Teatro La Fenice, Venezia, 19. Februar 2020
Gaetano Donizetti, L’Elisir d’Amore
Foto: Zuschauerraum nach der Rekonstruktion, 2018,
Teatro La Fenice (c)
Diese (Gianmaurizio Ferconi) fügt sich perfekt ein in das mit elegant geschwungenen Goldornamenten und Barockengeln reich geschmückte Ambiente des Zuschauerraums im Fenice – und markiert doch gleichzeitig einen Kontrast : Die schlichten, minimalistisch gehaltenen Kulissen erinnern an die traditionellen, weitgehend improvisierten Theateraufführungen auf italienischen Dorfplätzen, also auch an die berühmte Commedia dell‘ Arte (die ja als komischer Höhepunkt, dem Duett zwischen dem „Veccho Senator“ – verkörpert von Dulcamara – und der „Giovane Gondoliera“ – gespielt von Adina bei der fingierten Hochzeit im zweiten Akt figuriert.
Den Hintergrund bilden schwarzweiße Stiche mit Ansichten von Landschaften, Städten oder Innenräumen aus dem 18. Jahrhundert. Auffällig übrigens die unübersehbare Neigung des Regisseurs zur Symmetrie: Sowohl der Chor als auch die Protagonisten werden jeweils symmetrisch auf der Bühne aufgebaut, was dann zu eher statischen Wirkungen führt.
Witzig die Idee, den Quacksalber und seine Mannschaft nicht mit einer real existierenden Kutsche auffahren zu lassen – was sonst Standard in jeder Inszenierung ist – sondern, getreu dem Konzept der Dorfplatz-Bühne, in einer in einem Holzgestell aufgehängten Abbildung einer Kutsche. Also: Des Doktor Dulcamaras Wunderheilmittel und sein Liebeselexir sind ebenso unecht wie die optische Theater-Illusion der Kutsche, in der er ankommt. Konsequent durchdacht. Wirklich turbulent wird es am Schluss, wenn Dulcamara, mit üppiger rothaariger Perücke, aus dem Publikum zum Orchestergraben stürzt, dem Dirigenten (Jader Bignamini) den Stab entreißt und selbst den berühmten Ohrwurm der letzten Szene dirigiert. Worauf der Dirigent wütend demissioniert, aus dem Zuschauerraum stürmt und kurz darauf diesen als Double des Dulcamara, nun ebenfalls mit feuerroter Perücke, übertrieben feierlich wieder betritt – ein großer Lacherfolg beim venezianischen Publikum.
Ambitioniert bietet das „Fenice“ Aufführungen dieser Oper an aufeinanderfolgenden Tagen – naturgemäß benötigt das Haus eine doppelte Besetzung. Wir sahen und hörten die zweite Besetzung, und sie war keineswegs zweitrangig, sondern ganz ausgezeichnet. Besonders die Adina von Veronica Marini, die ihre Koloraturen mit wunderbar dunkel timbrierter Stimme, mit schwereloser Leichtigkeit und einer geradezu akrobatischen Sicherheit in Angriff nahm. Sie war unbestreitbar der große Star dieses Abends und das Duett mit Dulcamara (spritzig und stimmlich sehr solide: Francesco Vultaggio) im zweiten Akt war schlichtweg hinreißend.
Dicht gefolgt vom zweiten musikalischen Höhepunkt, der berühmten Arie „una furtiva lacrima“ des Nemorino (schon der Name dieser Figur – „ein kleiner Niemand“ – ist gewissermaßen Programm). Leonardo Cortellazzi gab dieses musikalische Schaustück, auf das jeweils im Zuschauerraum alle gespannt warten: So berührend, wie es sich gehört und mit gebührend tenoralem Schmelz zum Besten – nachdem er im ersten Akt schauspielerisch äußerst humorvoll und stimmlich sehr harmonisch, aber noch nicht wirklich herausragend gewirkt hatte. Marcello Rosiello ließ mit perfekter Bühnenpräsenz und verführerisch maskulinem Bariton an seinem eitlen Offizier Belcore nichts zu wünschen übrig.
Jader Bignamini entlockte dem Orchester des „Fenice“ all das Temperament und die spielerische Leichtigkeit – all die „Italianità“ – welche Donizetti unbedingt erfordert (und nördlich der Alpen nicht immer erhält).
Dr. Charles E. Ritterband, 20. Februar 2020,
für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Dirigent und Konzertmeister: Jader Bignamini
Regie: Bepi Morassi
Bühne und Kostüme: Gianmaurizio Ferconi
Adina: Veronica Marini
Nemorino: Leonardo Cortellazzi
Belcore: Marcello Rosiello
Dottor Dulcamara: Francesco Vultaggio
Gianetta: Arianna Donadelli
Orchester und Chor des Teatro La Fenice