Markus Hinterhäuser © Julia Stix
Ohne Markus Hinterhäuser, vermutlich kein Teodor Currentzis. Ab dem 1. Oktober 2026 steht bei den Salzburger Festspielen eine neue Intendanz vor der Tür. Ob ein möglicher Nachfolger von Hinterhäuser dem Druck standhalten würde, Teodor Currentzis die große Bühne zu bieten, ist durchaus zu bezweifeln. Sieben Männer und eine Frau haben sich beworben.
Als letztes Bollwerk für diesen charismatischen Künstler in Österreich, ruht meine Hoffnung auf den Schultern von Markus Hinterhäuser. Ob der 65-Jährige eine dritte Amtszeit ins Auge fasst, ist noch nicht bekannt.
von Jürgen Pathy
Mit 2026 endet die Intendanz von Markus Hinterhäuser bei den Salzburger Festspielen. Ob der Österreicher, geboren in La Spezia, Italien, für eine dritte Amtsperiode kandidiert, steht noch in den Sternen. Laut Zeitungsinterviews bitten die Verantwortlichen, den Informationsstopp zu respektieren. „Ich bitte um Verständnis, dass wir hier konkrete Namen nicht nennen können, weil wir natürlich Vertraulichkeit vereinbart haben und deshalb werde ich mich dazu nicht äußern“, heißt es vonseiten des Kuratoriumsvorsitzenden Hans Scharfetter.
Zieht man Teodor Currentzis in Salzburg den Stecker?
Für die Zukunft eines Künstlers wäre das Ende der Ära Hinterhäuser vermutlich fatal: Nur Markus Hinterhäuser ist es zu verdanken, dass man Teodor Currentzis von der österreichischen Kulturlandschaft noch nicht komplett gestrichen hat. Seit 2017 baut man in Salzburg auf Teodor Currentzis. Nach anfänglich überwiegender Euphorie haben sich mit fortschreitender Popularität des „Klassikrebellen“ auch kritische Stimmen unter das Feuilleton gemischt. Aus Deutschland weht der stärkste Gegenwind.
Die Vorwürfe sind bekannt: Den Forderungen, ein klares Statement gegen den russischen Angriffskrieg abzugeben, ist der griechisch-russische Stardirigent noch nicht gefolgt. In Salzburg lässt man Currentzis dennoch nicht fallen. „Ich halte weiter an ihm fest“, lässt Markus Hinterhäuser wissen.
Wer von den sieben Männern und einer Frau, die als Kandidaten für die Intendanz in Salzburg ins Rennen gehen, diesbezüglich ebenso viel Rückgrat beweisen würde, ist schwer zu beurteilen. Die Namen der Kandidaten sind noch nicht offiziell. Nur so viel: Drei sind aus dem Inland, fünf aus dem europäischen Ausland.
Dominique Meyer könnte natürlich darunter sein. Die Verlängerung seiner Intendanz an der Mailänder Scala über das Jahr 2025 hinaus ist mehr als ungewiss. Die italienische Rechtsregierung pocht auf mehr Chauvinismus und möchte das bedeutendste Opernhaus Italiens in Händen eines Einheimischen sehen. Meyer wäre zumindest ein dezenter Hoffnungsschimmer, hat doch der ehemalige Direktor der Wiener Staatsoper in Mailand genügend Cojones bewiesen, Anna Netrebko den Rücken zu decken. Weitere Namen sind selbst in der Gerüchteküche noch nicht gefallen. Nur die Sorge, ein allzu verweichlichter Gendermainstream-Kurs könnte unter dem medialen Druck zusammenbrechen.
Außergewöhnliches statt Mittelmaß
Teodor Currentzis ist unersetzlich für das Fortbestehen eines leuchtenden Klassikbetriebs, der immer mehr zum Nischenprodukt verkommt. Großartige Dirigenten gibt es einige. Persönlichkeiten, die Charisma, Genialität und die Aura des Geheimnisvollen unter einem Mantel vereinen, sind allerdings Mangelware. Über die außergewöhnlichen Qualitäten des Musikers Currentzis muss man kein Wort mehr verlieren. Aus diesem Grund gilt es zu hoffen, dass Markus Hinterhäuser sich nochmals einen Ruck gibt.
Gerichtliche Schlammschlachten hat man ihm erspart. Den Versuch, das Image des 65-Jährigen vor Gericht zu beschmutzen, hat die Staatsanwaltschaft Salzburg in die Schranken verwiesen. Nicht mal ein „Anfangsverdacht“ sei vorgelegen, dass die Salzburger Festspiele ihren Zahlungsverpflichtungen im Coronajahr 2020 nicht nachgekommen seien. Ganz im Gegenteil: Als andere nicht einmal ans Aufsperren gedacht haben, hat man in Salzburg die Fahnen hochgehalten. Die Auslastung lag bei 96 Prozent.
Der Wirbel um die abgesetzte Jedermann-Inszenierung hat sich ebenso gelegt. Und sollte die leidige Diskussion um Teodor Currentzis wieder an Schwung gewinnen, spendet die Aussicht auf ein fürstliches „Schmerzensgeld“ hoffentlich genügend Trost: circa 240.000 Euro Brutto-Jahres-Salär stehen bei einem der wichtigsten Posten in der Kulturbranche auf dem Spiel. Um einen Hangrutsch auf ein künstlerisches Mittelmaß zu verhindern, ist der Verbleib von Markus Hinterhäuser, der seit 2016 die Salzburger Festspiele leitet, eine dringende Notwendigkeit. Die Entscheidung des Kuratoriums soll noch im April folgen.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 10. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Jürgen Pathy, Baujahr: 1976, lebt in Wien. Von dort möchte der gebürtige Burgenländer auch nicht so schnell weg. Der Grund: die kulturelle Vielfalt, die in dieser Stadt geboten wird. Seit 2017 bloggt und schreibt der Wiener für Klassik-begeistert. Sein musikalisches Interesse ist breit gefächert: Von Bach über Pink Floyd, Nick Cave und AC/DC bis zu Miles Davis und Richard Wagner findet man fast alles in seinem imaginären CD-Schrank. Zur „klassischen Musik“, wie man sie landläufig nennt, ist der Rotwein-Liebhaber und Fitness-Enthusiast gekommen, wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind: durch Zufall – aber auch relativ spät. Ein Umstand, weswegen ihn ein Freund wie folgt charakterisiert: „Du gehörst zu derjenigen ideellen Art der Zuhörer, die ich am meisten bewundere. Du verbindest Interesse, Leidenschaft und intelligente Intuition, ohne von irgend einer musikalischen Ausbildung ‚vorbelastet‘ zu sein.“