Wien, Kaiserin Elisabeth Denkmal
von Peter Sommeregger
Für Österreich und speziell Wien ist die Kaiserin Elisabeth eine Kultfigur, die in Vergangenheit und Gegenwart auch gerne in der Darstellung verkitscht wurde. Die drei Sissi-Filme Ernst Marischkas aus den 1950er Jahren sind das prominenteste Beispiel dafür. Die junge Romy Schneider begründete damit ihren Ruhm, die Rolle wurde für sie aber auch zum Trauma. Erst mit der viel realistischeren Darstellung der Kaiserin in Viscontis Ludwig II. Filmbiographie konnte sie sich davon lösen.
Das Missverständnis begann schon mit der Verniedlichung des tatsächlichen Kosenamens „Sisi“ in Sissi. Das passte einfach besser zu der Sehnsucht nach heiler Welt und Frohsinn der durch den Weltkrieg noch immer verstörten Menschen. Eine Sissi hatte schließlich jeder in der Familie oder im Freundeskreis.
Tatsächlich war die am Weihnachtsabend 1837 in München geborene Herzogin Elisabeth in Bayern ein viel spröderes Geschöpf. Nach einer unbeschwert verlebten Kindheit am Starnberger See wurde sie 1854 mit dem jungen österreichischen Kaiser Franz Joseph verheiratet. Zwar hatte sich das Paar tatsächlich ineinander verliebt, aber Elisabeth war zum Zeitpunkt der Hochzeit noch keine 17 Jahre alt. Dass die Mütter des Paares leibliche Geschwister waren, war damals kein Hinderungsgrund, heute hätte man dabei mit Recht erbbiologische Bedenken.
Elisabeths erste Ehejahre verliefen für die eher leger erzogene junge Kaiserin unerfreulich. Der Druck des strengen Zeremoniells am Wiener Hof und die Bevormundung durch ihre Schwiegermutter Sophie machten ihr das Leben schwer, der Tod ihrer erstgeborenen Tochter tat ein Übriges, um die Tendenz zur Schwermut zu verstärken. Ihrer zweiten Tochter Gisela und dem 1858 geborenen Thronfolger Rudolf brachte sie wenig Empathie entgegen. Zunehmend entfremdete sie sich auch ihrem Ehemann, und 1860 war eine diagnostizierte Lungenerkrankung ein willkommener Anlass für einen Ausbruch aus den Wiener Verhältnissen. Nach einem ersten Kuraufenthalt auf Madeira wurde die Insel Korfu nach einem gesundheitlichen Rückschlag ihr bevorzugter Rückzugsort. Mehr und mehr entfremdete sie sich auch dem Wiener Hofleben, das ihr stets fremd geblieben war.
Ungewöhnlich für ihre Zeit war der sportliche Ehrgeiz der Kaiserin, auch pflegte sie einen ausgeprägten Körperkult. Ihre überwältigende Schönheit schwand mit den Jahren, ab einem bestimmten Zeitpunkt zeigte sie sich nur noch verschleiert in der Öffentlichkeit.
Ihr engagierter Einsatz für eine Autonomie Ungarns führte schließlich zur Königskrönung 1867 in Buda. Zu dieser Zeit näherte sich das Ehepaar wieder an, Elisabeths letztes Kind, die Tochter Marie Valerie, wurde 1868 geboren. Zu diesem Kind entwickelte die Kaiserin die stärkste emotionale Beziehung.
Bald nahm sie aber wieder ihre rastlose Reisetätigkeit auf, ihre Anwesenheit in Wien beschränkte sie auf das Nötigste.
Nachdem sich Kronprinz Rudolf 1889 in Mayerling mit seiner Geliebten Mary Vetsera das Leben genommen hatte, verstärkte sich ihre Menschenscheu weiter, sie trug nur noch Schwarz und reiste ruhelos durch Europa.
Im September 1898 stieg sie, wie gewöhnlich unter falschen Namen, mit einer Hofdame im Genfer Hotel Beau Rivage ab. Am Kai des Genfer Sees wurde sie am 10. September von einem italienischen Anarchisten niedergestochen und verstarb wenig später im Hotel, in das man sie zurückgebracht hatte.
Als Kaiser Franz Joseph das Telegramm mit der Todesnachricht erhielt, soll er den berühmt gewordenen Satz „Mir bleibt nichts erspart“ gesagt haben. Elisabeth wurde in der Wiener Kapuzinergruft, der traditionellen Grablege der Habsburger neben ihrem Sohn Rudolf bestattet.
Im Jahr 1907 wurde noch durch Franz Joseph das wohl schönste Denkmal für die Kaiserin im Wiener Volksgarten eingeweiht. In weißem Marmor sitzt Elisabeth umgeben von einem Seerosen-Teich auf einem Sockel. Lange Zeit wurde die Person und das Leben Elisabeths verklärt, die Sissi-Filme bildeten den Höhepunkt einer Verfälschung ihrer keineswegs unproblematischen Persönlichkeit, die z.B. zahlreiche Gedichte mit teilweise anarchistischer Tendenz schrieb. Es ist das Verdienst der Historikerin Brigitte Hamann, in ihrer 1982 erschienenen Biographie mit Legendenbildungen aufzuräumen und ein realistisches, historisch korrektes Bild der Monarchin zu zeichnen.
Nach wie vor genießt die unglückliche Monarchin kultische Verehrung, in Wien existiert sogar ein eigenes Museum für sie, als Figur in Filmen, inzwischen auch Musicals wird ihr Leben thematisiert, wenn auch meistens verklärt und unter Ausklammerung ihres tragischen, brutalen Todes. Erst in der jüngsten Zeit nähert sich das mediale Bild mehr der Realität dieses Lebens an.
Peter Sommeregger, 12. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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