Die Welsh National Opera – eine der besten Opern-Companies Großbritanniens – geht mit einer Produktion auf Tour, welche den Kern des walisischen Musikschaffens in heiter-unterhaltsamer aber historisch authentischer Weise thematisiert: Die Chöre der walisischen Kohlen-Minenarbeiter. Daraus ist zwar nicht wirklich eine Oper, aber eine Revue entstanden, die sich sehen und hören lässt!
“Blaze of Glory!”
Inszenierung in zwei Akten.
Komponiert und arrangiert von David Hackbridg Johnson
Libretto von Emma Jenkins
Regie: Caroline Clegg
Dirigent: Stephen Higgins
Bühne: Madeleine Boyd
Welsh National Opera WNO, Gastspiel im Mayflower Theatre, Southampton, 20. Mai 2023
von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)
Der Kohlenbergbau war die wichtigste Industrie während des zweiten Teils der Industriellen Revolution in Großbritannien. Die Bedingungen in den Kohlenminen von Süd-Wales waren oft hart, ja geradezu brutal. Im Verhältnis zu anderen britischen Bergbau-Regionen waren dort mehr Unfälle und Opfer zu verzeichnen. Der Chorgesang entwickelte sich zu einem musikalischen Trost, einer Gegenwelt, in welche sich die hart arbeitenden und große Entbehrungen auf sich nehmenden Minenarbeiter flüchteten. Dass den Walisern der Gesang gewissermaßen im Blut liegt, ist sicher keine Übertreibung. Von den rasch um sich greifenden Minen-Stillegungen in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden viele Minendörfer wirtschaftlich schwer betroffen. Viele Familien wurden ihrer Existenzgrundlage beraubt. Die Auftritte der Chöre brachten nicht nur Ruhm sondern auch – in bescheidenem Maße – Geld, das zu Hause als existentieller Zustupf höchst willkommen war.
Es ist keine eigentliche Oper, was die WNO da auf die Bühne gebracht hat – viel eher ein Mosaik von jazzigen Musiknummern der 40er und 50er Jahre und Chorgesängen aus dem 19. Jahrhundert, eine Kompilation von Anekdoten und der Erfolgsgeschichte der Minenchöre. Und dennoch bildet diese Show eine von Vitalität und Musikalität sprühende Einheit. Angelegt in einem walisischen Minenarbeiter-Dorf in den 50er Jahren, über dem noch der Schatten eines ernicht lange zurückliegenden, schweren Minenunglücks lastet, wird die Geschichte vom Vorarbeiter Dafydd Pugh erzählt. Männer aus seinem Chor wurden verschüttet und seine Aufgabe ist es jetzt, den Chor neu zu formieren, ihm neues Leben einzuhauchen und neuen Optimismus in einer depressiven Grundstimmung zu schaffen.
Das in zahllosen exzellenten Opernproduktionen bewährte Orchester der WNO (Stabführung: Stephen Higgins) intoniert die traditionsreiche walisische Chormusik mit neuer Kraft und die Chöre geben ihr Bestes – die Tradition will es, dass bei den Gastspielen der in der walisischen Hauptstadt Cardiff beheimateten WNO in anderen britischen Städten die lokalen Männerchöre eingeladen werden, bei den Vorstellungen mitzuwirken. Die Bühnenbild von Madeleine Boyd gibt die Kargheit und Härte der walisischen Bergbaudörfer sehr anschaulich wieder und die Regisseurin Caroline Clegg sorgt für szenische Dynamik, indem sie immer wieder die Brücke zwischen Bühne und Zuschauerraum schlägt. Begeisterung im Publikum.
Dr. Charles E. Ritterband, 20. Mai 2023, für
klassik-beigeistert.de und klassik-begeistert.at
Georges Bizet, Carmen, Welsh National Opera, 6. Oktober 2019
Giuseppe Verdi, Rigoletto, Welsh National Opera, 4. Oktober 2019