums kann auch darauf zurückgeführt werden, dass der große Saal der Pariser Philharmonie (2400 Plätze) eher ungeeignet ist für die Sonaten Beethovens, die einen intimeren Rahmen erfordern.
Jede Beethovensonate in der Interpretation von Barenboim würde es verdienen ausführlich besprochen zu werden: Es ließe sich das Spiel mit den Harmonien in der Durchführung des Kopfsatzes der Sonate Nr. 9, die „himmlische Länge“ der Sonate Nr. 4 oder die außergewöhnliche Form der Sonate op. 54 hervorheben. Der unantastbare Höhepunkt des Konzerts jedoch, stellte Beethovens letzte Sonate (Nr. 32, op. 111) dar.
Dies zeigte sich auch in der Reaktion des Publikums: Während dieses zuvor immer wieder durch Unkonzentriertheit und penetranten Husten auffiel, wurde es bereits nach den ersten donnernden Oktaven, die den ersten Satz einleiten, ganz still. Man folgte atemlos und gespannt, wie Barenboim die Dramatik und Tiefe des ersten Satzes herausarbeitete.
Im zweiten Satz, das mit dem zerbrechlichen Arietta-Thema in C-Dur anhebt und sich dann in fantastischen Variationen fortbewegt, spielt Barenboim auf voller Höhe. Tief über das Klavier gebeugt, versunken in der Musik, die Augen geschlossen, bringt er die gewaltigen Variationen des zerbrechlichen Themas zum Klingen. Nach der letzten Wiederholung des Arietta-Themas am Ende des Stücks macht das Publikum dem Künstler das größte nur mögliche Kompliment: Kein plötzlich einsetzender Applaus, sondern eine tief bewegte, scheinbar endlose Stille.
Lukas Baake, 25. Januar 2020,
für klassik-begeistert.de.