Zwei Kurztanzstücke von Johan Inger begeisterten in Hannover

Ballett Zeitlos, zweiteiliger Ballettabend mit Choreographien von Johan Inger  Staatstoper Hannover, 13. Oktober 2023, Premiere 

Foto: Das Ensemble des zweiten Stücks mit dem Choreographen Johan Inger

Zumindest ließ sich das zweite Stück hübsch anschauen, wenngleich revuehafte Aspekte, sexuelle Andeutungen und sich in orgiastische Freude wandelnde Prüderie schon sehr vordergründig, dafür aber auch leicht verständlich, verkörpert wurden.

Ballett Zeitlos,
zweiteiliger Ballettabend mit Choreographien von Johan Inger

Tempus fugit,
Musik von Johann Sebastian Bach, Kostüme Johan Inger, Els Mommaerts

I New Then,
Musik von Van Morrison, Kostüme Bregje Van Balen

Staatsoper Hannover, 13. Oktober 2023, Premiere 

von Dr. Ralf Wegner

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass ein großes Kunstwerk aus sich selbst heraus erklärbar sein muss, es also keiner Vorkenntnisse oder intellektueller Vorbereitungen bedarf, um etwas im Herzen mitzunehmen. In Hannover hat der schwedische Choreograph Johan Inger zwei seiner Kurztanzstücke unter dem Namen Zeitlos zur Aufführung gebracht. Der erste, allenfalls 40 Minuten andauernde Teil hieß Tempus fugit, aus dem Lateinischen übersetzt Die Zeit vergeht.

Was sah man, anfangs einen Mann und eine Frau, die sich, eher statisch erdverbunden, nicht mehr zu einer Beziehung vereinen konnten. Später traten weitere Paare auf, die sich fanden und verloren. Auch fielen, soweit erkennbar, schwarze Rosen vom Bühnenhimmel, die von den Tänzerinnen und Tänzern aufgehoben wurden. Das deutete Trauer an. Vor allem wurde aber, als erkennbares Sinnbild für das Vergehen der Zeit, ständig im Kreis oder von links nach rechts und vice versa gelaufen, was diese Metapher infolge häufiger Wiederholung allmählich banalisierte. Am Ende folgte ein durchaus beeindruckender Pas de deux, offenbar hatte eines der zahlreichen Paare zueinander gefunden.

Die im Programmheft abgedruckte Inhaltsangabe der 2013 in Basel uraufgeführten Choreographie nach Klaviermusik (am Klavier Martin Klett) von Johann Sebastian Bach erschloss sich mir beim unvoreingenommenen Sehen allerdings nicht (Tempus fugit spiegele verschiedene Phasen der Trauerverarbeitung wider: Verleugnung, Wut, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. In jeder Phase entstehe ein Hoffnungsschimmer. Das Ballett bilde diese Suche nach Akzeptanz in traumartigen Sequenzen ab).

Zeitlos – Tempus fugit © Carlos Quezada

Die sich fabelhaft der Thematik hingebenden zehn Tänzerinnen und Tänzer traten ohne detaillierte Zuordnung zu den Rollen auf, so dass sie hier nur pauschal Erwähnung finden: Sandra Bourdai, Ana Paula Camargo, Michelangelo Chelucci, Filippo Ferrari, Maurus Gauthier, Chiara Pareo, Verónica Segovia Torres, Louis Steinmetz, Jamal Uhlmann und Sofie Vervaecke.

Das Hannoveraner Premierenpublikum war begeistert von dem Stück und spendete langanhaltend jubelnden Beifall.

Nach der Pause wurde eine 2012 in Den Haag uraufgeführte Choreographie namens I New Then zu fünf kurzen Kompositionen des nordirischen Musikers Van Morrison gespielt. Damit sollte das Leben aus der farbenfrohen, beschwingten Sicht der Jugend gefeiert werden. Zu der nostalgisch anmutenden Musik Van Morrisons fange Inger das unbeschwerte jugendliche Lebensgefühl ein.

Das mag so gewesen sein. Zumindest war es hübsch anzuschauen, wenngleich revuehafte Aspekte, sexuelle Andeutungen und sich in orgiastische Freude wandelnde Prüderie schon sehr vordergründig, dafür aber auch leicht verständlich, verkörpert wurden. Ein Tänzer mit übergroßem weißem Hemd blieb in Erinnerung, mit kleinen, fast parkinsonartigen Trippelschritten durchmaß er mehrfach die Bühne von hinten nach vorn und umgekehrt.

Zeitlos – I New Then © Carlos Quezada

Auch für dieses recht kurze Werk lassen sich die Tänzerinnen und Tänzer nur pauschal anführen: Giovanni D’Agati, Raúl Ferreira, Conal Francis-Martin, Clàudia Gil Cabús, Lilit Hakobyan, Chisato Ide, Davide Sioni, Giada Zanotti und Nikita Zdravkovic. Am Ende wurde dieses Stück ebenfalls enthusiastisch gefeiert.

Dr. Ralf Wegner, 14. Oktober 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Matthäus-Passion-2727, Kamea Dance Company, OsterTanzTage Opernhaus Hannover, 4. April 2023

A Wilde Story, Ballett von Marco Goecke Staatstheater Hannover, Opernhaus,  4. November 2022

Richard Wagner, Parsifal Staatsoper Hannover, Premiere am 24. September 2023

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