Arnold Schönberg reiht sich endgültig unter die etablierten Komponisten ein

Buchrezension: Schönberg Handbuch, Meyer/Muxeneder/Scheideler (Hg.)  klassik-begeistert.de, 7. April 2024

Buchrezension:

Schönberg Handbuch

Meyer/Muxeneder/Scheideler (Hg.)

Metzler
Bärenreiter

von Peter Sommeregger

Der Komponist Arnold Schönberg galt bis vor nicht allzu langer Zeit als enfant terrible der jüngeren Musikgeschichte, die von ihm entwickelte Zwölftontechnik stieß auf wenig Gegenliebe beim Konzertpublikum. Die Uraufführungen mancher seiner Werke gerieten in Wien seinerzeit zum Skandal, und mussten abgebrochen werden.

Nicht zuletzt durch die Gründung und Einrichtung des Arnold Schönberg Centers in Wien im Jahr 1998 wurde ein neues Kapitel der Rezeptionsgeschichte Schönbergs eingeleitet. Die dortigen Aktivitäten haben sicher Anteil an den gestiegenen Aufführungszahlen auch seiner Werke der atonalen Schaffensphase.

Schönbergs 150. Geburtstag war nun auch ein willkommener Anlass, den Komponisten Schönberg in die Reihe der bewährten Komponisten-Handbücher der Verlage Metzler und Bärenreiter aufzunehmen. Diese Tatsache markiert vielleicht endgültig die Etablierung Schönbergs im Kreis der großen, anerkannten Komponisten.

Die Herausgeber des gewichtigen Bandes zeichnen sich durch unbestreitbare fachliche Kompetenz aus. Andreas Meyer ist Professor an der Staatlichen Hochschule für Musik in Stuttgart, mit dem Forschungsschwerpunkt klassische Moderne. Therese Muxeneder ist seit 1998 Sammlungsleiterin des Wiener Schönberg-Institutes, davor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Internationalen Stiftung Mozarteum in Salzburg. Ulrich Scheideler war an der Herausgabe der Schönberg- Gesamtausgabe beteiligt, heute unterrichtet er Musiktheorie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Weitere namhafte Fachleute trugen mit Einzelartikeln zur Reichhaltigkeit des Bandes bei.

Arnold Schönbergs Bedeutung liegt neben seinen Kompositionen auch in seiner umfangreichen und erfolgreichen Lehrtätigkeit. Seine prominentesten Schüler waren Alban Berg und Anton von Webern, die ihrerseits bedeutende Karrieren entwickelten. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts betätigte sich Schönberg auch erfolgreich als Maler. Schwerpunkt seines bildnerischen  Schaffens waren Porträts und Selbstporträts. Auch diese Aspekte von Schönbergs Biographie werden umfangreich behandelt.

Wegen seiner jüdischen Herkunft geriet Schönberg durch das nationalsozialistische Regime in unmittelbare Gefahr und wurde zur Emigration gezwungen. Sein amerikanisches Exil und seine dortige Lehrtätigkeit sind akribisch dokumentiert.

Es gibt praktisch keinen Aspekt der komplexen Persönlichkeit Schönbergs und seines Schaffens, der in diesem Handbuch nicht behandelt wird. In insgesamt 24 Abschnitten wird Leben und Werk dieser Jahrhundert-Persönlichkeit umfassend gewürdigt. Es dürfte sich um die bisher umfangreichste Publikation über Schönberg handeln. Die Benutzung wird durch eine übersichtliche Gliederung erleichtert. Der Apparat für die Nutzer besteht aus einem Werkverzeichnis, einem Siglenverzeichnis, einem Verzeichnis der Autorinnen und Autoren, einem Nachweis der Bildquellen und Notenbeispiele, einem Personen- und Werkregister.

Ein umfangreicher, über den gesamten Inhalt verteilter Bildteil und zahlreiche Notenbeispiele sind eine wertvolle Ergänzung des Buches. Der Wissenschaft, aber auch dem interessierten Laien ist damit ein wertvolles Instrument zur Beschäftigung mit Arnold Schönberg in die Hand gegeben. Mit Sicherheit wird es auch zum besseren Verständnis dieses revolutionären Künstlers beitragen.

Peter Sommeregger, 7. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Arnold Schönberg, Kammerensemble mit Mitgliedern der Wiener Philharmoniker, Katharina Wincor Arnold Schönberg Center Wien, 26. März 2024

Vilma von Webenau (1875-1953), Razumovsky-Quartett und Nataša Veljković, Klavier Arnold Schönberg Center, 8. März 2024

Rudis Klassikwelt 2: Eine Begegnung von Arnold Schönberg und Karl Kraus – Teil 1 klassik-begeistert.de, 31. Januar 2024

Rudis Klassikwelt 3: Eine Begegnung von Arnold Schönberg und Karl Kraus – Teil 2 klassik-begeistert.de, 7. Februar 2024

3 Gedanken zu „Buchrezension: Schönberg Handbuch, Meyer/Muxeneder/Scheideler (Hg.)
klassik-begeistert.de, 7. April 2024“

  1. Naja, wem es gefällt…
    Ich sehe in Schönberg und all der von ihm begründeten Ideologie immer noch den Hauptgrund darin, warum unser modernes Orchesterwesen immer mehr zu einer aussterbenden Gattung wird. Es hat einen Grund, warum Gleichaltrige mir mit Schulter zucken und Klischees über Klassische Musik begegnen, anstatt darüber so lebhaft und begeistert zu streiten, wie über Taylor Swift oder „Die Ärzte“. Bis auf ein paar pseudo-intellektuelle Gestalten, die Musik lieber lesen anstatt sie zu hören, nimmt Schönbergs Musik und 95% von allem, was nach ihm kam, niemanden mit und erzeugt weder Begeisterung, noch Interesse. Und der Grund dafür lässt sich meiner Meinung nach auf eine simple Formel herunterbrechen: Form über Ausdruck.
    Warum man das jetzt auch noch weiter würdigen muss, erschließt sich mir nicht. Ich würde mir stattdessen wünschen, dass der Kulturbetrieb wieder einen Fokus auf Orchestermusik legt, die auch etwas ausdrücken will. Die Form als Mittel zum Ausdruck versteht und sie deshalb dem Ausdruck unterordnet. Denn daran mangelt es unter „modernen Komponisten“ seit Jahrzehnten. Und es liegt nicht einmal an einem Mangel an Personal: Personen, die sowas komponieren wollen, gibt es. Sie brauchen nur auch mal eine Chance, gespielt zu werden. Das kann aber auch nur passieren, wenn man sich von dieser Stil-Doktrin des „Neuen“ und „Fortschritts“ endlich einmal trennt, anstatt sich weiter daran festzukrallen, wie ein Hirntoter an der Beatmungsmaschine.

    Daniel Janz

    1. Lieber Daniel,

      das finde ich ja super, dass Du „Die Ärzte“ ins Spiel bringst.

      Da lese ich bei Wikipedia:

      „Am 4. April 2024 brachten die Ärzte, obwohl sie eigentlich kein weiteres Lied als Single auskoppeln wollten, das Lied Our Bass Player Hates This Song vom Album Dunkel heraus. Für die Single wurde der Song in Demokratie umbenannt. Die Veröffentlichung steht im direkten Kontext zur im Juni 2024 stattfindenden Europawahl. Am Ende des dazugehörigen Musikvideos werden die Zuschauer aufgerufen, wählen zu gehen, um die Demokratie zu schützen.“

      Diesen Aufruf finde ich auch super.

      Herzlich

      Andreas

      Aus dem Song „Wahre Liebe“:

      Den Sommerurlaub bucht er schon im Winter fest,
      Sie sagt sich immer wieder, dass sie glücklich ist.

      1. So kommen wir von Arnold Schönberg auf Die Ärzte, und das ist ja schon mal sehr interessant!

        Irrer Zufall, dass ich, der ich bei Kino und U-Musik schon mal 20 bis 30 Jahre hinterherhinke, mich ausgerechnet heute zum ersten Mal ernsthaft mit den Ärzten beschäftige, die ich natürlich wahrgenommen, aber nie so ganz bewusst gehört hatte. (Ich war ein merkwürdiges Kind und hörte ab dem Alter von 8 oder 9 fast ausschließlich Streichquartette.)

        Zufällig hörte ich nämlich gestern auf dem Heimweg nach Bonn im Auto „Lasse redn“ auf WDR 2. Nicht mein Haussender, aber es lief Bundesliga. Und ich lachte viel, fuhr fast in den Graben und tauchte heute ein in die Ärztewelt, im Verbund mit meiner Süßen und mit dem Fazit, dass ich viele Texte witzig bis wertvoll finde, wenngleich ich musikalisch einen ganzen Abend lang nicht ganz erfüllt wäre. Aber das ist egal. Die Ärzte haben einfach gute Texte. „Junge“ wurde sogar legendär von Heino gecovert. („Guck Dir den Dieter an, der hat sogar ein Auto.“ Und: „Was sollen die Nachbarn sagen?“)

        Hier ein paar Zeilen aus dem gestrigen Lied:

        „Lass die Leute redn und lächle einfach mit,
        Die meisten Leute haben ihre Bildung aus der BILD.
        Und die besteht nun mal, wer wüsste das nicht,
        aus: Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht!“

        In diesem Sinne: in furchtbaren Zeiten einfach mehr lachen. Und wählen gehen…

        Brian Cooper

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