Sommereggers Klassikwelt 203: Ettore „Basti“ Bastianinis Bariton ist bis heute Legende

Sommereggers Klassikwelt 203: Ettore „Basti“ Bastianinis Bariton ist bis heute Legende klassik-begeistert.de, 20. September 2023

Foto: wikipedia.org

von Peter Sommeregger

Der Start des spät gefeierten Ettore Bastianini ins Leben am 24. September 1922 in Siena fand in bescheidenen Verhältnissen statt. Seine Eltern waren nicht verheiratet, angeblich hat Ettore nie erfahren, wer sein Vater war. Dass heute eine Gedenktafel das Geburtshaus ziert, hätte damals wohl auch niemand gedacht.

Das Gesangstalent des Jungen wurde aber schon frühzeitig erkannt, im Kirchenchor seiner Heimatgemeinde sammelte er erste musikalische Erfahrungen. Nach dem Stimmbruch wurde seine Stimme zum Bass ausgebildet, er sang entsprechende Soli in Messen und Oratorien.
Ab 1939 nahm er schließlich professionellen Gesangsunterricht, hatte bald erste Konzertauftritte. Im Jahr 1942 gewann er einen Gesangswettbewerb in Florenz, der mit einem Stipendium verbunden war. Dieses konnte er aber vorerst nicht nutzen, da er zur Italienischen Luftwaffe eingezogen wurde, in der er bis 1944 diente.

Sein erstes Konzert in seiner Heimatstadt fand im Januar 1945 statt, sein erster Auftritt auf einer Opernbühne im November 1945 in Ravenna als Colline in Puccinis „Bohème“. 1946 konnte er endlich das bereits 1942 gewonnene Stipendium in Anspruch nehmen, er studierte in Florenz. In den folgenden Jahren sang er mehrere Bass-Partien an kleineren italienischen Opernhäusern, verschiedentlich trat er auch bei Gastspielen in Ägypten auf. In dieser Zeit kristallisierte sich heraus, dass Bastianinis Stimme eigentlich ein Bariton war.

Nach einer Auftritts-Pause von sieben Monaten, in denen er auf das neue Stimmfach umsattelte, debütierte er 1952 als Vater Germont in „La Traviata“ in Siena, mit mäßigem Erfolg. Daraufhin setzte er seine Studien fort, sein Debüt als Rigoletto am gleichen Ort nur Wochen später fiel bereits sehr erfolgreich aus.

Von da an nahm seine Karriere rasant an Fahrt auf, bereits 1953 debütierte Bastianini an der New Yorker Met, an der er bis zum Ende seiner Karriere regelmäßig auftrat. 1953 sang er zum ersten Mal an der Seite von Maria Callas, mit der er nach seinem Debüt an der Mailänder Scala 1954 häufig gemeinsam sang. Ab dem Jahr 1956 nahm er für das Label DECCA, später auch für die Deutsche Grammophon, zahlreiche Opern auf.

Ab 1958 sang er auch regelmäßig an der Wiener Staatsoper und wurde dort schnell zum erklärten Publikumsliebling, vom Stehplatzpublikum liebevoll „Basti“ genannt. In dieser Zeit hatte ich mehrfach die Gelegenheit, ihn zu hören. Die Zeit zwischen 1958 und 1962 wurde zu seinen „Goldenen Jahren“. Er hatte sich ein großes Repertoire erarbeitet und pendelte zwischen der alten und neuen Welt gleichermaßen erfolgreich. Der Sänger war ein sehr gut aussehender Mann, seine elegante Erscheinung unterstrich noch die Wirkung seiner Auftritte.

Im April 1962 starb seine geliebte Mutter, mit ihrem Tod begann Bastianinis tragische letzte Lebensphase. Im November des gleichen Jahres wurde bei ihm Kehlkopfkrebs diagnostiziert. Der Sänger stand nun vor der grausamen Entscheidung, durch eine möglicherweise lebensrettende Operation seine Stimme zu verlieren, oder aber durch Bestrahlungen den Krebs zu bekämpfen. Bastianini entschied sich gegen eine Operation, seine sängerischen Leistungen wurden in der Folgezeit aber zunehmend problematisch, seine Tagesverfassung schwankte, und nach einem letzten Auftritt als Posa in „Don Carlo“ an der Met am 11. Dezember 1965 beendete er seine Karriere mit nur 43 Jahren.

Am 25. Januar 1967 erlag Ettore Bastianini seinem Krebsleiden in Sirmione am Gardasee. Er erhielt ein Staatsbegräbnis in seiner Heimatstadt Siena, vergessen ist er bis heute nicht.

In zahlreichen kompletten Opernaufnahmen, aber noch mehr Mitschnitten vom Graumarkt ist sein kräftiger, sinnlich timbrierter, sehr viriler Bariton erhalten. Seine Gesangskultur bewegt sich auf höchstem Niveau, das Triumvirat Callas-Di Stefano-Bastianini steht für eine Hochblüte des italienischen Operngesanges. Nach würdigen Nachfolgern sucht man bis heute.

Peter Sommeregger, 20. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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2 Gedanken zu „Sommereggers Klassikwelt 203: Ettore „Basti“ Bastianinis Bariton ist bis heute Legende
klassik-begeistert.de, 20. September 2023“

  1. Ich muss Ihre Generation sein. Wer von den „Zeitzeugen“ könnte Ettore Bastianini vergessen, wir im Stehparterre nannten ihn allerdings „Bastl“! In allen 12 Rollen, die er in Wien sang, setzte er für mich Maßstäbe für die Zukunft. – Erst dieser Tage im Theater an der Wien bei den miserabel danebengegangenen LES MARTYRS, an der Scala Poliuto, wo er den Severo sang.
    Fred Keller

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