Pretty Yende überzeugt nicht vollends in einem Evergreen an der Deutschen Oper Berlin

Gaetano Donizetti, Lucia di Lammermoor, Noel Bouley, Pretty Yende, René Barbera, Riccardo Zanellato  Deutsche Oper Berlin

Foto: © Bettina Stöß
Gaetano Donizetti: Lucia di Lammermoor
Deutsche Oper Berlin
Musikalische Leitung Ivan Repusic
Inszenierung, Bühne, Kostüme Filippo Sanjust
Chöre Thomas Richter
Enrico Noel Bouley
Lucia Pretty Yende
Edgardo René Barbera
Arturo Attilio Glaser
Raimondo Riccardo Zanellato
Alice Vasilisa Berzhanskaya
Normanno Jörg Schörner
Chor der Deutschen Oper Berlin
Orchester der Deutschen Oper Berlin

von Yehya Alazem

In seiner 51. Oper verlangte Gaetano Donizetti ganz einfach „Liebe, nur Liebe, sinnlich-leidenschaftsvoll, rasende Liebe“. Für dieses Verlangen fand er endlich den Librettisten, nach dem er lange gesucht hatte: Salvatore Cammarano. In seinem Libretto konnte er ein brutal psychologisches Drama verwirklichen, das voll von Liebe, Wahnsinn und Tod ist. Die Uraufführung der „Lucia di Lammermoor“ fand am 26. September 1835 im Teatro San Carlo in Neapel statt – die Oper wurde nach der Premiere eine Sensation.

Am Sonntagabend lief an der Deutschen Oper Berlin die 138. Vorstellung der Inszenierung von Filippo Sanjust, die ihre Premiere im Dezember 1980 hatte. Eine ultraklassische, konventionelle und zeitlose Inszenierung, die zwar den Kern der Oper vermittelt, die psychologische Spannung im Drama indes nicht zu Tage fördert. Die Bühnenbilder sind so statisch, als spielte ein Puppentheater auf der Bühne.

Nun könnte man die Inszenierung als Nebensache betrachten, denn die Aufführungen wurden in den letzten Jahren von Klassesängern besetzt – so auch in diesem Jahr. Die Hauptrollen des Liebespaares Lucia und Edgardo werden in dieser Saison von der südafrikanischen Sopranistin Pretty Yende und dem amerikanischen Tenor René Barbera gesungen.

Nach ihrem 1. Preis in der „Operalia Competition“ in Moskau 2011 wurde Pretty Yende von vielen großen Opernhäusern der Welt angefragt. Schon 2015 feierte sie ihr Rollendebut als Lucia an der Deutschen Oper Berlin – ein riesiger Erfolg. 2016 sang sie die Rolle in Paris, 2018 wird sie die Lucia an der Metropolitan Opera in New York singen.

Am Sonntag stand Pretty Yende zum dritten Mal an der Deutschen Oper Berlin als Lucia auf der Bühne. Hinter den superben hohen Tönen und den brillanten Koloraturen, die Yende bot, versteckten sich einige Mängel. Die Verbindungen zwischen den Phrasen sollten geschmeidiger fließen. Zudem hat die Sopranistin manchmal einen etwas unsicheren Tonansatz, so dass man glauben könnte, sie beherrsche die Rolle nicht. Schauspielerisch ist sie überzeugend. Ihre Darstellung war so glaubwürdig, dass das Publikum während der ganzen Wahnsinnsszene den Atem anhielt.

Neben Yende glänzte der Tenor René Barbera, der einen stark emotionalen, leidenschaftlichen Edgardo darstellte. Er konnte dessen Gefühle gut differenzieren – seine endlose Liebe zu Lucia beim Liebesduett am Ende des ersten Aktes verwandelte sich in fürchterliche Wut am Ende des zweiten Aktes. Seine klare Stimme bot wunderschöne und vollkommen kontrollierte Crescendi und Diminuendi, die besonders in seinen letzten zwei Arien begeisterten.

Der amerikanische Bariton Noel Bouley sang den Enrico mit Kraft und Kompromisslosigkeit. Er hat manchmal ein zu dunkles Timbre für die Rolle, weshalb der Kontrast zu Raimondo zu klein schien. Im Duett mit Lucia – „Se tradirmi tu potrai“ – im zweiten Akt sang er ein wenig zu schwer und konnte der agilen Lucia nicht so gut folgen.

Der Italiener Riccardo Zanellato sang mit seinem warmherzigen Bass einen überzeugenden Raimondo. Sein Duett mit Lucia war eine echte stimmliche Umarmung. Im zweiten Akt sang er in „Ebben? Di tua speranza“ und „Ah! Cedi, cedi“ elegant und sympathisch.

Ivan Repusics Dirigat des Orchesters der Deutschen Oper Berlin war voller Energie und rhythmischer Präzision, ohne die Stimmen der Sänger zu überdecken. Der Chor der Deutschen Oper Berlin sang mit Kraft und Leidenschaft.

Yehya Alazem, 19. September 2017,
für klassik-begeistert.de

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