von links: Barbora Hulcová, Lucie Strejcová, Magda Uhlířová, Dame Emma Kirkby, Joel Frederiksen, Emma-Lisa Roux Colin Balzer und Domen Marinčič (Foto FH)
An diesem Nachmittag werden das dritte und vierte booke of ayres von Thomas Campion im Max-Joseph-Saal der Residenz in München aufgeführt. Joel Frederiksen schließt als Leiter des Ensemble Phoenix damit sein Projekt ab, alle booke of ayres von Author of Poetry and Song Thomas Campion zur Aufführung zu bringen. Gestartet hatte das Projekt 2010, in 2012 und 2019 setzte er es fort. Thomas Campion verfasste sowohl den Text als auch die Musik der Lieder selbst, die zwei booke of ayres wurden 1617 veröffentlicht. Mit der Aufführung heute feiert das Ensemble Phoenix Munich sein zwanzigjähriges Bestehen.
Max-Joseph-Saal, Residenz München, 14. Mai 2023
Ensemble Phoenix Munich
Thomas Campion Author of Poetry and Song
Besetzung
Emma-Lisa Roux – Sopran, Laute
Colin Balzer – Tenor
Domen Marinčič – Viola da Gamba
Joel Frederiksen – Laute, Bass, Leitung
Special Guest
Dame Emma Kirkby
von Frank Heublein
Ich höre heute insgesamt fünfzig Lieder und eine Zugabe. Die Ausführenden initiieren ein Klangfarbenwunder. Acht Personen vereinen fünf Stimmen, zwei Gamben und drei Lauten. Das besondere des Konzerts ist die unglaubliche Harmonie von Stimmen, die geradezu miteinander verschmelzen. Die intensivsten Momente sind für mich daher auch diejenigen ayres, in denen mehrere Stimmen zum Einsatz kommen.
Egal ob im Duett, Terzett, Quartett oder Quintett, ob a cappella oder mit voller Instrumentalunterstützung, die Abstimmung des stimmlichen Miteinanders ist großartig und beglückt mich. Die beiden letzten ayres des ersten Teils mit So quicke, so hot mit Strejcová, Roux und Frederiksen und Shall I then hope mit allen Stimmen a cappella sind zwei dieser stimmlichen Diamanten. Im zweiten Teil übergeben sich die Stimmen bei So Tired are All My Thoughts wunderbar. In Awake, Thou Spring sind es die drei Sopranstimmen. In der ersten Strophe ein a cappella Duett von Roux und Strejcová, dann die beiden solistisch, die vierte Strophe übernimmt Dame Emma Kirkby, die fünfte dann ein Terzett. Der Farbenreichtum, die Brillanz, dieses Lied verdichtet einmal mehr die grandiose Stimmenergänzung. Die drei letzten Lieder des vierten booke of ayres If any hath the heart to kill, Your fayre looks und Fain Would I Wed a Fair Young Man sind ebenso konstruierte Glanzpunkte: Solos wechseln sich mit Duetten, Quartetten und im finalen Lied setzen in der letzten Strophe alle fünf Stimmen den Schluss- und Höhepunkt.
Einzeln mögen die Stimmen sehr unterschiedlich klingen, die drei Soprane Dame Emma Kirkby, Emma-Lisa Roux und Lucie Strejcová sind sehr verschieden. Obwohl das Konzert im Sitzen gespielt wird, was die Bewegungsfreiheit der Künstler und Künstlerinnen einschränkt: wenn jemand die Aufmerksamkeit auf sich zieht, dann Barockstar Dame Emma Kirkby mit ihrem intensiven Spiel und Gesang. Alert, pointiert, facettenreich und mit dem intensivsten Moment der Zartheit der Aufführung berührt sie mein Innerstes. Emma-Lisa Roux hat die strahlendeste Stimme an diesem Nachmittag. Energie, Spannung, bei Come, O Come, My Life’s Delight hebt sie mich sphärisch an. Bei Lucie Strejcová habe ich den Eindruck, dass sie sich erst einige Momente frei singen muss. Dann agiert sie, ihre Stimme bekommt dadurch Präsenz, Klarheit, Emotionalität und Spannung. Im Vergleich zu Emma-Lisa Roux nicht so hell, etwas geerdeter.
Colin Balzer würde, so vermeine ich zu beobachten, gerne aufspringen. Energiereich, geradezu brodelnd singend kommt auch er ins Spielen, dass mich die Atmosphäre dicht und intensiv erleben lässt. Joel Frederiksen bringt seinen sonoren stabilen und zugleich elastischen Bass zum wohligen Klingen.
Die instrumentale Begleitung ist akzentuiert, feingespinstige Lautenklänge der Barbora Hulcová, Emma-Lisa Roux und Joel Frederiksen. Das wohltemperierte Gambenspiel von Domen Marinčič und Magda Uhlířová. Alle Instrumente sind perfekt angepasst auf die Stimmen.
In der Zugabe gibt Joel Frederiksen ein Ausblick auf die kommende Saison. Denn in einem jahr möchte er ein eigenes Songbook zur Aufführung bringen, im Stile Thomas Campions selbst getextet und komponiert. Dann könnte es ein Wiederhören von „A woman’s heart“ geben, in dem alle Stimmen und Instrumente zum Einsatz kommen. Es ist ein anderer als der Campion Klang und passt doch bestens.
Brausender Applaus. So kann, so muss Barockmusik für mich klingen: inneres Wogen meines tiefen Glücksgefühls.
Frank Heublein, 15. Mai 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Programm
The third booke
- Oft have I Sigh’d for Him
- Now Let Her Change
- Were my heart as
- Maids are Simple, Some Men Say
- So Tired are All My Thoughts
- Why presumes thy pride
- Kind are her Answers
- O griefe, O spight
- O Never to be Moved!
- Break Now, My Heart, and Die!
- If love loves truth
- Now Winter Nights Enlarge
- Awake, Thou Spring
- What Is It All That Men Possess
- Fire That Must Flame
- If Thou Long’st so Much to Learn
- Shall I Come, Sweet Love, to Thee
- Thrice Toss these Oaken Ashes in the Air
- O sweet delight
- Thus I resolve
- Come, O Come, My Life’s Delight
- Could my Heart more Tongues Employ
- Sleepe, Angry Beautie
- Silly boy ’tis full Moone yet
- Never Love Unless You Can
- So quicke, so hot
- Shall I then hope
The Fourth booke
- Leave Prolonging Thy Distress
- Respect my faith
- Thou Joy’st, Fond Boy
- Veil, Love, Mine Eyes
- Every Dame affects good fame
- So sweet is thy discourse
- There Is a Garden in Her Face
- To his sweet lute
- Young and Simple Though I Am
- Love Me or Not, Love Her I Must or Die
- What meanes this folly?
- Dare if I with guile
- O Love, Where Are Thy Shafts?
- Beauty Is But A Painted Hell
- Are You What Your Fair Looks Express?
- Since she, even she
- I Must Complain
- Think’st thou to seduce me then
- Her fayre inflaming eyes
- Turn all thy thoughts to eyes
- If any hath the heart to kill
- Your fayre lookes
- Fain Would I Wed a Fair Young Man
Ensemble Phoenix Munich, Joel Frederiksen, St. Johannes München, 26. Juli 2020