Die Pianistin Alexandra Dovgan, 15, euphorisiert Wien

Schubert, Schumann, Brahms, Alexandra Dovgan, Klavier  Wiener Konzerthaus, Mozartsaal,

Foto: Alexandra Dovgan © Oscar Tursunov

Der schallende Schlussapplaus, die stehenden Ovationen, die zahllosen Bravorufe lassen keinen Zweifel: Alexandra Dovgan wird in Wien auch zukünftig mit offenen Armen und Ohren empfangen werden.

Franz Schubert
Sonate A-Dur D 664 (1819 ca.)

Robert Schumann
Faschingsschwank aus Wien. Fünf Fantasiebilder für Klavier op. 26 (1839–1840)

***

Johannes Brahms
Variationen und Fuge B-Dur über ein Thema von Georg Friedrich Händel op. 24 (1861)
Drei Intermezzi op. 117 (1892)

Alexandra Dovgan, Klavier

Wiener Konzerthaus, Mozartsaal, 5. Dezember 2022

von Kathrin Schuhmann

Es war ein unvergessliches Konzerterlebnis, das die gerade einmal 15-jährige Pianistin Alexandra Dovgan dem Publikum bescherte, das sich am Montagabend im gut besuchten Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses eingefunden hatte. So war es nicht erst der Schlussapplaus, sondern bereits der Beifall zur Pause, der ein Zeugnis von der grenzenlosen Publikumsbegeisterung ablegt, welche die Nachwuchskünstlerin nicht nur durch ihre technische, sondern vor allem auch ihre interpretatorische Virtuosität zu entfachen vermochte.

Als erstes Werk des Abends erklang die weit bekannte und überaus beliebte Sonate A‑Dur D 664 von Franz Schubert. All diejenigen Hörer, die – wie ursprünglich im Spielplan angekündigt – anstelle dessen Beethovens nicht minder berühmte Sturm-Sonate erwartet hatten, wurden schon nach wenig Takten über die mit der Programmänderung einhergehende Enttäuschung hinweggetröstet. Welch ein Geschick in der Phrasierung, welch ein zart-lieblicher Ton es der jungen Russin gelingt, dem Instrument zu entlocken.

Dovgan beweist mit dieser Nummer eindrucksvoll, dass es nicht immer technischer Hexenwerke bedarf, um zu faszinieren, nein, auch eine außergewöhnliche Musikalität vermag den feinfühligen Hörer zu berücken, und zwar auch dann, wenn ihm ein nur mittelschwieriges Werk präsentiert wird.

Dass es Dovgan – wenn sie denn will – indes ebenfalls ein Leichtes ist, die Zuhörer mit ihren technischen Fertigkeiten am Instrument in ungläubiges Erstaunen zu versetzten, beweist sie mit den folgenden beiden Programmpunkten. Gelingt es ihr in Robert Schumanns Fünf Fantasiebildern für Klavier op. 26, dem sogenannten Faschingsschwank aus Wien, neben der perfekten Ausführung der auch halsbrecherischsten Passagen zugleich immerfort den richtigen Ton zu treffen und damit – sicherlich ganz im Sinne des Komponisten – ein schon an Übermut grenzendes Tasten-Spektakel aufzuführen, demonstriert Dovgan mit Brahms halbstündigem Variationenwerk op. 24 die künstlerische Reife, die sie trotz ihres jugendlichen Alters bereits wie eine gestandene Künstlerin zu transportieren weiß.

Brahms Drei Intermezzi op. 117 bilden den Schluss- und zugleich den Höhepunkt des Konzertabends. Die musikalische Ausgestaltung besticht durch Klarheit und Übersicht. Dovgan spielt auf dem Steinway, als würde sie ein großes Symphonieorchester bedienen, so vielschichtig und vielfarbig bringt sie dieses Perlenstück der Klavierliteratur zum Erklingen.

Der schallende Schlussapplaus, die stehenden Ovationen, die zahllosen Bravorufe lassen keinen Zweifel: Alexandra Dovgan wird in Wien auch zukünftig mit offenen Armen und Ohren empfangen werden.

Kathrin Schuhmann, 13. Dezember 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Markus Hering, Lesung – Eloïse Bella Kohn, Klavier Wiener Konzerthaus, Schubertsaal, 12. Oktober 2022

Grigory Sokolov, Klavier, Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 13. März 2022

Franz Schubert (1797-1828), Die letzten drei Klaviersonaten D 958-960 Bonn, Beethovenhaus, 9. September 2022

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