Sommereggers Klassikwelt 181: Das Multitalent Giuseppe Sinopoli war ein allzu früh verglühender Komet

Sommereggers Klassikwelt 181: Das Multitalent Giuseppe Sinopoli war ein allzu früh verglühender Komet

Giuseppe Sinopoli © de.wikipedia.org

Als der Dirigent Giuseppe Sinopoli am 20. April 2001 am Pult der Deutschen Oper Berlin während einer Aida-Aufführung einen tödlichen Herzinfarkt erlitt, setzte dieser einem leidenschaftlich gelebten, an Kontrasten reichen Leben ein viel zu frühes Ende.

von Peter Sommeregger

Der am 2. November 1946 in Venedig geborene Sinopoli war das älteste von elf Kindern, die Familie zog nach Sizilien, als er noch Kind war. Mit 15 Jahren kehrte er in seine Heimatstadt zurück, wo er zwischen 1965 und 1967 am dortigen Konservatorium Musik studierte, parallel dazu aber auf Wunsch seines Vaters auch Medizin an der Universität von Padua. Bei Bruno Maderna in Darmstadt nahm er Kompositionsunterricht, in Wien nahm er Unterricht beim Dirigenten Hans Swarowsky, sein Medizinstudium schloss er 1972 mit einer Promotion ab.

Als Dozent für zeitgenössische und elektronische Musik etablierte er sich in seiner Heimatstadt, es entstanden erste Kompositionen, die auf Festivals für zeitgenössische Musik aufgeführt wurden. Parallel dazu begann Sinopoli seine Tätigkeit als Dirigent, sein Debüt gab er mit Verdis Aida. Seine schnelle Karriere als Dirigent drängte allerdings seine kompositorische Tätigkeit mehr und mehr zurück. 1980 hatte er an der Deutschen Oper Berlin großen Erfolg mit einer Produktion von Verdis Macbeth, ab 1990 sollte er musikalischer Chef dieses Hauses werden, überwarf sich aber bereits vor Amtsantritt mit dem Intendanten Götz Friedrich. In den 1980er Jahren war Sinopoli parallel Musikchef beim Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom und beim Philharmonia Orchestra in London.

Ab 1992 war er schließlich Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden, ein Amt, das er bis zu seinem Tod behielt. Speziell mit dem Dresdener Orchester entstanden zahlreiche Schallplatten-Aufnahmen, darunter ein Zyklus der Opern von Richard Strauss.

Der Komponist Sinopoli plante einen Zyklus von Opern über bedeutende Frauengestalten des frühen 20. Jahrhunderts, vollendet und aufgeführt wurde jedoch nur deren erste „Lou Salomé“. Die Uraufführung fand 1981 an der Bayerischen Staatsoper in München statt, wo sie bei Publikum und Kritik auf Ablehnung stieß. Daraufhin gab Sinopoli die Arbeit an weiteren Opernprojekten auf. Parallel zu seinen Tätigkeiten als Komponist und Dirigent betrieb Sinopoli auch umfangreiche archäologische Studien. Er reichte an der Universität von Rom eine Dissertation ein, zu deren Verteidigung es allerdings nicht mehr kam.

Die verhängnisvolle Aida-Aufführung an der Deutschen Oper Berlin am 20. April 2001 war als versöhnliche Geste gedacht, um den Abgang im Streit Jahre davor versöhnlich zu beenden. Es ist beinahe makaber, dass die Aida, die schon Sinopolis erstes Dirigat war, nun auch zu seinem letzten wurde.

Die Musikwelt war erschüttert über diesen frühen Tod – Sinopoli war in der Klassikszene, auch in der Tonträger-Industrie eine bedeutende Figur. Seine Einspielungen finden sich bis heute in den Katalogen und gelten vielfach als stilbildend. Seine unglaubliche Vielseitigkeit über die Musik hinaus waren Ausdruck einer faszinierenden Persönlichkeit. Vielleicht war sein Lebensentwurf aber auch zu ambitioniert, und er überforderte seine Kräfte.

Mich persönlich hat dieser Tod besonders berührt, ich teilte mit Sinopoli nämlich das Geburtsdatum, den 2. November 1946.

Peter Sommeregger, 19. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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