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Keine Angst! Diese “Tragödie” ereignet sich meines Wissens nach (bisher) noch in keiner Oper! Da müssen “höchstens” mal einige lebendige Kaninchen stundenlang in gleißendem Licht den Inszenierungswahnsinn eines Regisseurs bis fast zum Verrecken erdulden. In der Operngeschichte gibt es nur sehr wenige Bühnenwerke, die einen Bezug zum Osterfest oder der Passionszeit haben. Diejenigen von denen es auch Tonaufnahmen gibt, werden in diesem Artikel vorgestellt.
von Jean-Nico Schambourg
Richard Wagners (1813-1883) letzte Oper ”Parsifal“ steht jedes Jahr am Karfreitag auf den Spielplänen vieler Opernhäuser. Ein Grund hierzu ist der sogenannte “Karfreitagszauber“, einer der musikalischen Höhepunkte im dritten Akt des “Bühnenweihfestspiels”, wie Wagner selbst sein Werk bezeichnete.
Musikwissenschafter streiten, ob Wagners “Parsifal” ein heiliges, christliches Drama ist oder nicht. Religiöse Symbole sind in dieser Oper reichlich vorhanden, insbesondere durch die vorhandenen Gegenstände: der Heilige Gral, die Heilige Lanze. Parsifal selbst zeigt einige Charakterzüge der Christusfigur auf. Er erscheint als der Erlöser, der es am Ende schafft, durch seine eigene Erlösung, der ganzen Menschheit Rettung zu bringen. Der “Karfreitagszauber” zeigt das Ende der langen Irrfahrt von Parsifal, die ihn vom “reinen Toren” zum Erlöser der Gralsritter hat reifen lassen. Wagner vereint hier musikalisch die Themen der Liebe, der Vergebung und der Erlösung der Menschen mit demjenigen des Aufwachens der Natur.
“PARSIFAL (wendet sich um, und blickt mit sanfter Entzückung auf Wald und Wiese🙂
Wie dünkt mich doch die Aue heut’ so schön! –
Wohl traf ich Wunderblumen an,
die bis zum Haupte süchtig mich umrankten;
doch sah’ ich nie so mild und zart
die Halmen, Blüthen und Blumen,
noch duftete All’ so kindisch hold
und sprach so lieblich traut zu mir?
GURNEMANZ
Das ist Char-Freitags-Zauber, Herr!
PARSIFAL
O weh’, des höchsten Schmerzentag’s!
Da sollte, wähn’ ich, was da blüh’t,
was athmet, lebt und wieder lebt,
nur trauern, ach! und weinen?
GURNEMANZ.
Du sieh’st, das ist nicht so.
Des Sünders Reuethränen sind es,
die heut’ mit heil’gem Thau
beträufet Flur und Au‘:
der ließ sie so gedeihen.
Nun freut’ sich alle Kreatur
auf des Erlösers holder Spur,
will ihr Gebet ihm weihen.”
Der “Karfreitagszauber” wird oft auch in Konzerten als reines Orchesterstück vorgetragen.
Karfreitagszauber · The Philadelphia Orchestra · Christian Thielemann – Deutsche Grammophon
Die Leidensgeschichte von Jesus Christus ist der Ausgangspunkt für das Werk von Bohuslav Martinů (1890-1959): “The Greek Passion” (Die griechische Passion). Die Oper in vier Akten, zu der Martinů auch das Libretto schrieb, basiert auf dem Roman “Der wiedergekreuzigte Christus” von Nikos Kazantzakis. Schauplatz der Oper ist Lykovrissi, ein griechisches Dorf, in dem zu Ostern eine Aufführung der Passionsspiele stattfinden soll. Im Verlauf der Geschichte nehmen die Dorfbewohner des Stücks die Persönlichkeiten ihrer religiösen Charaktere an. Am Schluss der Oper wird der Schafhirte Manolis, der Darsteller des Christus, vom Darsteller des Judas getötet.
Nachdem die geplante Erstaufführung am Londoner Covent Garden abgesagt worden war, wurde eine überarbeitete Version am 6. Juni 1961 im Stadttheater Zürich uraufgeführt. Die Erstfassung wurde erstmals am 20. Juli 1999 im Festspielhaus Bregenz gespielt. In den letzten Jahren wird die Oper immer wieder im deutschen, tschechischen und englischen Sprachraum aufgeführt. Martinů verbindet in seinem Werk seine früheren musikalischen Erfahrungen mit Elementen griechischer Folklore, griechisch-orthodoxer Liturgie und Tanzmusik.
Einen Bezug zu Ostern selbst findet man bei einigen Komponisten, die Goethes “Faust” als Basis ihrer Oper haben. So zu Beginn von “La Damnation de Faust” (Fausts Verdamnis) von Hector Berlioz (1803-1869), wo die Dorfbewohner die Rückkehr des Frühlings feiern, am Ostertag, mit dem Chorgesang “Christ vient de ressusciter” (Christus ist erstanden). Faust will eben seinem Leben mit einem Gifttrunk ein Ende setzen, als er den Osterhymnus hört. Erinnerungen an glückliche Kindestage scheinen ihm den inneren Frieden zurück zu bringen. Die dramatische Legende in vier Teilen vom großen französischen Komponisten wird allerdings öfters auch in die Gattung “Oratorium” eingereiht.
Dies gilt auch für “Marie Magdeleine”, komponiert von Jules Massenet (1842-1912). Das Werk wurde am 11. April 1873 in einer oratorischen Fassung im Odéon-Theater in Paris zum ersten Male aufgeführt. Später wurde es als „lyrisches Drama“ mit Bühnenbildern und Kostümen überarbeitet, um in einer Bühnenversion an der Oper von Nizza am 9. Februar 1903 zu erscheinen. Das erste Bild des dritten Aktes handelt von der Kreuzigung und dem Tode Jesus auf dem Berge Golgotha. Das zweite Bild spielt im Garten von Josef von Arimathäa vor dem Grabe Jesus und erzählt von dessen Auferstehung und Auffahrt in den Himmel. In der Schlussszene singt Méryem (Marie-Magdalena) die Worte “Christ est vivant! Christ est ressuscité!” (Christus lebt! Christus ist erstanden!). Die Worte werden dann vom Chor der Christen wiederholt im feierlichen Finale mit Orgel und vollem Orchester.
Die Worte “Christus ist erstanden” findet man auch am Schluss der Oper “Faust” (an deutschen Opernhäusern manchmal unter dem Titel “Margarethe” aufgeführt) von Charles Gounod (1818-1893). Hier ist es der Chor der Engel, der Gretchens Seelenrettung verkündet und die Auferstehung Christus feiert:
“Sauvée!
Christ est ressuscité!
Christ vient de renaître!
Paix et félicité aux disciples du Maître!”
(Gerettet!
Christus ist erstanden!
Christus ist wiedergeboren!
Frieden und Glückseligkeit den Anhängern des Herrn).
Im “Doktor Faust” von Ferruccio Busoni (1866-1924) wird der Pakt mit dem Teufel an Ostern geschlossen. Die Unterzeichnung wird von einem Chor begleitet, der das katholische Glaubensbekenntnis vorträgt:
“Credo in unum Deum.
Patrem omnipotentem,
creatorem coeli et terrae,
visibilium omnium et invisibilium. –
Et resurrexit tertia die
secundum scripturam
et ascendit in coelum,
sedet ad dexteram Patris”.
(Ich glaube an einen Gott.
Allmächtiger Vater,
Schöpfer des Himmels und der Erde,
aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge. –
Auferstanden am dritten Tag,
gemäss der Schrift,
und aufgefahren in den Himmel,
sitzt er zur Rechten des Vaters).
“Doktor Faust” ist eine „Dichtung für Musik“ (Originalbezeichnung) in zwei Vorspielen, einem Zwischenspiel und drei Hauptbildern. Der Text stammt vom Komponisten selbst. Busoni verstarb vor der Vollendung des Werkes. Dieses wurde von seinem Schülers Philipp Jarnach vervollständigt. Die Uraufführung fand postum am 21. Mai 1925 an der Semperoper Dresden statt.
Auch wenn der “Mefistofele” von Arrigo Boito (1842-1918) Goethes Faust zur Vorlage hat und der erste Akt am Ostersonntag in Frankfurt spielt, gibt es aber, außer einigen Glockenklängen, weder musikalische, noch textliche Anspielungen an Ostern. Eine Gruppe von acht Mädchen besingt lediglich den Monat April: “Del vago April la traccia brilla” (Schon zeigt sich strahlend der liebliche April).
Fiorenza Cossotto – Cavalleria rusticana – Tokyo 1976
Die bekannteste Oper, die an Ostern spielt, ist Pietro Mascagnis (1863-1945) “Cavalleria rusticana”. Das Libretto der Oper stammt von Giovanni Targioni-Tozzetti und Guido Menasci und ist inspiriert von einer Kurzgeschichte von Giovanni Verga. Diese Oper ist das berühmteste Werk von Mascagni, der mit seinem einaktigem Werk den ersten Preis bei einem Wettbewerb des Sonzogno-Verlags gewann. Die Oper wurde am 17. Mai 1890 im Teatro Costanzi in Rom uraufgeführt.
Besonders die große Szene von Santuzza mit Chor “Inneggiamo, il Signor non è morto” (Lasst uns singen, der Herr ist nicht tot!) hat sich zum “Opernschlager” entwickelt, gesungen während die Osterprozession sich in die Kirche zur Ostermesse begibt. Im Intermezzo Sinfonico beschreibt Mascagni den morgendlichen Osterfrieden miteiner betörend schönen Melodie, ehe die Katastrophe ihren Lauf vor der Kirchentür nimmt.
Es gibt allerdings eine Oper, die sechs Wochen vor “Cavalleria rusticana” uraufgeführt wurde und auf derselben Vorlage wie die Oper von Mascagni beruht. Am 9. April 1890 wurde erstmals am Teatro Costanzi in Rom die Oper “Mala Pasqua” (Schlechte Ostern) von Stanislao Gastaldon (1861-1939) gespielt. Gastaldon ist uns heute nur mehr bekannt durch seine Melodie “Musica proibita” (Verbotene Musik), das jeder Tenor in seinem Repertoire hat, von Enrico Caruso, über Beniamino Gigli und Luciano Pavarotti, bis heute hin zu Jonas Kaufmann.
Die Oper von Gastaldon erzählt dieselbe Geschichte wie Mascagnis “Cavalleria rusticana”. Die Santuzza heißt hier allerdings Carmela. Der Name der Oper stammt vom bekannten Ausruf von Santuzza / Carmela: “A te la mala Pasqua” (Dir, schlechte Ostern!), nachdem sie erkennt, dass Turiddu Lola, die Frau von Alfio, liebt. Das tragische Finale das diesem Ausruf folgt ist ja weithin bekannt!
Eine dritte Oper ist zu Vergas Kurzgeschichte komponiert worden und spielt auch am Ostertag: der italienische Komponist und Dirigent Domenico Monleone (1875-1942) schrieb 1907 die einaktige Oper “Cavalleria rusticana”. Uraufgeführt am 5. Februar 1907 in Amsterdam, wurde Monleones Oper dann in Italien und anderen Ländern, auf Initiative von Sonzogno, wegen Plagiatsvorwürfen verboten. Monleone schrieb seine Musik um für seine 1914 erschienene Oper ”La giostra dei falchi” (Das Karussell der Falken). Mascagni selbst hegte keinen Groll gegen seine Komponistenkollegen und sprach sich sogar 1940 für die Aufhebung des Verbots aus. 2001 wurden beide “Cavalleria rusticana” beim Festival Radio France in Montpellier gemeinsam aufgeführt. Dies ist die einzige Oper dieses Artikels von der ich persönlich keine Aufnahme gehört habe. (Beim Label Myto erschien eine, momentan vergriffene, Gesamtaufnahme aus Tirana-Albanien).
Auch bei zwei Opern des italienischen Komponisten Umberto Giordano (1867-1948) findet man Hinweise auf das Osterfest.
In “Mese mariano” (Marienmonat), einer Oper (Originalbezeichnung: „Bozzetto lirico“) in einem Akt komponiert auf ein Libretto von Salvatore Di Giacomo nach dessen eigenem neapolitanischen Drama “O mese mariano”, gibt es jedoch, außer der Zeitangabe im Libretto, keine musikalischen Hinweise auf Ostern. Die Uraufführung fand am 17. März 1910 im Teatro Massimo in Palermo statt. Die überarbeitete endgültige Fassung wurde erstmals am 15. November 1913 im Teatro Dal Verme in Mailand gezeigt. Bei der ersten Aufführung im April 1910 am Teatro Costanzi in Rom wurde die Oper, zusammen mit Mascagnis “Cavalleria rusticana”, unter dessen Leitung gespielt.
Das Werk hat eine Laufzeit von nur 35 Minuten. Es spielt am Ostersonntag und erzählt die Geschichte einer Frau, die ein Waisenhaus besucht, um ihr Kind zu sehen. Von Schuldgefühlen geplagt, weil sie es verlassen hat, weiß sie nicht, dass ihr Sohn in der Nacht zuvor gestorben ist.
Anders in seiner Tragödie in drei Akten “Siberia”, uraufgeführt an der Mailänder Scala am 19. Dezember 1903. Hier hat Giordano im letzten Akt eine Referenz an das orthodoxe Osterfest hineinkomponiert. Wie schon vorher bei anderen Werken erwähnt, werden die drei Worte “Christus ist erstanden” (“Cristo è risorto”) gesungen, hier vom Chor der in den sibirischen Gulag verbannten Häftlingen und deren Familien. Darauf folgt eine kurze Orchesterpassage voller feierlicher Ruhe und religiöser Entrückung, mit der Giordano die hereinbrechende Osternacht musikalisch ausmalt. Die Hauptprotagonisten Stephana und Vassili versuchen in der Osternacht aus dem Gulag zu fliehen. Die Flucht misslingt und Stephana wird tödlich verletzt.
Zum Schluss der Hinweis auf ein Werk von Ferdinand Hérold (1791-1833). Der französische Komponist schrieb 1825 die komische Oper “Le lapin blanc” (Der weisse Hase). Ob es dabei irgendeinen Bezug zum Osterhasen gibt, entzieht sich meiner Kenntnis. Komponiert nach dem Vorbild der Kurzopern von Rossini, war die Aufführung ein Debakel. Hérold vermerkte handschriftlich auf dem Manuskript: “aufgeführt zum ersten und letzten Mal am 21. Mai 1825”. Der Hase hat nicht überlebt!
Jean Nico Schambourg, 19. März 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Schammis Klassikwelt (c) erscheint regelmäßig am Sonntag.
Jean-Nico Schambourg, Jahrgang 1959. Gehört einer weltlichen Minderheit an: Er ist waschechter Luxemburger! Und als solcher war es normal, Finanzwirtschaft zu studieren. Begann seine berufliche Karriere bei der Kriminalpolizei, ehe er zur Staatsbank und Staatssparkasse Luxemburg wechselte. Seit jeher interessiert ihn jede Art von Musik, aber Oper wurde seine große Liebe. Er bereist ganz Europa, um sich bekannte und unbekannte Opern und Operetten anzuhören. Nebenbei sammelt der leidenschaftliche Hobbykoch fleißig Schallplatten über klassischen Gesang (momentan ungefähr 25.000 Stück). Sang in führenden Chören in Luxemburg, verfolgt seit einigen Jahren aber ausschließlich eine Solokarriere als Bass. Sein Repertoire umfasst Lieder und Arien in zwölfSprachen. Unter der Bezeichnung “Schammilux Productions” organisiert er selbst jährlich zwei bis drei Konzerte. Perfektionierte sein Singen in Meisterkursen mit Barbara Frittoli, Jennifer Larmore sowie Ramón Vargas, organisiert von “Sequenda Luxembourg”, einer Organisation zur Förderung junger Sängertalente, geleitet von seiner Gesangslehrerin Luisa Mauro. Neu auf klassik-begeistert.de: Schammis Klassikwelt, regelmäßig am Sonntag.
Schammis Klassikwelt 11: Kann denn Essen Sünde sein? klassik-begeistert.de, 5. März 2023