CD- Rezension:
Brahms Symphonien 3 & 4
Gewandhausorchester
Herbert Blomstedt
Pentatone PTC 5186 852
von Peter Sommeregger
Auch die Pandemie konnte den Doyen der internationalen Pultgrößen, Herbert Blomstedt, nicht davon abhalten, sein Projekt, alle vier Brahms-Symphonien mit dem Gewandhausorchester Leipzig abermals für Tonträger einzuspielen.
Nun liegen auch die dritte und vierte Symphonie vor, und die erneute Beschäftigung Blomstedts mit diesen Werken spiegelt auch die tiefe Vertrautheit mit diesem Spitzenorchester wieder, dessen Kapellmeister er von 1998 bis 2005 war. Zu „DDR“-Zeiten war er Chef der Staatskapelle in Dresden (1975-1985)! Der Maestro kam als Sohn schwedischer Eltern in den USA zur Welt; sein Vater war adventistischer Pastor. Blomstedt erhielt seine erste musikalische Ausbildung am Königlichen Konservatorium in Stockholm und an der Universität Uppsala. Er studierte Dirigieren an der Juilliard School of Music in New York City, zeitgenössische Musik in Darmstadt sowie Renaissance- und Barockmusik an der Schola Cantorum Basel.
Die 1883 entstandene Symphonie in F-Dur hat trotz des großen Orchesterapparates strukturell kammermusikalische Strukturen. Denen spürt der Dirigent auf subtile Weise nach und musiziert sie ungewöhnlich zart aus. Ihm gelingt eine von Altersweisheit geprägte, uneitle und sehr persönliche Lesart des Werkes.
Die vierte Symphonie in E-Moll, 1884 und 1885 entstanden, krönt und beschließt Brahms’ symphonisches Schaffen. Auch in dieser Symphonie dominiert wieder das System permanenter Variationen der Hauptthemen, im Finalsatz sind es nicht weniger als 30, die auf das ursprüngliche achttaktige Motiv, das auf die Bach-Kantate „Nach dir, Herr, verlanget mich“ zurückgreift, bis zum monumentalen Ende führen.
Auch hier zeigt sich Blomstedt als souveräner Kenner des Werkes und gibt der Symphonie Struktur und persönliche Lesart. Wenn Blomstedts Jahre in Leipzig auch lange zurückliegen, eine Vertrautheit mit Eigenheit und Charakter dieses Klangkörpers der Spitzenklasse kann man förmlich mithören.
Herbert Blomstedt, der im Juli dieses Jahres seinen 95. Geburtstag feiern kann, ist schon seiner unverwüstlichen Konstitution wegen ein Phänomen.
Seine charakteristische, nur mit Handzeichen arbeitende Zeichensetzung ist zu einem Markenzeichen geworden, dazu kommt die Ausstrahlung eines in sich ruhenden Menschen, der sich und der Welt nichts mehr beweisen muss, aber mit ungebrochener Freude musiziert.
Konzerte mit Blomstedt, die er nach wie vor an vielen Orten gibt, sind nicht immer nur musikalische Erlebnisse, Blomstedt gelingt es, seine positive Energie über die Musik an das Publikum weiterzugeben. Hoffentlich bleibt er der Musikwelt noch lange Zeit erhalten!
Peter Sommeregger, 14. Juni 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Herbert Blomstedt Berliner Philharmoniker, Philharmonie Berlin, 30.9.2021