Fotos: © Pedro Malinowski
Relativ einfach, aber gelungen!
von Dr. Klaus Billand
Das Staatstheater Nürnberg brachte nach drei wegen der Pandemie ungewollt langen Jahren an Vorbereitungszeit im Oktober eine neue „Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss heraus. Intendant Jens-Daniel Herzog inszeniert selbst. Die Produktion weist enorme dramaturgische Intensität auf, vor allem auch musikalisch durch das Dirigat von GMD Joana Mallwitz mit der Staatsphilharmonie Nürnberg. Schon vom ersten Takt an, dem Kaikobad-Auftakt, entsteht starke Spannung. Sehr schöne Bläser, gute instrumentale Einzelleistungen, die Streicher klangvoll und transparent, exzellent das Cello- und das spätere Geigensolo des Konzertmeisters, aber auch eine hervorragende Sängerführung. Es war beeindruckend, mit welcher Qualität das Stück in Nürnberg musiziert wird.
Herzog hat es relativ einfach gemacht, mit wenigen Requisiten. Die Bühnentechnik ist offenbar auch recht prekär. Man spricht ja seit langem von einer notwendigen Renovierung des Hauses. Zumindest auf der Bühne erscheint das äußerst relevant, da fehlt es offenbar an zentralen technischen Mitteln und Einrichtungen. Im Zuschauerraum und in den Foyers und Gängen scheint das aber ganz und gar nicht der Fall zu sein. Sie wirken wie unmittelbar nach einer Renovierung! Vielleicht sollte man sich mit der Renovierung des Hauses auf die Bühnentechnik konzentrieren, zumal angesichts der Zahlen, die für eine Totalrenovierung im Raum schweben?
Man erlebte durchwegs gute Sänger. Manuela Uhl als Färberin ist als erste zu nennen, auch wenn manche Höhen etwas an Grenzen stießen. Aber das passte durchaus zur emotional zerrissenen Gestaltung der Figur mit einer von Uhl äußerst glaubhaft dargestellten emotionalen Spannung. Sie war der zentrale Mittelpunkt des Abends – alles drehte sich auf der Bühne um sie herum. Thomas Jesatko singt einen hervorragenden, warm tönenden Barak mit klangvollem bassbaritonalen Timbre und spielt die Rolle des Färbers mit all seiner Demut und Schlichtheit sehr authentisch.
Agnieszka Hauzer, als Kaiserin eingesprungen, überzeugte mit guter Mittellage, Ausdruck und beeindruckenden Höhen. Lioba Braun, natürlich schon etwas über den Zenit ihrer langen und so erfolgreichen Karriere über die Brangäne bis zur Isolde, gab eine starke Amme, eine enttäuschte Frau, mit einer dazu passenden vokalen Leistung – eben die böse Amme! Herzog arbeitet hier aber auch gut heraus, dass die Amme eigentlich ungerechtfertigt in den Abbiss geschickt wird. Ein sehr interessanter Samuel Hasselhorn ist ein Geisterbote mit einer jungen, kraftvoll ausdrucksstarken Stimme. Der Kaiser könnte stimmlich etwas wärmer sein, auch mehr Volumen haben. Tadeusz Szlenkier ist aber auch noch sehr jung.
Eine sehr plakative Rolle wird der Erscheinung des Jünglings durch Martin Pelz in rein goldenem „Naturkostüm“ zugewiesen, der die Färberin tatsächlich in emotionale Nöte führt. Die drei Brüder Baraks waren mit dem Einäugigen Wonyong Kang, dem Einarmigen Taras Konoshchenko und den Buckligen Hans Kittelmann gut und auch dramaturgisch interessant besetzt. Interessant und ungewohnt auch die über das normale Maß hinausgehenden Aktionen des Falken, der mit einnehmender lyrischer Stimme von Andromahi Raptis verkörpert wird, sowie von Chloë Morgan als Hüter der Schwelle des Tempels und der Stimme von oben, besetzt mit Sara Setar, einem Mitglied des Internationalen Opernstudios Nürnberg. Der Regisseur legte großen Wert auf eine ausgefeilte Personenregie, die die relativ begrenzte Bühnenaktion elementar komplementierte und so ständig die Spannung aufrecht erhielt. Dazu zählten auch die Wächter mit ihrem so herrlichen Text von Hugo von Hofmannsthal. Wenn Julian Acht, Gor Harutyunyan,Tobias Link, Suren Manukyan, Alexander Alves de Paula, Kurt Schober und Darius Siedlik nicht hinter der Wand der kleinen Wohnung der Färber auf der Vorderbühne hätten singen müssen, wäre ihr Chor sicher noch intensiver gewesen.
In diesem kleinen, zwei Zimmer umfassenden schwebenden Kasten finden die meisten Aktionen statt, vor allem das Leben des Färberpaares. Es wir hier dennoch große dramatische Dichte erzielt, eben auch wegen der guten Sängerdarsteller. Immer wieder kommt eine große Leinwand über die Drehbühne ins Spiel, auf der der Kaiser unter anderem einen Wohnwagen im schemenhaft angedeuteten Wald erblickt, in den er die Kaiserin mit der Amme gehen sieht, somit seine Eifersucht anstachelnd. Es sind immer wieder einfache Bilder, die aber dennoch überzeugen. Im Moment nicht aktive Protagonisten und Nebenrollen nehmen an der Bühnenhinterwand auf einer Bank Platz, bis zum nächsten Einsatz – durchaus etwas ungewöhnlich, vielleicht auch gewöhungsbedürftig…
Der von Tarmo Vaask einstudierte Chor des Staatstheaters Nürnberg und der von Philipp Roosz geleitete Kinderopernchor des Staatstheaters schaffen eindrucksvolle Momente. Insgesamt ist in Nürnberg eine relativ einfache, aber auch deshalb gerade bei diesem komplexen Werk lobenswert verständliche und gute Produktion der „Frau ohne Schatten“ gelungen. Es wird hier sicher viele neue Bewunderer gefunden haben. Erfreulich ist auch, dass im interessanten und gut bebilderten Programmheft, wie bei Dramaturginnen mittlerweile üblich, nicht ein einziges Mal „gegendert“ wird (das Wort gibt es eigentlich gar nicht!). Eine wahrscheinliche Erklärung: Die Dramaturgie liegt in den Händen von Georg Holzer und Hans-Peter Frings, zwei Männern also…
Dr. Klaus Billand www.klaus-billand.com, 6. Dezember 2022, für
klassik-begeistert.e und klassik-begeistert.at
Meine Lieblingsoper, Teil 19: „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss klassik-begeistert.de
Richard Strauss, Frau ohne Schatten, Wiener Staatsoper, 14. Oktober 2019