Sommereggers Klassikwelt 63: Traian Grosavescu – ein Stern, der früh verglühte

Sommereggers Klassikwelt 63  klassik-begeistert.de

von Peter Sommeregger

Der spätere Opernsänger Traian Grosavescu wurde am 21. November 1895 im rumänischen Lugoj, damals noch zur Österreichisch-Ungarischen Donau-Monarchie gehörig, geboren. Sein 125. Geburtstag ist eine gute Gelegenheit, sich dieses so tragisch früh verstummten Künstlers zu erinnern.

Sein musikalisches Talent wurde früh erkannt und er erhielt bereits in seinem Heimatort Unterricht in einem Chor. Neben einem in Budapest begonnenen  Jurastudium besuchte er auch die dortige Musikakademie und ließ seine Stimme ausbilden. Der erste Weltkrieg unterbrach seine Studien, die er schließlich 1919 abschließen konnte.

Sein erstes Engagement erhielt er am Opernhaus im rumänischen Klausenburg, dort hörte ihn ein Wiener Agent und vermittelte ihn an die Volksoper in Wien. An diesem Haus eroberte er sich das klassische Fach eines Spinto-Tenors, Herzog im Rigoletto, Edgardo in der Lucia di Lammermoor, Canio im Bajazzo, Cavaradossi in der Tosca. Immer häufiger verlangte auch die Wiener Staatsoper nach ihm, deren Ensemblemitglied er schließlich 1925 wurde und wo er bis zu seinem plötzlichen Tod in über hundert Vorstellungen auftrat.

Inzwischen waren natürlich auch andere Opernhäuser auf den aufstrebenden Tenor aufmerksam geworden. Er gastierte in Budapest, Prag, Oslo und Berlin. Mit der Berliner Staatsoper schloss er schließlich einen Vertrag, der ihn jeweils für die Hälfte einer Spielzeit an das Haus Unter den Linden band. Es bahnte sich eine große internationale Karriere an.

Ende 1923 hatte Grosavescu die Wienerin Nelly Kövesdy geheiratet, die bereits eine geschiedene Ehe hinter sich hatte, und einen Sohn in die Ehe mitbrachte. Im März 1925 wurde die gemeinsame Tochter Mira geboren, die Ehe gestaltete sich jedoch eher unglücklich, seiner Mutter soll er von Scheidungsabsichten berichtet haben.

Am 14. Februar 1927 sang Grosavescu an der Wiener Staatsoper den Herzog in Verdis Rigoletto. Zwei Tage später sollte er in Berlin in Verdis Maskenball neben Frida Leider auftreten. Unmittelbar vor seiner Abreise nach Berlin am 15. Februar erschoss ihn seine Ehefrau Nelly in Gegenwart seiner entsetzten Schwester Olga in der gemeinsamen Wohnung in der Wiener Lerchenfelderstraße 62. Eine Eifersuchtsszene scheint der Tat vorausgegangen zu sein.

Traian Grosavescu wurde in seine Heimatstadt überführt und dort beigesetzt, wo man ihn als den rumänischen Caruso gefeiert hatte.

Nelly Grosavescu wurde in einem Prozess im Sommer 1927 geistige Verwirrung attestiert, von der Mordanklage sprach man sie frei.

Heute ist der hoch begabte Sänger schon weitgehend vergessen, in Rumänien erschien vor einigen Jahren eine Biographie, zu der Grosavescus Tochter noch einige persönliche Erinnerungen beigetragen hatte. Erhalten haben sich allerdings einige Schellackplatten des Tenors für das Label Odeon. Es wäre wünschenswert, wenn sie eines Tages den Weg auf digitale Tonträger finden würden!

Peter Sommeregger, 23. November 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Peter Sommeregger

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

Ein Gedanke zu „Sommereggers Klassikwelt 63
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  1. Lieber Kollege Peter Sommeregger!

    Ich erinnere mich, wie mein Vater, geboren 1904 im nahen Czernowitz, von diesem Sänger geschwärmt hat. Danke für die näheren Informationen!

    Lothar Schweitzer

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