My fair Lady am Gärtnerplatz, München - sensible Beachtung der Vorlage, hervorragende Einrichtung und Protagonisten

Frederick Loewe, My fair Lady, Theater am Gärtnerplatz München, 3. März 2018

Bilder © Marie-Laure Briane
Frederick Loewe, My fair Lady, Theater am Gärtnerplatz München,

3. März 2018

von Tim Theo Tinn

Dieses Meisterstück anspruchsvoller Unterhaltung sollte man nicht befragen, um daraus möglicherweise mit Gehirnakrobatik etwas Anderes zu schaffen.  Motto: Never change a winning team – hier das Musical, wie man es kennt. Dazu bedarf es einiger Uneitelkeit. Am Gärtnerplatz ist dies gepaart mit ungeheurem Regie-, Choreografie-Vermögen, brillanten Darstellern, toller musikalischer Einrichtung, ebensolchem Vortrag, sowie Perfektion auf allen Ebenen.

Mit wieviel Sorgfalt und Mühe muss diese detailversessene Arbeit – (angefangen beim Casting) – ausgeführt worden sein, um dem Publikum einen Abend im Sinne  von Screwball-Komödien (s. gutes altes Hollywood-Kino mit z.B. Marylin Monroe, von Billy Wilder etc.) zu bieten: – (hier benutzt der Rezensent Wikipedia, da er es nicht besser könnte -: ) Screwball-Komödien thematisieren häufig den Konflikt zwischen Gegensätzen wie Bildung und Unbildung, Reich und Arm sowie vor allem Mann und Frau … Im Idealfall zeichnen sie sich …. mit feinem und intelligenten Wortwitz, einem rasanten Tempo und einer raffinierten konstruierten Handlung aus. Das Genre bewegt sich oft an der Grenze zur Farce und greift durchaus auch visuelle Situationskomik und Anleihen aus der Stummfilmzeit auf.

Christian Schleinzer (Cockney), Robert P. Meyer (Alfred P. Doolittle), Stefan Bischoff (Cockney), Ensemble, Chor und Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Beispiel sei hier nur mal die sehr kleine Rolle des Chauffeurs Charles der Mrs. Higgins (Maximilian Berling) erwähnt. Er hat wohl nur einen einzigen Satz – ist aber bei seinen zahlreichen Auftritten immer unter darstellerischer Spannung ohne aufzutrumpfen i.S. eines Buster Keaton (Stummfilm), stoischer Gesichtsausdruck, starrer Blick, sparsame Mimik. Das ist eine der vielen unterschwelligen tiefgreifenden Regiedetails des regieführenden Intendanten Josef E. Köpplinger, die in der Summe diese durchgearbeitete grandiose Inszenierung ausmachen. Hier wurde nie nur ausprobiert, sondern ausufernd geprobt und einstudiert. Den Zuschauer erwartet viel, aber nie zu viel. Das sollte ein Lehrstück für so zahlreiche Regieversuche sein.

Die Arbeit von Karl Alfred Schreiner ist wunderbare choreografische Draufgabe: seine idealen tänzerischen Aufbereitungen erinnern nie an überholtes klassisches Ballett-Gemurkse, sondern lässt normale Menschen, hier sind es natürlich tolle Tänzer, wunderbar zu vorgegebener Musik agieren, es ist kein schwülstiges Gehopse sondern getanztes Erleben der jeweiligen Situationen. Außerordentlich auch das Zusammenspiel mit den übrigen Protagonisten, die keine ausgebildeten Tänzer sind.

Das Licht ging aus, die Musik setzte ein, da zuckt der Rezensent: „ Mann, das ist aber gut“ Vom ersten Takt an schaffte es das Orchester unter Andreas Kowalewitz den Klangteppich in Gala-Qualität durch den Raum schweben zu lassen. Da stimmte alles, ein Anteil am Gesamtkunstwerk.

Man sollte noch auf die einzelnen Protagonisten, auf das Bühnenbild, die bayerische Dialogfassung, die Kostüme und so viel Anderes eingehen. Aber das wäre Doppelsagerei. Alles und Alle: großartig und wunderbar!!

Es gibt für den Rezensenten tolles Erleben im Sexus, im opulenten Speisen und im Besuch eines wunderbaren Musiktheaters. Das wird dem geneigten Publikum hiermit versprochen.

Dirigat, Andreas Kowalewitz
Regie, Josef E. Köpplinger
Choreografie, Karl Alfred Schreiner
Bühne, Rainer Sinell
Kostüme, Marie-Luise Walek
Licht, Michael Heidinger
Video, Meike Ebert
Choreinstudierung, Felix Meybier
Dramaturgie, Michael Alexander Rinz

Eliza Doolittle, Nadine Zeintl
Professor Henry Higgins , Michael Dangl
Oberst Pickering, Friedrich von Thun
Alfred P. Doolittle, Robert Meyer
Freddy Eynsford-Hill, Alexandros Tsilogiannis
Mrs. Higgins, Gisela Ehrensperger
Mrs. Pearce, Dagmar Hellberg
Harry u.a., Stefan Bischoff
Jamie u.a., Christian Schleinzer
Mrs. Eynsford Hill, Ulrike Dostal
Lord Boxington / Cockney u.a., Frank Berg
Lady Boxington, Frances Lucey
Cockney / Butler u.a., Patrick A. Stamme
Stubenmädchen, Katharina Wollmann
Nachbar / Chauffeur / Polizist u.a., Maximilian Berling

Tim Theo Tinn, 4. März 2018
für klassik-begeistert.de

Bilder © Marie-Laure Briane

Ein Gedanke zu „Frederick Loewe, My fair Lady, Theater am Gärtnerplatz München, 3. März 2018“

  1. Lieber Herr Tinn,

    schöne Kritik…Ich hätte mir auf jeden Fall ein wenig mehr Verbales über die Darsteller gewünscht. Freue mich auch darüber, dass das klassische Musical noch gepflegt wird. Die Besetzungsliste liest sich fast wie ein Wunsch – Nadine Zeintl als Eliza Doolittle, diese Rolle verkörperte sie bereits 2009 in Österreich (bei den Seefestspielen Mörbisch), Michael Dangl nahezu perfekt für die Rolle des Higgins, und natürlich F. von Thun sehr gut vorstellbar als Oberst Pickering… nur wie es da mit der Gesangsstimme ausgesehen hat (er ist kein ausgebildeter Sänger)?
    Für mich jedenfalls ein Go-and-See-Stück!
    Martina Klinger

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