Photos: Rolf Schoellkopf
Royal Wind Music: Meisterwerke von Jan Pieterszoon Sweelinck
The Royal Wind Music – Renaissanceblockflöten
Hester Groenleer – Programm, Konzept und Arrangements
Sendesaal Bremen, 29. Januar 2024
von Gerd Klingeberg
Jan Pieterszoon Sweelinck (1561 – 1621) hatte einen geradezu legendären Ruf als Virtuose der Tasteninstrumente und wurde derzeit gar als „Phönix der Musik“ oder als „Orpheus von Amsterdam“ tituliert. Grund genug, diesem wohl bedeutendsten niederländischen Komponisten und Organisten einen ganzen Konzertabend zu widmen. So jedenfalls die Meinung des renommierten niederländischen Blockflöten-Ensembles „The Royal Wind Music“. Ein Wagnis, gewiss. Aber die sehr gute Publikumsresonanz bestätigte die Richtigkeit dieser Entscheidung.
Die auf Alte Musik spezialisierte, aus ehemaligen Studierenden des Amsterdamer Konservatoriums bestehende Bläserformation hat sich international längst einen Namen gemacht. Jetzt hatte sie einen bejubelten Auftritt im Bremer Sendesaal. In diesem mittelgroßen, unter Denkmalschutz stehenden Konzertsaal mit seinem besonderen nostalgischen Ambiente mag zwar der Sitzkomfort etwas zu wünschen übrig lassen, doch der Raum besitzt eine unvergleichlich gute Akustik.
Ideal geeignet, um die Timbres der vielen, vom 15 cm kleinen Sopranino bis zur fast drei Meter langen Subkontrabass-Blockflöte reichenden Renaissance-Instrumente optimal zur Geltung zu bringen.
In ruhigem Metrum ging es los mit „Ballo del Granduca“. Der weiche, dennoch überaus substanzvolle Klang aus elf perfekt intonierten Flöten sorgte für eine gemütvolle, entspannende Atmosphäre. Reizvolle Figurationen wirkten wie bunte Blüten in den breit fließenden Harmonien. Wunderschön auch die sepiafarben anmutenden, äußerst ausdrucksstark dargebotenen Harmonien, mit denen das Ensemble Sweelincks Vertonung des 77. Psalms vortrug. Zwar ist der größte Anteil Sweelinck’scher Kompositionen für Tasteninstrumente, zumeist für die Orgel, vorgesehen. Doch als quasi „wandelnde Orgel“ gelingt es „The Royal Wind Music“, diese Musik auch auf Blockflöten in ansprechender Weise adäquat zu interpretieren.
Etwas irritieren mochte indes der 2021 entstandene „Dans voor Orpheus van Amsterdam“ der in den Niederlanden tätigen Komponistin Aspasia Nasopoulou. Dieser „Kommentar“ zu Sweelincks Werken fügt einige seiner Motive in Form Neuer Musik zusammen. Zweifellos ein guter Ansatz, der aber im unmittelbaren Kontext mit den originalen Werken eher deplatziert wirkte.
Reizvoll dagegen etwa die folgende Fantasie a3 „op de manier van een echo“ (SwWV 275): Die durch unterschiedliche Flöten pointiert ausgeführten Echoeffekte vermittelten eine ausgeprägte klangliche Räumlichkeit und Weite. Mit folkloristischer Note, springlebendigem Sopranino-Tirilieren und bläserischem Impetus gefiel „Onder een linde groen“ (SwWV 325). Und noch mitreißender, in volksfestartiger Manier pure gute Laune verströmend und mit dem Trillern imitierter Vogelstimmen garniert, geriet „Malle Sijmen“ (SwWV 323).
Sweelinck-typisch improvisierend versuchte sich die in Abständen verteilt auf der Bühne positionierte Bläserformation bei „Kettenreaktion“: Aus anfänglich nachgeahmten Windgeräuschen blitzten einzelne Tonfetzen hervor und mischten sich zu ungewöhnlichen Klangeffekten.
Mit „Ab oriente venerunt magi“ (SwWV 153) aus den „Cantiones Sacrae“ präsentierte das Ensemble den Komponisten in choralartig dichten, in breitem Fluss changierenden Harmonien, über denen eine ruhige Melodielinie schwebte. Und dass Sweelinck, fast ein Jahrhundert vor Johann Sebastian Bach, nicht nur ein Meister der Fuge, sondern auch der „rhetorischen Figur“, also der Vermittlung intensiver Gemütszustände war, das belegte seine „Fantasia Cromatica“ (SwWV 258). Es ist ein grandioses Werk, das sich, beruhend auf einem Thema aus einer absteigenden Linie von acht chromatischen Tönen, zu einer rhythmisch wie harmonisch außerordentlich komplexen Form auswächst.
Und schließlich – nach vielen drängenden Läufen, raffinierten Verzierungen, ineinander verschlungenen Figurationen und gefühlvoll dargebotenen Höhen und Tiefen der menschlichen Seele – mit einem hellen, Optimismus verströmenden Dur-Akkord endet.
Alte Musik, packend aufbereitet und meisterhaft präsentiert: So kann Blockflötenmusik wahrhaft begeistern. Und dafür gab es, in jeder Hinsicht verdient, langen Schlussbeifall und Standing Ovations.
Dr. Gerd Klingeberg, 30. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Programm:
Jan Pieterszoon Sweelinck:
Ballo del Granduca
Pseaume 77
Marchans qui traversez tout le rivage More
Echo fantasia a3
Onder een linde groen
Yeux, qui guidez mon âme
Fantasia G3 Fuga 7 toni
Malle Sijmen
Ab oriente venerunt magi
Fantasia Cromatica
dazwischen:
Aspasia Nasopoulou: Dans voor Orpheus van Amsterdam
Gruppenimprovisation: Kettenreaktion