Unfassbar: 2018 keine Oper mehr im burgenländischen Steinbruch St. Margarethen

Demonstratives Desinteresse der burgenländischen Regierung

von Charles E. Ritterband

Wenn die Wiener Theater für die Sommerpause ihre Pforten schließen, erwacht die Kultur im Umland der Donaumetropole. Unbestrittenes kulturelles Highlight unter den zahlreichen musikalischen und Theaterveranstaltungen unter freiem Himmel waren alljährlich die Opernfestspiele im historischen Römersteinbruch von St. Margarethen – im Herzen des burgenländischen Weinlandes, zwischen der Landeshauptstadt Eisenstadt und dem Neusiedler See. Die „Oper im Steinbruch“ mit glanzvollen Produktionen, musikalischer Perfektion und spektakulären Bühnenaufbauten wurde auf der größten Naturbühne Europas inszeniert – eines der drei gewaltigsten und beliebtesten Opernspektakel neben der Seebühne Bregenz und der römischen Arena von Verona.

Skurriler Boykott

Man sollte meinen, dass das Land Burgenland, das sich doch so sehr um Attraktivität als Tourismusdestination bemüht, mehr als dankbar sein sollte für die immensen finanziellen Leistungen, welche die Esterhazy-Gruppe seit Jahren für die jährlichen Opern-Inszenierungen, aber auch für den architektonisch extrem gut gelungenen Ausbau der Infrastruktur um die Naturbühne von St. Margarethen.

Aber nichts dergleichen.

Das offizielle Land Burgenland verweigert aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen (die man durchaus auch als irrational bezeichnen könnte) jede Unterstützung für dieses für den ganzen Osten Österreichs immens wichtige Kulturangebot. Damit hat das Land nun endgültig die für 2018 geplante Produktion („Der Troubadur“) verhindert. Wegen Verweigerung jeder Unterstützung durch die Landesspitzen mussten die bereits geschlossenen Optionen mit den Künstlern und dem Leadingteam aufgelöst werden. Die Landesspitzen versagen der Oper im Steinbruch seit Jahren moralische sowie wirtschaftliche Unterstützung, was, wie es von Seiten der Esterhazy-Gruppe heisst, von den Verantwortlichen der Produktion nicht länger hingenommen werden könne.

Über das im November 2016 von der Esterhazy-Gruppe eingereichte Fördergesuch für die Produktion 2017 – Giuseppe Verdis „Rigoletto“ – wurde bis heute nicht entschieden, stattdessen gingen die breiten Behinderungen durch das Land weiter.  Mehrere Initiativen von Spitzenbeamten des Landes für eine neue positive Gesprächsbasis wurden vom burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl persönlich blockiert. Die Esterhazy-Gruppe hatte 2014 unmittelbar vor der Premiere der Giuseppe-Verdi-Oper „Aida“, nach Eintritt der Insolvenz des früheren Veranstalters, das Format der Oper im Steinbruch durch die Übernahme der Produktion gerettet. Damit hat Esterhazy im Rahmen des Stiftungsauftrages durch große zusätzliche Investitionen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und zur weiteren Entwicklung des Burgenlandes als Kultur- und Tourismusregion geleistet. Das Publikum sowie österreichische aber auch internationale Medien hatten diese wichtige Leistung von Arenaria GmbH und der Esterhazy-Gruppe 2014 entsprechend gewürdigt.

Esterhazy und die Produktionsgesellschaft Arenaria hatten angenommen, dass ihr bedeutender Einsatz für die touristische und kulturelle Entwicklung des Burgenlandes auch von den Spitzenvertretern der burgenländischen, von den Sozialdemokraten geführten Politik anerkannt wird. Durch das Fernbleiben sämtlicher burgenländischer Spitzenpolitiker bei der Premiere von „Aida“ bewies man jedoch das Gegenteil.

Klares Bekenntnis gefordert

Nachdem die Esterhazy-Gruppe seit 2011 erfolgreich und mit stets steigender Qualität insgesamt fünf Opern veranstaltet hat, steht man nun an der „Wasserscheide“.  Trotz eines klaren Urteils des Landesgerichts Eisenstadt, das der Arenaria GmbH die beantragten Förderungen (rund acht Prozent des Produktionsbudgets) im Frühjahr 2017 vollinhaltlich zugesprochen hat, wurde auf das neue Fördergesuch für 2017/18 bis heute in keiner Weise eingegangen. Es erfolgte lediglich ein kurzes völlig inhaltsloses Hinhalteschreiben. In einem Schreiben vom 12. Juni 2017 wurde Landeshauptmann Hans Niessl ausführlich informiert und um Unterstützung gebeten.  Dabei wurde er auch davon in Kenntnis gesetzt, dass für eine erfolgreiche Produktion 2018 die Künstler, das Leadingteam sowie das Orchester nur bis zum 15. Juli optioniert werden konnten.

In diesem Schreiben der Arenaria GmbH an den Landeshauptmann wurde unmissverständlich kommuniziert, dass für die Weiterführung der Oper im Steinbruch ein klares Bekenntnis des Landes zu diesem wichtigen Tourismus- und Kulturprojekt notwendig sei. Seit der gesetzten Frist vom 15. Juli 2017 sind nun Monate verstrichen, ohne dass die Spitze des Landes ein klares positives Zeichen gesetzt hätte. Das Förderansuchen an das Land vom 7. November 2016 für die Produktion 2017/18 blieb bis heute inhaltlich unbeantwortet.

Spitzenbeamte des Landes versuchten in der Vergangenheit immer wieder ein direktes Gespräch zwischen Landeshauptmann Hans Niessl und der Esterhazy-Gruppe zu vermitteln, doch diese Versuche scheiterten an der konsequenten Gesprächsverweigerung des Landeshauptmannes.

Wichtiger Wirtschaftsfaktor

Das Opernprojekt und der Steinbruch St. Margarethen sind mit ihren rund 100.000 Besuchern pro Jahr ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im und für das Burgenland.  In jedem Spieljahr leistet der Betreiber Arenaria GmbH rund eine Million Euro an Steuern und Abgaben an den Staat und damit auch an das Land Burgenland.  In der Produktionsphase von Mai bis Ende August sind bis zu 600 Personen für die Oper tätig.  Rund 50 Prozent der Statisten und sonstigen Mitarbeiter stammen aus der Region rund um St. Margarethen; unter ihnen viele Schüler und Studenten, die dadurch eine abwechslungsreiche und interessante Sommerbeschäftigung erhalten.  Die wirtschaftliche Umweg-Rentabilität einer einzigen Produktion beträgt über 30 Millionen Euro, die dem Land und der gesamten Region zu Gute kommen.  Begünstigt sind vor allem Nächtigungsbetriebe, Gastronomie, Transportwirtschaft, Einzelhandel und viele mehr.

Zu bedenken ist auch die Wechselwirkung mit den Seefestspielen Mörbisch.  Beide Festivals profitierten voneinander im Verkauf und in der Bewerbung.

Die diesjährige Auführung der Verdi-Oper „Rigoletto“ unter der Regie von Philippe Arlaud hat erneut gezeigt, dass ein anspruchsvolles Opernwerk auf hohem künstlerischen Niveau und in einer sehr attraktiven Inszenierung nicht nur von Opernkennern, sondern auch von einem breiten Publikum ganz hervorragend angenommen wird.  Die begeisternden Kritiken der in- und ausländischen Presse bestätigen, dass die Oper im Steinbruch heute zu den führenden Freilicht-Veranstaltungen in Europa zu zählen ist. Dies wurde 2016 auch durch den Österreichischen Musiktheaterpreis gewürdigt.

Gezielte Blockaden

Seit 2014 haben es jedoch weder der Landeshauptmann des Burgenlandes noch der Kulturlandesrat persönlich für notwendig erachtet, auch nur zu einer der Premieren der Oper zu kommen – bei den Produktionen vor 2014 waren sie stets präsent. Als Repräsentanten des Landes weisen Spitzenpolitiker mit ihrem Verhalten klar darauf hin, welche Veranstaltungen zum Besuch von ihnen „empfohlen“ werden und welche nicht.  Diese traurige Erfahrung mussten die BurgenländerInnen in den vergangenen Jahren auch bei mehreren anderen Veranstaltungen machen, die den Landesgranden offensichtlich nicht ins Konzept passten.

Solche Verhaltensmuster schlagen sich potentiell auch auf die Besucherzahlen nieder. Für den Veranstalter kann dies zu einem erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Schaden führen.  Diese Schädigungen werden offensichtlich in Kauf genommen, wenn nicht sogar bewusst gefördert.

Es gibt keine Opern- oder Konzertveranstaltungen in Österreich, die ohne wirtschaftliche und ideelle Unterstützung durch die öffentliche Hand möglich sind. Auch wenn Esterhazy bereit ist, seinem Stiftungsauftrag folgend, die Oper im Steinbruch mit hohen Zuschüssen zu stützen, so bedeutet das nicht, dass sich die öffentliche Hand völlig aus ihrer Verantwortung nehmen kann. Mit dem Engagement für Schloss Esterhazy, die Burg Forchtenstein und Schloss Lackenbach und andere werden die Möglichkeiten der Esterhazy-Gruppe, die eine hohe Steuerleistung erbringt und jeden erwirtschafteten Cent in die Kultur des Burgenlandes investiert, budgetär ausgereizt.

Dem neutralen Beobachter (und Opernliebhaber) bleibt das irrationale und wirtschaftlich kontraproduktive Verhalten der burgenländischen Landesregierung ein Rätsel. Mit politischen Motiven ist dies nicht vernünftig zu erklären. Zu hoffen ist, dass die großartige Naturszenerie von St. Margarethen dereinst – in den Jahren nach 2018 – wieder von den Arien Verdis, Puccinis und Bizets erfüllt wird.

Der Journalist und Klassikliebhaber Dr. Charles E. Ritterband schreibt exklusiv für klassik-begeistert.at. Er war für die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) Korrespondent in Jerusalem, London, Washington D.C. und Buenos Aires. Der gebürtige Schweizer lebt seit 2001 in Wien und war dort 12 Jahre lang Korrespondent für Österreich und Ungarn. Ritterband geht mit seinem Pudel Nando für die TV-Sendung „Des Pudels Kern“ auf dem Kultursender ORF III den Wiener Eigenheiten auf den Grund.

 

2 Gedanken zu „2018 keine Oper mehr im burgenländischen Steinbruch St. Margarethen,
Analyse“

  1. Achtung: Halbwissen!

    Angeblich fordert die Esterhazy Gruppe von der Landesregierung Schadenersatz in der Höhe von 10 Millionen Euro. Grund: Die Landesregierung habe im Schloß Esterhazy ihre Instandhaltunggspflichten versäumt. Der Boykott des Festivals sei nun deren Revanche.

    Jürgen Pathy

  2. Sehr geehrte Damen und Herren der Burgenländischen Landesregierung und des Landesparlamentes!
    Seit einigen Monaten verfolge ich als Deutscher den Skandal um die Opernspiele im Steinbruch St.Margarethen. Es ist unfassbar und völlig unverständlich, dass man für die finanziellen Probleme einer so bedeutende Kultureinrichtung keine Lösung findet. Ich hätte mich darauf gefreut, wieder einmal einige Tage nach Wien zu fahren und dabei die nicht weit entfernten Freilichtbühnen von Mörbisch und St. Margarethen zu besuchen, denn das ist ja alles nicht weit voneinander entfernt. Und noch einiges mehr. Und da lässt man anscheinend so ein Theater, das auch ein touristisches Highlighht war, im Stich – unverzeihlich! Nun hoffe ich sehr, dass im Burgenland doch noch die Einsicht einzieht und es für 2019 wider eine gute Opern-Aufführung gibt, denn gerade die Verbindung zwischen Operette in Mörbisch, Oper in St.Margareten, und das noch unweit von Wien – einfach ideal. Und so etwas zerstört man doch nicht !!!
    Mit freundlichen Grüßen und der Hoffnung auf eine baldige gute Lösung grüße ich Sie aus Deutschland.
    Bruno Engl, D-63814 Mainaschaff, Friedhofstr.30

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